Wolfsburg. Der Tarifstreit in der Metall- und Elektroindustrie wird diesmal besonders hart. Die Arbeitgeber halten 28-Stunden-Wochen für nicht praktikabel.

Unser Leser Patrick Ettel fragt auf unseren Facebook-Seiten:

Jaaa, mehr Geld, weniger Arbeit – und was sagen die Arbeitgeber zu solchen Forderungen?

Die Antwort recherchierte Christina Lohner

Die Arbeitgeber sind von den Forderungen der Arbeitnehmer für Tarifverhandlungen naturgemäß nicht begeistert. Doch diesmal gehen ihnen die Empfehlungen des IG-Metall-Vorstands für die Metall- und Elektroindustrie eindeutig zu weit. „Die IG Metall hat den Bogen völlig überspannt“, sagte Wolfgang Niemsch unserer Zeitung, Chef von Lanico-Maschinenbau in Braunschweig und Präsident des Arbeitgeberverbands Niedersachsenmetall. „Die Forderungen gehen an dem Alltag in unseren Betrieben vorbei“, erklärte Gesamtmetall-Präsident Rainer Dulger.

Die Geschichte der Arbeitszeit

Neben deutlich mehr Geld will die IG Metall das Thema Arbeitszeit anpacken. „Die Flexibilisierung der Arbeitszeit in den Betrieben darf nicht weiter einseitig zu Lasten der Beschäftigten gehen, sie muss ihnen auch nutzen“, findet Jörg Hofmann, Chef der größten deutschen Gewerkschaft. „Die Beschäftigten wollen selbstbestimmte Arbeitszeiten, die zu ihrem Leben passen, und wir wollen einen Anspruch darauf durchsetzen.“ Konkret sollen Beschäftigte bundesweit ihre Wochenarbeitszeit – ohne Begründungszwang – für zwei Jahre auf bis zu 28 Stunden reduzieren können – und im Anschluss einen Anspruch haben, zur ursprünglichen Arbeitszeit zurückzukehren. Für Mitarbeiter, die ihre wöchentliche Arbeitszeit um mindestens 3,5 Stunden verkürzen, um Kinder unter 14 Jahren zu betreuen oder Angehörige zu pflegen, sollen einen Entgeltzuschuss erhalten; ebenso Beschäftigte in Schichtarbeit oder anderen gesundheitlich belastenden Arbeitszeitmodellen, die mindestens fünf Tage weniger pro Jahr arbeiten. „Gesundheit und Vereinbarkeit von Familie und Beruf dürfen nicht vom Geldbeutel abhängen“, erklärte Hofmann. Um mehr Leistungsdruck bei den übrigen Mitarbeitern zu verhindern, solle auch über einen Personalausgleich geredet werden.

Niemsch hält diese Forderungen für „völlig unausgegoren“; außerdem träfen sie die Falschen. So herrsche in tarifgebundenen Unternehmen ohnehin schon mehr soziale Verantwortung als in nicht-tarifgebundenen. Solche Fälle würden innerbetrieblich gelöst. In der Industrie gebe es bereits genug Teilzeitverträge. Diese Teilzeitbeschäftigten würden dann nach dem Modell der IG Metall schlechter gestellt, wenn die „neuen“ Teilzeitkräfte einen finanziellen Ausgleich erhalten würden.

Darüber hinaus habe der Gesetzgeber in den vergangenen Jahren bereits viel auf den Weg gebracht, etwa Krankschreibungen für Eltern bei Lohnfortzahlung, wenn das Kind krank ist. Die Arbeitgeber betonen den Fachkräftemangel. Eine Ausweitung des Teilzeitangebots würde das Abarbeiten der vorhandenen Aufträge maßgeblich erschweren, beklagte Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer von Niedersachsenmetall. Und: „Das macht gerade beim Schichtbetrieb eine seriöse Personalplanung unmöglich.“

Auch die Forderung von 6 Prozent mehr Lohn lehnen die Arbeitgeber ab. „Schon heute verdienen unsere Mitarbeiter im Schnitt 56 000 Euro im Jahr“, stellte Schmidt klar. Von den Umsätzen bleibe nach wie vor zu wenig bei den Unternehmen hängen.

IG-Metall-Chef Hofmann hält dagegen: Die Erträge seien hoch, und alle Prognosen stünden weiterhin auf Wachstum. Die Gewerkschaft geht dabei unter anderem von der mittelfristigen EZB-Zielinflationsrate von 2 Prozent aus.

Die niedersächsische Tarifkommission hatte sogar bis zu 7 Prozent mehr Lohn verlangt. Bei ihrer nächsten Bewertung der Forderungen am 24. Oktober dürfte sie sich aber wie in den vergangenen Jahren auf das bundesweite Niveau einspielen.

Auch bei den Verhandlungen bei VW, für die die IG Metall dann ebenfalls ihre Forderungen beschließt, wird ein rauer Wind wehen. „Wir stehen vor einer harten Tarifrunde“, schrieb Konzernbetriebsratschef Bernd Osterloh in den „Metallnachrichten“. „Die Beschäftigten haben sich einen ordentlichen Anstieg der Entgelte mehr als verdient.“ IG-Metall-Bezirksleiter Thorsten Gröger sieht ebenfalls „keinen Grund zur Zurückhaltung“.

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