Braunschweig. Im Braunschweiger Dom wird zum 14. Mal der Gemeinsam-Preis vergeben. Die Leser küren das Team der Helmstedter Tafel zum Sieger.

Es ist ein Bild von besonderer Symbolik: Eingerahmt vom gekreuzigten Jesus Christus und dem Siebenarmigen Leuchter appelliert der Jude Sally Perel an den Humanismus und ruft zum Kampf gegen Faschismus und Fremdenfeindlichkeit auf – in der Stadt, in der man ihn zwang, zum Hitlerjungen zu werden; im Braunschweiger Dom, den die Nazis in den 1930er Jahren zu einer nationalsozialistischen Weihestätte machen wollten.

Auch Perel, diesjähriger Festredner beim Gemeinsam-Preis, ist sich der Symbolik bewusst. Unwohl fühle er sich an diesem Ort aber nicht, hatte der gebürtige Peiner zuvor im Interview mit unserer Zeitung gesagt. „Für mich ist jede Kirche ein Zelt Gottes, auch wenn ich nicht religiös bin.“

„Wir alle können froh und dankbar sein, dass es Menschen gibt, die die Dinge nicht geschehen lassen.“
„Wir alle können froh und dankbar sein, dass es Menschen gibt, die die Dinge nicht geschehen lassen.“ © Armin Maus in seiner Laudatio auf die Preisträger der Helmstedter Tafel

Perels Rede (siehe die Auszüge im Wortlaut auf der rechten Seite) bewegt die Zuhörer im Dom. Im Anschluss erhebt sich das Publikum, um lange zu applaudieren. Julien Mounier, Vorstandsvorsitzender von BS-Energy und Laudator für den „Rückwind“-Preis, spricht von „Gänsehaut“, wirft spontan den Großteil seiner Rede über den Haufen und erzählt stattdessen von seiner deutsch-französischen Familie in Braunschweig – eine Geschichte der Völkerfreundschaft im Kleinen. „Die Menschen vergessen schnell die Wichtigkeit von Frieden und Demokratie“, sagt Mounier an Perel gewandt.

Die Verleihung des Gemeinsam-Preises im Braunschweiger Dom

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    Dompredigerin Cornelia Götz zitiert in ihrer Begrüßung aus dem Lied „Herz“ von Herman van Veen. Den Trommler aus dem Lied setzt sie mit der inneren Unruhe gleich, die manche Menschen dazu bewegt, sich in der Gesellschaft zu engagieren. Sie sei froh, sagt Götz, dass Sally Perel der Festredner beim Gemeinsam-Preis sei. „Sie sind auch ein Trommler, der ständig dafür wirbt, dass nicht der Hass das dominierende Gefühl unter den Menschen ist, sondern sich die Menschen mit Liebe begegnen“, sagt die Dompredigerin.

    Die ersten Preisträger

    Gleich 13 Ehrenamtliche haben unsere Leser diesmal zu den Gewinnern des ersten Preises gewählt. Als der Trägerverein der Helmstedter Tafel im Juli 2015 die Förderung einstellte, wollten Nadine Kummert und ihre zwölf Mitstreiter das nicht einfach hinnehmen – und wurden zu den 13 Rettern der Helmstedter Tafel(runde): Sie gründeten kurzerhand einen eigenen Trägerverein, der seitdem das Einsammeln und Verteilen von Lebensmitteln an Bedürftige finanziert.

    Die Preisträger des Gemeinsam-Preises 2017

    Alle Gewinner mit Jury und Festredner Sally Perel während der Verleihung des Gemeinsam-Preises der Braunschweiger Zeitung für ehrenamtliches und bürgerliches Engagement am Dienstag im Braunschweiger Dom.
    Alle Gewinner mit Jury und Festredner Sally Perel während der Verleihung des Gemeinsam-Preises der Braunschweiger Zeitung für ehrenamtliches und bürgerliches Engagement am Dienstag im Braunschweiger Dom.
    Julien Mounier, Vorstandsvorsitzender BS Energy, während der Verleihung des Gemeinsam-Preises.
    Julien Mounier, Vorstandsvorsitzender BS Energy, während der Verleihung des Gemeinsam-Preises.
    Julien Mounier, Vorstandsvorsitzender BS Energy, während der Verleihung des Gemeinsam-Preises.
    Julien Mounier, Vorstandsvorsitzender BS Energy, während der Verleihung des Gemeinsam-Preises.
    Julien Mounier, Vorstandsvorsitzender BS Energy, während der Verleihung des Gemeinsam-Preises.
    Julien Mounier, Vorstandsvorsitzender BS Energy, während der Verleihung des Gemeinsam-Preises.
    Julien Mounier, Vorstandsvorsitzender BS Energy, und Rückenwind-Preisträger Thorsten Sponholz, Siemens AG, während der Verleihung des Gemeinsam-Preises.
    Julien Mounier, Vorstandsvorsitzender BS Energy, und Rückenwind-Preisträger Thorsten Sponholz, Siemens AG, während der Verleihung des Gemeinsam-Preises.
    Julien Mounier, Vorstandsvorsitzender BS Energy, und Rückenwind-Preisträger Thorsten Sponholz, Siemens AG, während der Verleihung des Gemeinsam-Preises.
    Julien Mounier, Vorstandsvorsitzender BS Energy, und Rückenwind-Preisträger Thorsten Sponholz, Siemens AG, während der Verleihung des Gemeinsam-Preises.
    Julien Mounier, Vorstandsvorsitzender BS Energy, und Rückenwind-Preisträger Thorsten Sponholz, Siemens AG, während der Verleihung des Gemeinsam-Preises.
    Julien Mounier, Vorstandsvorsitzender BS Energy, und Rückenwind-Preisträger Thorsten Sponholz, Siemens AG, während der Verleihung des Gemeinsam-Preises.
    Julien Mounier, Vorstandsvorsitzender BS Energy, und Rückenwind-Preisträger Thorsten Sponholz, Siemens AG, während der Verleihung des Gemeinsam-Preises.
    Julien Mounier, Vorstandsvorsitzender BS Energy, und Rückenwind-Preisträger Thorsten Sponholz, Siemens AG, während der Verleihung des Gemeinsam-Preises.
    Julien Mounier, Vorstandsvorsitzender BS Energy, und Rückenwind-Preisträger Thorsten Sponholz, Siemens AG, während der Verleihung des Gemeinsam-Preises.
    Julien Mounier, Vorstandsvorsitzender BS Energy, und Rückenwind-Preisträger Thorsten Sponholz, Siemens AG, während der Verleihung des Gemeinsam-Preises.
    Frank Witter, Mitglied des Vorstands der Volkswagen AG, während der Verleihung des Gemeinsam-Preises.
    Frank Witter, Mitglied des Vorstands der Volkswagen AG, während der Verleihung des Gemeinsam-Preises.
    Frank Witter, Mitglied des Vorstands der Volkswagen AG, und Sonderpreisträger Jan-Nicklas Banning während der Verleihung des Gemeinsam-Preises.
    Frank Witter, Mitglied des Vorstands der Volkswagen AG, und Sonderpreisträger Jan-Nicklas Banning während der Verleihung des Gemeinsam-Preises.
    Frank Witter, Mitglied des Vorstands der Volkswagen AG, und Sonderpreisträger Jan-Nicklas Banning mit seinem THW-Team während der Verleihung des Gemeinsam-Preises.
    Frank Witter, Mitglied des Vorstands der Volkswagen AG, und Sonderpreisträger Jan-Nicklas Banning mit seinem THW-Team während der Verleihung des Gemeinsam-Preises.
    Thomas Hofer, Oberlandeskirchenrat und Mitglied der Jury, während der Verleihung des Gemeinsam-Preises der Braunschweiger Zeitung.
    Thomas Hofer, Oberlandeskirchenrat und Mitglied der Jury, während der Verleihung des Gemeinsam-Preises der Braunschweiger Zeitung.
    Alle Gewinner mit Jury und Festredner Sally Perel während der Verleihung des Gemeinsam-Preises der Braunschweiger Zeitung für ehrenamtliches und bürgerliches Engagement am Dienstag im Braunschweiger Dom.
    Alle Gewinner mit Jury und Festredner Sally Perel während der Verleihung des Gemeinsam-Preises der Braunschweiger Zeitung für ehrenamtliches und bürgerliches Engagement am Dienstag im Braunschweiger Dom.
    Die 1. Preisträger der Helmstedter Tafel mit Jury und Festredner Sally Perel während der Verleihung des Gemeinsam-Preises der Braunschweiger Zeitung für ehrenamtliches und bürgerliches Engagement am Dienstag im Braunschweiger Dom
    Die 1. Preisträger der Helmstedter Tafel mit Jury und Festredner Sally Perel während der Verleihung des Gemeinsam-Preises der Braunschweiger Zeitung für ehrenamtliches und bürgerliches Engagement am Dienstag im Braunschweiger Dom
    Die 2. Preisträger der Wolfsburger Elfen während der Verleihung des Gemeinsam-Preises der Braunschweiger Zeitung.
    Die 2. Preisträger der Wolfsburger Elfen während der Verleihung des Gemeinsam-Preises der Braunschweiger Zeitung.
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    Nicht nur das, Kummert und die anderen Preisträger legen auch selbst Hand an, schleppen Kisten mit Lebensmitteln aus Supermärkten und Bäckereien und bringen sie in ihren Laden. Jeden Tag sind sie im Dienst, von 8 bis 14.30 Uhr. Einen „Halbtagsjob ohne Bezahlung“, nennt Kummert das. Mehr als 1000 Menschen unterstützt die Helmstedter Tafel mit ihren Lebensmitteln.

    „Wir alle können froh und dankbar sein, dass es Menschen gibt, die die Dinge nicht geschehen lassen. Dass es Menschen gibt, die Angebote machen, die helfen – mit täglicher Arbeit und kräftigen Händen“, sagt Armin Maus, Chefredakteur unserer Zeitung, in seiner Laudatio. Nicht geschehen lassen – damit bezieht er sich auf die Tatsache, dass auch im reichen Deutschland Menschen Hunger leiden.

    Der Gemeinsam-Preis 2017 im Komplettmitschnitt

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      Daher sei die Arbeit der Helmstedter Tafel und die Unterstützung durch Supermärkte und Bäckereien so wichtig. Maus: „Wichtig für die Menschen, die mitten in unserer Gesellschaft leben und dennoch an den Rand gerutscht sind, an denen die positive wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes vorbeigeht. Und sie ist wichtig für uns alle. Denn unsere Preisträger greifen dort ein, wo unser Gemeinwesen große Lücken lässt.“

      Die zweiten Preisträger

      Wenn die „Wolfsburger Elfen“ zu Stoff, Garn und Nähmaschine greifen, wird es filigran. Denn Daniela Voß und ihre Mit-Elfen schneidern ganz besondere Kleider – nicht für Erwachsene oder Kinder, sondern für winzige Frühchen und „Sternenkinder“. So werden Kinder genannt, die während oder kurz nach der Geburt sterben. Ein solches Kind hatte Voß einst im Wolfsburger Klinikum fotografiert. „Ich habe mir gedacht, dass diese Babys doch auch etwas Schönes zum Anziehen haben sollten“, sagte die Fotografin unserer Zeitung. Die Idee für die „Wolfsburger Elfen“ war geboren, der Verein hat mittlerweile knapp 100 Mitglieder.

      Empfang nach dem Gemeinsam-Preis

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      Laudator Thomas Hofer, Oberlandeskirchenrat der Evangelischen Landeskirche Braunschweig, spricht in seiner Rede über die Trauer über den Verlust eines Kindes: „Wichtig für Geschwister und Eltern: das gestorbene Kind braucht einen Platz in der Familie. Es darf nicht zum Tabu werden.“ Es könne beim Trauern helfen, wenn die Eltern ihr Baby tot gesehen haben „und dann am besten in schönen Kleidern“. So hätten sie konkrete Erinnerungen an ihr Kind. In diesem Moment hilft die Arbeit der „Elfen“.

      „Sie nähen für Frühchen, für diese kleinen Umslebenkämpfer. Und sie nähen für Sternenkinder – immer besondere Kleider, winzig klein, oft aus Spenden gefertigt. So werden alte Brautkleider für Frühchen zum Begleiter ins Leben und für Sternenkinder zum Begleiter auf dem Weg in eine andere Welt“, sagte Hofer und fügte hinzu: „Welch gute Form der Lebensbegleitung. Welch gute Form der Trauerbegleitung.“

      Die dritten Preisträger

      Normalerweise kümmert sich der Bürgerverein Essenrode darum, das dörfliche Miteinander weiterzuentwickeln. So steht es auf seiner Internetseite. Doch mit den vielen Flüchtlingen nach der Öffnung der Grenzen ab September 2015 kamen auf den Verein plötzlich ganz andere Herausforderungen zu als die Organisation von Dorffesten. 2016 wurde in Essenrode ein Container-Park für Asylbewerber aufgestellt.

      Der Verein reagierte und gründete die AG Deutschunterricht und die AG Freizeit und Beschäftigung, die 31 Männern aus dem Sudan helfen, sich in ihrer neuen Heimat zurechtzufinden. Das Credo der AGs beschreibt Monika Döhrmann, Geschäftsführerin des Mütterzentrums Braunschweig, in ihrer Laudatio: „Die Asylbewerber kennen uns nicht und wir sie auch nicht, Integration klappt am besten, wenn man die Menschen in die Gemeinschaft einbindet.“

      Döhrmann lobt die umfangreiche Unterstützung, die man den Flüchtlingen zukommen lasse, von Deutschkursen, über die Organisation von Berufspraktika bis zur „Vermittlung deutschen Kulturverständnisses“. Oft seien es die kleinen Dinge wie gemeinsames Backen, die zu Begegnungen führten und den Beginn einer Freundschaft bilden könnten.

      „Wunderbar, dass Menschen nicht zuerst alle Schwierigkeiten und Hemmnisse aufzählen, warum etwas nicht geht, sondern schauen, was geht. Und es geht Vieles, viel mehr als gedacht. Und niemand ahnt, wie reich diese Begegnungen einen selbst beschenken, bis es selbst erlebt wird“, so Döhrmann. Wunderbar und preiswürdig.

      Der Sonderpreis der Jury

      Schon mit neun Jahren trat Jan-Nicklas Banning aus Westerbeck im Kreis Gifhorn dem Technischen Hilfswerk (THW) bei. Die Leidenschaft für die Katastrophenhilfe hat sich der heute 18-Jährige erhalten. Als Mitglied der Bergungstruppe des THW Gifhorn wird er gerufen, wenn Verschüttete gerettet und geborgen werden müssen oder Unwetter Gebäude- oder Wasserschäden hervorrufen. Oder besser würde, denn bisher musste Banning glücklicherweise noch nicht für einen Bergungseinsatz ausrücken. Neben seiner Lehre als KFZ-Mechatroniker ist der 18-Jährige außerdem bei der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) aktiv.

      Dieses umfangreiche Engagement für die Rettung anderer Menschen überzeugte die Jury, Banning ihren Sonderpreis zu verleihen. Laudator Frank Witter, Finanzvorstand bei VW, bezeichnet den Preisträger als „Botschafter unseres Landes“ und „Blauen Engel“. Die Bedeutung dieser Worte wird spätestens dann klar, als Banning im blauen THW-Shirt mit Deutschlandfahne auf dem Arm vortritt, um den Preis in Empfang zu nehmen. Das THW leistet auch Katastrophendienst im Ausland.

      Der Abend im Dom bietet den Gästen alles: Bewegende Reden, stehenden Ovationen, glückliche Preisträger, Angehörige mit Tränen in den Augen – und nicht zu vergessen, einen würdigen musikalischen Rahmen. Ob Elgar, Bach oder Mendelssohn-Bartholdy: Domkantor Witold Dulski und sein Blechbläserensemble treffen immer den richtigen Ton.