Braunschweig. Die Kenianerin Rebecca Lolosoli kämpft seit Jahrzehnten für Frauenrechte und ein besseres Leben in Kenia. Am 26. September kommt sie zum Leserforum.

Unter ständiger Bedrohung ihres Lebens setzt sie sich für Frauenrechte und ein besseres Leben in ihrem Dorf Umoja sowie in ganz Kenia ein. Rebecca Lolosoli auch als „Mama Mutig“ bekannt, ist eine echte Powerfrau. Seit nahezu dreißig Jahren kämpft sie für ihre Ziele, aber nicht mit Waffen, sondern mit Argumenten. Am 26. September wird „Mama Mutig“ an einem Leserforum unserer Zeitung teilnehmen. Im Interview mit Tobias Bosse gibt sie erste Einblicke in die großen Fortschritte, die seit ihrem Engagement gemacht wurden. Das Gespräch fand auf Englisch statt und wurde anschließend übersetzt.

Wie ist die Stimmung in Kenia, nachdem die Präsidentschaftswahl annulliert wurde?

Es ist sehr erfreulich, dass die Wahlen dieses Mal friedlich abliefen und keine Kämpfe stattfanden. Das ist gut für Kenia. Außerdem denke ich, dass es ein gutes Zeichen für die Demokratie ist, wenn sich das Gericht von der Regierung emanzipiert.

Können Sie sich vorstellen, eine Frau an der Spitze Ihrer Regierung zu haben, wie es in Deutschland der Fall ist?

Ja, sicher. Es werden immer mehr Frauen gewählt, sogar als Gouverneure. Darüber sind wir sehr glücklich. Und wir sehen, dass immer mehr Kenianer verstehen, wofür wir kämpfen und das auch Frauen Anführer sein können. Und wenn die Menschen das merken, dann ändern die Dinge sich Schritt für Schritt.

Kann Ruanda ein positives Beispiel für Kenia sein? Dort sind viele Frauen in politischen Ämtern und das Land entwickelt sich hervorragend.

Ja, auf jeden Fall. Ruanda ist ein tolles Beispiel, um zu belegen, dass auch Frauen ein Land führen können. Es zeigt, dass auch Kenia Chancen hat, wir müssen sie nur nutzen.

Seit 1990 setzen Sie sich für die Frauenrechte ein. Warum haben Sie diesen Kampf begonnen?

Wir starteten das Projekt, weil wir damals sehr große Probleme in Umoja hatten. Frauen wurden mit ihren Kindern auf die Straße gesetzt. Frauen, die auf der Straße leben, haben überhaupt keine Rechte mehr. Weiterhin gab es keine Schulbildung, kein Essen – Kinder verhungerten. Malaria und Cholera verbreiteten sich enorm schnell und töteten viele Menschen. Und wir hatten kein sauberes Wasser. Wir hatten also keine Wahl: Wenn wir weiter leben wollten, musste sich etwas ändern.

Was haben Sie seitdem erreicht?

Unser Leben hat sich seither deutlich verbessert. Gott sei Dank haben wir viele Freunde gefunden. Wie hier in Deutschland, wo es die „Friends of Umoja“ gibt. Viele Menschen unterstützen uns jetzt. Inzwischen sind wir ein Zufluchtsort für bedrohte Frauen. Es gibt Elektrizität und Licht, das hält gefährliche Tiere fern.

Wir haben Schulen und Kindergärten – 220 Kindern gehen nun zur Schule. Außerdem haben wir dank unserer deutschen Freunde sauberes Wasser. Und das hilft ungemein. Wasser bedeutet Leben. Auch für unsere Nachbardörfer, mit denen wir das saubere Wasser teilen. Denn wir haben nur ein Regenauffangbecken in der gesamten Region. Durch das Wissen unserer Freunde in Deutschland können wir Essen anbauen. Jetzt sind wir dabei, die Armut und Hungersnot zu bekämpfen. Es gibt nun Tourismus, was uns die Möglichkeit gibt, selbst Geld zu verdienen.

Wurden Sie jemals bedroht und mussten um Ihr Leben fürchten?

Oh ja. Das ist so oft passiert, dass ich es nicht zählen kann. Als wir mit unserem Projekt anfingen, kamen die Clans immer wieder in unser Dorf. Sie wollten uns vertreiben, aber wir haben es abgelehnt zu gehen. Dann haben sie uns mit Waffen bedroht und wollten mich erschießen. Aber ich wurde nicht getötet. Damals waren unsere Söhne noch sehr jung. Heute sind sie große, starke Männer – sie beschützen uns jetzt.

Respektieren Ihre Söhne denn Frauen ebenso wie Männer?

Ja, so ist es. Sie sind mit dem Wissen aufgewachsen, dass sie die Rechte von Frauen zu respektieren haben. Außerdem haben sie die Probleme gesehen, die wir erleben mussten. Wir sind sehr glücklich darüber, wie sich unsere Söhne entwickelt haben.

Also ist das eine neue Generation kenianischer Männer?

Das hoffe ich sehr. Unsere Söhne könnten dafür ein Vorbild sein. Sie respektieren ihre Mütter und Schwestern und lassen nicht zu, dass ihre Genitalien verstümmelt werden. Unsere Söhne haben das verstanden und unterstützen uns sehr in unserer Arbeit. Jetzt müssen sich andere ein Beispiel daran nehmen.

Es gibt eine UN-Agenda für das Jahr 2030. Wie sehen Umoja und Kenia zu diesem Zeitpunkt in Ihren Träumen aus?

Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Aber ich hoffe, dass wir dann die Armut und den Hunger besiegt haben, Geschlechter gleichgestellt sind, es sauberes Wasser sowie Elektrizität und gute Schulbildung für jeden gibt. Und wir wollen uns von den schlechten Seiten unserer Kultur trennen. Der Schlüssel für diese Wünsche ist Frieden. Menschen dürfen nicht mehr in Stämmen oder Clans denken. Wir müssen alle als Kenianer denken. Aber wir sind auf einem guten Weg. Ich kann den Silberstreif am Horizont erkennen.