Wolfsburg. Der scheidende Autostadt-Geschäftsführer Otto F. Wachs ist überzeugt, dass die Autostadt die Visitenkarte des Konzerns bleibt.

Die Nachricht vom Ausscheiden von Otto F. Wachs als Autostadt-Geschäftsführer verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Um 11 Uhr hatten Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch und VW-Vorstandsvorsitzender Matthias Müller das Führungsteam der Autostadt informiert. Otto F. Wachs, der Ende des nächsten Monats 60 Jahre alt wird, richtete bewegende Worte an sein Team. Im Anschluss daran sprach der Autostadt-Chef mit den Redakteuren Kerstin Loehr und Thomas Kruse über diese Entscheidung und die vergangenen 20 Jahre.

Herr Wachs, man merkt Ihnen an, dass das für sie heute ein sehr emotionaler Tag ist...

Ja, das ist mir heute nicht ganz leicht gefallen. Aber auch den Mitarbeitern sicher nicht – da sind schon ein paar Tränen geflossen. Wir sind hier in der Autostadt an einem Ort tätig, der viel mit Emotionen zu tun hat – da haben alle ein entsprechendes Sensorium. Bei den Mitarbeitern löst diese Nachricht gewiss auch ein Gefühl der Sorge aus.

Genau, wie geht es jetzt weiter?

Heute ist es erforderlich, nach vorne zu schauen und auch die Autostadt wird sich neu ausrichten. Das Thema Nachhaltigkeit haben wir zum Beispiel seit fast zehn Jahren sehr aktiv mit unseren Gästen kommuniziert – immer in ihrer Lebenswelt, so dass es für den Einzelnen relevant ist. Die in den nächsten Wochen beginnende neue Form der Fahrzeugübergabe ist in diesem Jahr ein wesentlicher Aspekt. Die Funktion der Auslieferung, die der Kernprozess der Autostadt ist, wird eher wichtiger für einen Hersteller. Die Visitenkarte des Konzerns wird die Autostadt aber immer bleiben.

Spielen auch die Ereignisse der vergangenen zwei Jahre eine Rolle, die sich im Konzern ereignet haben?

Wir haben dem Konzern sehr geholfen in diesen schwierigen Zeiten. Die Autostadt war und ist für Volkswagen immer ein sympathischer Botschafter mit dem Motto: „Menschen, Autos und was sie bewegt“. Ein Unternehmen wie Volkswagen muss sehr produktorientiert sein, bei uns steht immer der Mensch im Mittelpunkt. Das war eine wunderbare Aufgabe – und der Eckpfeiler des Erfolgs der Autostadt.

Das könnte doch auch so fortgesetzt werden unter Ihrer Ägide?

So, wie ich im Frühjahr 1996 vor der Aufgabe stand, aus alten Lagerhallen und verrosteten Öltanks mit wenigen Mitstreitern quasi aus dem Nichts die heutige Autostadt aufzubauen, so stand ich in den vergangenen Wochen vor der Frage, ob ich der Richtige bin, die Autostadt in die nächste Generation zu führen. Und da möchte ich gern Thomas Jefferson – Gründervater und dritter amerikanischer Präsident – zitieren, der 1805 formulierte: „Jede Generation braucht eine neue Revolution“. Auch in der Diskussion mit dem Aufsichtsrat und dem Volkswagen-Vorstand ist bei mir die Erkenntnis gereift, dass jetzt der richtige Moment für die neue Generation gekommen ist.

Sie meinen das sicher nicht nur altersmäßig?

Nein, es müssen jetzt Menschen führen, die längerfristig und auch inhaltlich aus der neuen Generation stammen. Ich bin seit 35 Jahren im Unternehmen und sehr früh leitender Angestellter geworden. Hier in der Autostadt habe ich mich immer als Unternehmer gefühlt und habe auch die Freiheiten gehabt. Für den Erfolg der Autostadt war diese Selbstständigkeit unabdingbar.

Wird sich am inhaltlichen Konzept der Autostadt etwas ändern?

Das neue Führungsteam wird die Autostadt erfolgreich weiterentwickeln, da bin ich mir sehr sicher. Wir haben bisher sehr subtil die Marken und ihre Inhalte kommuniziert – im Zeithaus sogar weit darüber hinaus. Heute hat sich im Konzern einiges geändert, denken Sie nur an das Megathema der Digitalisierung – und sicher wird sich auch die Autostadt hier weiterentwickeln. Ich habe in den vergangenen zwei Jahren gemerkt, dass es nicht immer ganz einfach ist, die Autostadt allein zu führen. Dr. Maria Schneider stand mir als Kreativdirektorin hier lange erfolgreich zur Seite.

Aber, wer Sie kennt: Leicht fällt Ihnen der Abschied nicht...

Die letzten Monate waren schwierig, aber ich habe in meinem Leben schon ganz andere Momente erlebt. Ich glaube, man sollte den richtigen Zeitpunkt wählen. Als wir zum Beispiel den Mondoclub auf dem Höhepunkt hatten, war Schluss. Es war eines der großen Geheimnisse der Autostadt, den richtigen Zeitpunkt zu erkennen und Veränderungen einzuleiten. Das habe ich jetzt auch für mich gelten lassen.

Was geben Sie Ihren Nachfolgern mit auf den Weg?

Ich hinterlasse ein beispielgebendes und erfolgreiches Unternehmen. Und sollten meine Nachfolger Interesse daran haben, liegen in der Schublade natürlich auch schon einige Konzepte. Mein Kernanliegen ist es aber, dass sie einen möglichst guten Start mit einem motivierten und erfahrenen Team haben.

Gibt es Pläne für Ihre Zeit danach?

Zum 31. August scheide ich in der Autostadt aus, bis Jahresende bin ich noch leitender Angestellter des Konzerns. Danach habe ich die Möglichkeit, etwas anderes zu tun. Es gibt noch keinen Fahrplan, aber da wird etwas kommen. Eins ist sicher: Ich bleibe vorerst in Wolfsburg und werde vom Unternehmen bestimmt auf Lebenszeit eine Jahreskarte in der Autostadt bekommen, die ich auch benutzen werde.