Braunschweig. Wer beim Bau nicht-brennbares Material wie Steinwolle verwendet, zahlt mehr. Ein Brandschutzexperte der TU warnt aber vor Hysterie und Panikmache.

Unser Leser Fritz Peter Mann aus Braunschweig fragt:

Deutschland hat tief-greifende Gesetze bei der Häuserdämmung. Die Frage ist, wer das an Baustellen von kompetenter Stelle überprüft?

Zu dem Thema recherchierte Dirk Breyvogel

Nach dem verheerenden Hochhausbrand von London stellen sich auch Eigenheim-Besitzer in Deutschland immer öfter Fragen wie diese: Wie sicher ist mein Haus? Und: Habe ich die richtigen Materialien verbaut?

„Es ist jedem Bauherrn überlassen, die Standards seinem individuellen Sicherheitsempfinden anzupassen.“
„Es ist jedem Bauherrn überlassen, die Standards seinem individuellen Sicherheitsempfinden anzupassen.“ © Olaf Riese, TU-Brandschutzexperte

Dr. Olaf Riese, Oberingenieur Fachgebiet Brandschutz am Institut für Baustoffe, Massivbau und Brandschutz an der TU Braunschweig, warnt vor Hysterie und Panikmache, wenn es um Dämmmaterial in deutschen Eigenheimen geht. Mit Blick auf die Frage des Lesers sagt er aber auch: „Der Gesetzgeber gibt einen Mindestschutz vor, der höher sein muss, wenn Hochhäuser oder Gebäude wie Krankenhäuser gebaut werden. Es ist aber jedem Bauherrn überlassen, die Standards seinem individuellen Sicherheitsempfinden anzupassen.“

Er vergleicht die Situation bei der Häuserdämmung mit Autos im Straßenverkehr. „Wer sich für ein Auto mit der kürzesten Knautschzone entscheidet, wird nicht davon abgehalten, es zu kaufen. Solange das Auto für den Straßenverkehr zugelassen ist, wird der Staat da nicht intervenieren.“ Zu einem Großteil werde laut Riese bei der Dämmung in Deutschland auf den Stoff „Expandiertes Polystyrol“ (EPS) gesetzt. Dieser Stoff falle in Deutschland bei den Prüftests in die Kategorie der schwer entflammbaren Materialien. Die Baustoff-Prüf-Richtlinien der EU sortieren EPS allerdings in der Kategorie „normal entflammbar“ ein. Riese betont, dass selbst ein schwer-entflammbarer Baustoff einen erheblichen Beitrag zu einem Brand leisten kann. Es gelte die einfache Faustformel für die Verwendung von Baustoffen in Außenwandbekleidungen: Umso weniger brennbar ein Material sei, umso widerstandsfähiger sei es gegenüber Feuer.

Auch an den Fassaden von Wohnhäusern, die nur eine oder zwei Etagen besitzen, sei es möglich sogenannte Brennsperren einzulassen, die verhindern würden, dass der Brand schnell von der einen zur anderen Etage übergreift. Das dort verwendete nicht-brennbare Material wie beispielsweise Steinwolle könne helfen, den Menschen mehr Zeit zu geben, das brennende Haus zu verlassen. „Menschen müssen sich hinsichtlich ihrer eigenen Mobilität hinterfragen. Auch das entscheidet darüber, welches Dämmmaterial ich wähle.“ André Hannes, Geschäftsführer des niedersächsischen Dachdeckerverbandes, pflichtet Riese bei. „Das ist dann auch immer die Frage, was man in die Sicherheit investieren möchte. Nicht-brennbares Material zu verbauen ist teurer.“ Der Dachdeckermeister aus Bad Lauterberg erwartet allerdings keinen Ansturm der Hausbesitzer. „Bei Hochhäusern ist der Rettungsweg wesentlich länger. Das ist eigentlich das entscheidende Kriterium dafür, welches Material verwendet wird.“

Bei der Fassadendämmung unterscheidet man in Deutschland zwischen schwer entflammbarem und nicht-brennbarem Material. In Deutschland seien Häuser ab einer Höhe von 22 Metern als Hochhäuser definiert. Deren Fassade darf nur nicht-brennbare Materialien enthalten. Diese hohen Standards gelten nach Angaben von Sicherheitsexperten in Großbritannien nicht. Bei dem Großbrand in dem Londoner Grenfell-Tower waren in der Nacht zum 14. Juni mindestens 79 Menschen ums Leben gekommen. Nach Erkenntnissen der Ermittler wurde das Feuer durch einen defekten Kühlschrank ausgelöst. Die Flammen hatten sich rasend schnell ausgebreitet. Es stellte sich heraus, dass die Fassadenverkleidung aus leicht brennbarem Material bestand. Inzwischen werden immer mehr Hochhäuser von den Behörden in Großbritannien untersucht. Und es werden immer mehr Mängel festgestellt. In mehr als 600 Gebäuden soll landesweit dasselbe Fassaden-Material wie im Grenfell-Tower verwendet worden sein, hieß es gestern.

Brandschutzexperte Riese weist daraufhin, dass sich nach London die Debatte ausschließlich auf die Fassadensicherheit kaprizieren würde. Es werde oft vergessen, dass die Brandherde meistens im Inneren der Gebäude zu finden seien. „Es gibt in unseren Wohnungen Computer, elektronisches Gerät, Kabel und vieles mehr, auf das wir nicht verzichten wollen und werden und welches dennoch brennbar ist.“