Hannover. Mit dem Ändern des Schulgesetzes will das Land Niedersachsen die Rechtslage sicherer machen.

Unsere Leserin Elisabeth Wolf aus Braunschweig fragt:

Soll die Erlaubnis zum Tragen des Nikab in der Schule von einer Einzelfallprüfung des Integrationsgrades abhängig gemacht werden?

Die Antwort recherchierte Michael Ahlers

Jede „Nikab“-Trägerin im Klassenzimmer künftig einer Art Integrationstest zu unterziehen, das wäre wohl der Albtraum von Niedersachsens Schulbehörden und Schulleitungen. Die Antwort auf die Frage unserer Leserin lautet also: Nein. Und von Erlaubnis soll keine Rede mehr sein.

Stattdessen beschreitet Niedersachsen mit der geplanten Änderung seines Schulgesetzes einen anderen Weg. Falls der Gesichtsschleier im Unterricht auftaucht, soll dessen Tragen mit Verweis auf neue, präzisere Reglungen im Schulgesetz künftig klarer untersagt werden können. „Der Nikab hat in Niedersachsens Schulen nichts zu suchen“, hatte schließlich auch Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) unmissverständlich erklärt.

Um ein massenhaftes Phänomen handelt es sich allerdings keineswegs. Fünf Fälle landesweit meldete im September 2016 das Kultusministerium, in drei dieser Fälle wurden Beratungsgespräche zum Ablegen der Verschleierung geführt. Vor Gericht ging der Fall einer Abendgymnasiastin, die dann aber zu einem Termin kurzfristig nicht erschienen war. Und dann war da natürlich noch der „Nikab von Belm“ – in Belm im Kreis Osnabrück trug eine Schülerin über Jahre den Schleier, Gespräche änderten nichts. Es hieß, das Mädchen sei in der Klasse gut integriert, auch der Schulfrieden sei nicht gestört. Wenn die Schülerin nach ihrem Abschluss an der Oberschule an eine andere wechsele, werde man den Nikab nicht mehr dulden, hatte die Landesregierung signalisiert.

Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) höchstpersönlich hatte im Dezember 2016 im Landtag dargelegt, dass im Fall Belm ein Verbot des Nikab – nach langem Tolerieren – wohl unverhältnismäßig gewesen wäre. Der Jurist hatte auch vor einem Scheitern vor Gericht gewarnt. „Belm darf nicht Schule machen“, erklärte Weil seinerzeit.

Die rot-grüne Koalition hatte zunächst daran festgehalten, dass ein Schleier-Verbot aus dem derzeit geltenden Schulgesetz klar ableitbar sei. „Die vollständige Gesichtsverschleierung stellt im täglichen Schul- und Unterrichtsbetrieb ein objektives Unterrichtshindernis dar, so dass die Schule ihrem Bildungsauftrag nach Paragraf 2 des Niedersächsischen Schulgesetzes nicht entsprechen kann“, hatte Staatssekretärin Erika Huxhold im November 2016 die Position des Landes beschrieben. „Das Verbot der Vollverschleierung lässt sich grundsätzlich aus der Teilnahmeverpflichtung am Unterricht – also aus Paragraf 58 des Schulgesetzes – ableiten“, so Huxhold. Immer wieder wurden auch die Notwendigkeit offener Kommunikation im Unterricht und der Schulfrieden als juristisch relevante Kriterien hervorgehoben. Diese Einschätzungen dürften zwar im Grundsatz immer noch gelten. Was aber, wenn ein Gericht klare Belege für ein Stören des Schulfriedens oder die Unmöglichkeit ordentlichen Unterrichtens verlangt?

Auch Regierungschef Weil hatte daher schon im Vorjahr signalisiert, dass „Klarstellungen“ im Schulgesetz kein Tabu seien. Mit einem Rechtsgutachten ließ die Staatskanzlei diese Position dann untermauern. Die Folge ist nun der neue Paragraf 58. „Im täglichen Schul- und Unterrichtsbetrieb kann etwa die aus religiösen Gründen getragene Vollverschleierung von Schülerinnen eine derartige Erschwerung der Kommunikation in besonderer Weise darstellen, dass die Schule ihrem Bildungsauftrag (...) nicht entsprechen kann“, heißt es in der Gesetzesbegründung. Das ist eindeutig. Während der SPD-Abgeordnete Stefan Politze lobt, dass das Gesetz auch die Handschrift der SPD trage, ist der FDP-Bildungspolitiker Björn Försterling weniger zufrieden. „Jetzt wird es ein reines Nikabverbotsgesetz“, erklärte Försterling. Die FDP dagegen habe zum Beispiel auch „rechtsextreme Kleidung“ einschließen wollen. Für den 3. August ist zwar noch eine umfassende Anhörung im Kultusausschuss des Landtags geplant. Eltern- und Schülervertreter werden dort ebenso auftreten wie Vertreter der Kirchen oder von Ditib und Schura. „Angestrebt wird eine Verabschiedung des Gesetzentwurfs im August-Plenum“, heißt es.

SPD-Mann Politze spricht von einer „klaren, unmissverständlichen Formulierung, die Rechtssicherheit schafft“. Das klingt nicht so, als sei noch ein Kurswechsel der Fraktionen zu erwarten.