Braunschweig. Unser Leser William Rossmann aus Königslutter fragt: Wie können die Radwege attraktiv und sicher für den täglichen Betrieb werden und welche Investitionen erfordert das?

Viele Radwege sind in unserer Region eine Gefahr für Radfahrer

Hätte sich Karl Freiherr von Drais vor 200 Jahren vorgestellt, dass seine Erfindung einen Boom auslöst? Man weiß es nicht, aber sicher ist, dass er im Sommer 1817 seine erste Fahrt mit einem Laufrad unternahm. Von Mannheim bis nach Schwetzingen bewältigte Drais mit seinem hölzernen Rad die Strecke schneller als ein Wanderer.

Heute fährt so mancher mit dem Pedelec, einem Fahrrad mit E-Motor. Damals unvorstellbar, genauso wie die deutschlandweit 72 Millionen Radfahrer. Auch wenn das Zweirad in der Bundesrepublik auf dem Vormarsch ist, so fehlt es in vielen Städten und Gemeinden an Infrastruktur. Das trifft auch auf unsere Autoregion zu. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad Club (ADFC) in unserer Region hat anlässlich des 200. Jubiläums des Fahrrads Ideen zur zukünftigen Radverkehrsförderung entwickelt.

Radschnellwege

„Viele Radfahrer fühlen sich auf den Straßen nicht sicher“, sagt Martin Langer vom ADFC in Wolfenbüttel. In Braunschweig zum Beispiel seien an vielen großen Kreuzungen die Radwege zu eng. Sie müssten geradeaus weitergehen und nicht umschwenken. „Sonst besteht eine erhöhte Gefahr, dass ein Radfahrer übersehen wird“, ergänzt sein Braunschweiger Kollege Olaf Mindermann.

Radschnellwege für die Region?

Doch wie kann das Problem behoben werden? Alle Radwege in der Region ausbauen? „Ich würde es begrüßen, wenn in der Region die Radwege breiter und sicherer werden“, sagt André Menzel vom Regionalverband Großraum Braunschweig. Die Gefahr für Radfahrer sei groß, wenn zum Beispiel jemand mit einem Pedelec angedüst komme und überhole. „Pedelec-Fahrer sind im Schnitt fünf bis sieben Kilometer pro Stunde schneller. Ein Überholmanöver kann dann auch mal nach hinten losgehen“, sagt Menzel.

Doch selbst wenn er die Forderungen nach sicheren Radwegen des ADFC befürwortet, sei die Finanzierung ein Problem. „Die Frage ist, ob die Gemeinden und Kommunen überhaupt die nötigen finanziellen Mittel bereitstellen“, sagt er.

Eine Verbesserung der bestehenden Infrastruktur ist das eine, der Neubau von Radschnellwegen das andere. Kurze und direkte Verbindungen zwischen Wohn- und Arbeitsort, geringe Steigungen und gute Oberflächen charakterisieren die Radschnellwege. „Sie entlasten den urbanen Verkehr und die Umwelt. Gerade für Pendler wären Radschnellwege optimal“, sagt Mindermann.

Der ADFC hat klare Vorstellungen. Er will, dass ein die Region umfassendes Radschnellwegnetz errichtet wird. Es soll alle Städte und Gemeinden miteinander verbinden. Der ADFC beruft sich auf das Klimaschutzteilprojekt des Regionalverbands, der den Bedarf nach acht Radschnellwegen ermittelt hat. „Wir haben die drei mit dem größten Potenzial ausgewählt“, sagt Menzel. Diese wären Braunschweig-Wolfsburg, Braunschweig-Salzgitter-Thiede und Braunschweig-Vechelde. Aber auch die Verbindung zwischen Braunschweig-Wolfenbüttel habe ein gutes Potenzial, sagt Menzel.

Bevor jedoch weitere Schritte unternommen werden, müssen sich die zuständigen Gremien der Städte, Landkreise und Gemeinden zusammensetzen und die Kosten besprechen. Eine finanzielle Spritze könnte von der Bundesregierung kommen. Erstmals werden bundesweit Mittel für den Bau von Radschnellwegen in Höhe von 25 Millionen Euro bereitgestellt. Der Bundesverband des ADFC sieht darin einen ersten Schritt, bezeichnet aber die Summe als unterdimensioniert. Der Verband fordere das Zehnfache, heißt es in einem Bericht der Frankfurter Rundschau.

Wie viel ein bestimmter Radschnellweg am Ende kosten wird, das sagt André Menzel nicht. Aber für einen Kilometer kämen Kosten in Höhe von 500.000 bis 700.000 Euro zusammen.

Ausgaben für den Radverkehr

Die Bürger sind mit der Radinfrastruktur in unserer Region nicht zufrieden. Das geht aus dem Fahrradklimatest von 2016 hervor, der vom Bundesverband des ADFC in Auftrag gegeben wurde. Mehr als 120 000 Bürger gaben bundesweit ihre Bewertungen ab. Salzgitter erhält in unserer Region mit der Note 4,2 die schlechteste Bewertung. Besonders fiel den Bürgern auf, dass es kein oder nur ein geringes Angebot von Leihrädern gebe oder die Radwege holprig und uneben seien. Positiv sei, dass es viele Radfahrer gebe und Ziele wie das Stadtzentrum zügig mit dem Rad zu erreichen seien.

Auch Braunschweig, Wolfsburg, Gifhorn, Helmstedt und Wolfenbüttel schneiden nur ausreichend ab. Sie liegen im Notenbereich zwischen 3,5 und 3,9. „Der Fahrradklimatest macht deutlich, woran es in jeder Stadt oder Region hapert. Das muss sich ändern“, sagt ADFC-Mann Langer.

„Der Landkreis Wolfenbüttel wird für 2017 insgesamt 1,1 Millionen Euro in die Förderung des Radverkehrs stecken“, sagt Landkreissprecherin Kornelia Vogt. Rund 200 000 Euro entfallen auf die Planung und Sanierung von Radwegen an Kreisstraßen. Die Gemeinden sollen rund 50.000 Euro für die Einrichtung von Radabstell-Anlagen erhalten. Außerdem sei der Landkreis mit den Planungskosten an der Einrichtung diverser Radwege an Landesstraßen beteiligt. Dies betreffe unter anderem Verbindungen zwischen Lucklum und Erkerode, Cremlingen und Hordorf sowie Sehlde und Heere, so Kornelia Vogt.

Für den Landkreis Peine seien Kosten in Höhe von 200.000 Euro für die Planung sowie 545.000 Euro für den Bau neuer Radwege eingeplant, sagt Katja Schröder, Sprecherin des Landkreises. „Hinzu kommen zwei größere Straßenbaumaßnahmen mit Radwegen. Dies betrifft die Wege von Meerdorf bis Mödesse sowie die Ortsdurchfahrt Eddesse“, teilt sie mit. Über die Kosten dafür könne sie noch nichts sagen.

Im Helmstedter Haushaltsplan sind Investitionen in das Alltagsradwegenetz von 40.000 Euro vorgesehen, teilt Landkreissprecher Andreas Jünemann unserer Zeitung mit.

Wie viel die Stadt Salzgitter insgesamt für den Radverkehr ausgeben will, das sagt Pressesprecherin Maren Landwehr nicht – allerdings nennt sie einen Maßnahmekatalog. Dazu zählen unter anderem der Bau von Radabstell-Anlagen am Bahnhof Salzgitter-Lebenstedt und Salzgitter-Ringelheim für dieses oder nächstes Jahr. Dann der Bau eines Radweges auf der Peiner Straße bis spätestens 2019 sowie die Erneuerung des Radweges an der Berliner Straße im nächsten Jahr. Zusätzlich zu den erwähnten Maßnahmen sei geplant, jährlich 125.000 Euro für die Verbesserung des Radverkehrs bereitzustellen, sagt Landwehr.

„Die meisten Mittel zur Verbesserung des Radverkehrs sind nicht gesondert im Haushalt veranschlagt, sondern verbergen sich in den Straßenbauprojekten“, sagt Adrian Foitzik, Pressesprecher der Stadt Braunschweig. Hier investiere die Löwenstadt für dieses Jahr 15,4 Millionen Euro. Konkrete Zahlen gebe es nur für die Sanierung von Radwegdecken, für Bordsteinabsenkungen oder für Fahrradständer. Hier investiere die Stadt für 2017 rund 300.000 Euro, sagt Foitzik.

Wolfsburg werde in diesem Jahr drei neue Radwege bauen, erklärt Pressesprecher Ralf Schmidt. Rund 4,3 Millionen Euro kosten die Wege entlang der Landstraße zwischen Almke und Hehlingen, entlang der Kreisstraße zwischen Ilkerbruch und Weyhäuser Weg sowie entlang der Kreisstraße zwischen Ehmen und Sülfeld. „Die Stadt plant zudem eine Ost-West-Radachse, die quer durch die Innenstadt verlaufen soll. Nächstes Jahr ist auch der Bau einer Radfahrer- und Fußgängerbrücke zwischen den Stadtteilen Detmerode und Westhagen vorgesehen“, sagt Schmidt.

Der ADFC bleibt kritisch. „Einige Kommunen investieren zu wenig, weil sie Autofahrern nicht wehtun wollen“, sagt Mindermann. So zögerten viele, die Höchstgeschwindigkeit in der Stadt zu reduzieren oder die Anzahl der Parkplätze zu verringern – solche Maßnahmen stehen derzeit tatsächlich nicht auf dem Plan der Städte und Landkreise in der Region. Jede Förderung des Radverkehrs führe gleichzeitig zu einer Reduzierung von CO2-Emissionen, betont Mindermann. Schließlich sei Radfahren klimaneutral.