Dokumentation. Unter dem Titel „Hitlerjunge Salomon“ wurde die Geschichte des in Peine geborenen Juden Sally Perel verfilmt. Hier die Festrede Perels im Wortlaut.

Schülern überall auf der Welt erzählt er seine Lebensgeschichte, um vor den Gefahren des Faschismus zu warnen. Wir dokumentieren hier Sally Perels Festrede beim Gemeinsam-Preis:

„Sehr geehrte Frau Dompredigerin Cornelia Götz, sehr geehrter Herr Claas Schmedtje, sehr geehrter Herr Armin Maus, liebe Jury des Gemeinsam-Preises, liebe Gäste und vor allem liebe Preiskandidaten.

Die Verleihung des Gemeinsam-Preises im Braunschweiger Dom

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    Bei dieser Gelegenheit möchte ich auch meine Nichte Neomi Brakin und meine Enkelin May Perel hier begrüßen, die extra aus Israel angereist sind, um heute hier dabei zu sein.

    Ich nehme die mir erwiesene Ehre in tiefer Ergriffenheit entgegen und bin mir dieser Würde vollkommen bewusst. Diese Gelegenheit entspricht in vollem Maße meiner persönlichen und historischen Verbundenheit mit der Stadt Braunschweig.

    Am 8. Mai 1945, also vor 72 Jahren, kapitulierte der deutsche Faschismus und auch die Stadt Braunschweig hängte weiße Fahnen raus. Ich erinnere mich an diese Fahnen, noch in meiner HJ-Uniform stehend, natürlich ohne die kurz zuvor abgetrennten Hakenkreuze und konnte nicht ahnen, dass ich heute, mit meinen 92 Jahren wieder in Braunschweig stehen werde und sogar mit einer sehr wichtigen Mission, nämlich die Festrede zu halten bei der Verleihung des Gemeinsam-Preises der Braunschweiger Zeitung an Menschen, die in der Gesellschaft aktiv sind für das NIE WIEDER FASCHISMUS und TOTALITÄT, für die Gleichheit zwischen den Menschen, für Frieden und für Demokratie.

    Der Gemeinsam-Preis 2017 im Komplettmitschnitt

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      Indem sie das tun, bringen sie den damals verloren gegangenen Humanismus ans Tageslicht und bringen damit Toleranz, Menschlichkeit, Respekt und Achtung vor dem Anderssein zurück zu unseren humanistischen Tugenden.

      Diese erwähnten humanistischen Werte sind die Grundhaltung den Menschen gegenüber. Sie basieren auf den universellen Menschenrechten. Die universelle Freiheit und Gleichheit aller Menschen und die Achtung ihrer Menschenwürde, das sind die Grundlagen der aufgeklärten Gesellschaft in humanistischer Ausprägung.

      In der Zeit zwischen 1933 bis 1945 galten diese Menschenrechte in Deutschland nicht. Es war eine Diktatur der verbrecherischen Intoleranz, die den Tod von über 50 Millionen Menschen verschiedener Nationen bedeutete; darunter 6 Millionen Juden und somit die Vernichtung des europäischen Judentums, der Holocaust, Auschwitz.

      Auschwitz wird uns nie loslassen, wird uns immer verfolgen. Besonders unsere beiden Völker, das deutsche und das jüdische Volk, werden noch Generationen Auschwitzinvaliden verbleiben. Wir sind es den Opfern schuldig, die Erinnerung an diese unvorstellbaren Verbrechen wachzuhalten. Nur wer an die Verbrechen der Vergangenheit erinnert, kann in der Zukunft Versöhnung finden. Respekt und Toleranz kann es aber nicht gegen Einstellungen geben, die rassistisch und fremdenfeindlich sind, da kann jeder und alles nur intolerant sein. Gerade gegen neonazistische Bestrebungen in Deutschland muss heute gelten, dass im Namen einer offenen Gesellschaft, solche Einstellungen konsequent entlarvt und bekämpft werden.

      Meine Damen und Herren, wenn ich heute zu Ihnen spreche, dann habe ich einen weiten Lebensweg zurückgelegt . Meine Lebenslinien sind in vielen Bahnen verlaufen, bis sie mich heute hierher gebracht haben, zu Ihnen, nach Braunschweig. Meine Identität ist wie ein buntes Mosaik verschiedener Teile, so vielfältig und bunt, manchmal auch mit Bruchstellen und Schmerzen. Beides macht mich aus.

      Ein Teil meiner Seele ist Deutschland, die junge Seele, die Unbeschwertheit der Kindheit, mit den ersten sich aufdrängenden Fragen jedes Kindes, die Welt anfangen zu verstehen, mit Murmeln zu spielen, in die sich aber damals langsam die nationalsozialistische Umklammerung eingeschlichen hat.

      Ein Teil meiner Seele ist Polen, hier schon die erwachenden Frühlingsjahre des Lebens, die jugendliche Lebenslust und die Angst, auch diese neue Heimat wieder zu verlieren.

      Ein Teil meiner Seele ist auch die Sowjetunion, hier die schon mehr stürmische und revolutionäre Jugendzeit, schon mit bestimmter politischer Prägung, das Erwachen aus der Schale der Eingeschlossenheit und doch auch die stetige Unsicherheit um das Wohlergehen meiner geliebten Menschen, die jenseits, in den Ghettos der Nazis verblieben sind.

      Sally Perel hält Festrede bei Gemeinsam-Preis-Verleihung

      Festredner Sally Perel während der Verleihung des Gemeinsam-Preises der Braunschweiger Zeitung für ehrenamtliches und bürgerliches Engagement im Braunschweiger Dom.
      Festredner Sally Perel während der Verleihung des Gemeinsam-Preises der Braunschweiger Zeitung für ehrenamtliches und bürgerliches Engagement im Braunschweiger Dom.
      Der 92 Jahre alte Festredner Sally Perel während der Verleihung des Gemeinsam-Preises der Braunschweiger Zeitung.
      Der 92 Jahre alte Festredner Sally Perel während der Verleihung des Gemeinsam-Preises der Braunschweiger Zeitung.
      Holocaust-Überlebender Sally Perel während der Verleihung des Gemeinsam-Preises der Braunschweiger Zeitung für ehrenamtliches und bürgerliches Engagement im Braunschweiger Dom.
      Holocaust-Überlebender Sally Perel während der Verleihung des Gemeinsam-Preises der Braunschweiger Zeitung für ehrenamtliches und bürgerliches Engagement im Braunschweiger Dom.
      Langer Applaus für eine eindrucksvolle Rede: Holocaust-Überlebender Sally Perel bei der Gemeinsam-Preisverleihung.
      Langer Applaus für eine eindrucksvolle Rede: Holocaust-Überlebender Sally Perel bei der Gemeinsam-Preisverleihung.
      Langer Applaus für eine eindrucksvolle Rede: Holocaust-Überlebender Sally Perel bei der Gemeinsam-Preisverleihung.
      Langer Applaus für eine eindrucksvolle Rede: Holocaust-Überlebender Sally Perel bei der Gemeinsam-Preisverleihung.
      Langer Applaus für eine eindrucksvolle Rede: Holocaust-Überlebender Sally Perel bei der Gemeinsam-Preisverleihung.
      Langer Applaus für eine eindrucksvolle Rede: Holocaust-Überlebender Sally Perel bei der Gemeinsam-Preisverleihung.
      Langer Applaus für eine eindrucksvolle Rede: Holocaust-Überlebender Sally Perel bei der Gemeinsam-Preisverleihung.
      Langer Applaus für eine eindrucksvolle Rede: Holocaust-Überlebender Sally Perel bei der Gemeinsam-Preisverleihung.
      Langer Applaus für eine eindrucksvolle Rede: Holocaust-Überlebender Sally Perel bei der Gemeinsam-Preisverleihung.
      Langer Applaus für eine eindrucksvolle Rede: Holocaust-Überlebender Sally Perel bei der Gemeinsam-Preisverleihung.
      Langer Applaus für eine eindrucksvolle Rede: Holocaust-Überlebender Sally Perel bei der Gemeinsam-Preisverleihung.
      Langer Applaus für eine eindrucksvolle Rede: Holocaust-Überlebender Sally Perel bei der Gemeinsam-Preisverleihung.
      Langer Applaus für eine eindrucksvolle Rede: Holocaust-Überlebender Sally Perel bei der Gemeinsam-Preisverleihung.
      Langer Applaus für eine eindrucksvolle Rede: Holocaust-Überlebender Sally Perel bei der Gemeinsam-Preisverleihung.
      Langer Applaus für eine eindrucksvolle Rede: Holocaust-Überlebender Sally Perel bei der Gemeinsam-Preisverleihung.
      Langer Applaus für eine eindrucksvolle Rede: Holocaust-Überlebender Sally Perel bei der Gemeinsam-Preisverleihung.
      Langer Applaus für eine eindrucksvolle Rede: Holocaust-Überlebender Sally Perel bei der Gemeinsam-Preisverleihung.
      Langer Applaus für eine eindrucksvolle Rede: Holocaust-Überlebender Sally Perel bei der Gemeinsam-Preisverleihung.
      Dompredigerin Cornelia Götz begrüßt die Gäste zur Preisverleihung im Braunschweiger Dom.
      Dompredigerin Cornelia Götz begrüßt die Gäste zur Preisverleihung im Braunschweiger Dom.
      Dompredigerin Cornelia Götz begrüßt die Gäste zur Preisverleihung im Braunschweiger Dom.
      Dompredigerin Cornelia Götz begrüßt die Gäste zur Preisverleihung im Braunschweiger Dom.
      Claas Schmedtje, Geschäftsführer des BZV- Medienhauses, begrüßt Festredner Sally Perel (links). Mit dabei Armin Maus, Chefredakteur der Braunschweiger Zeitung,  und Dompredigerin Cornelia Götz vor der Verleihung des Gemeinsam-Preises.
      Claas Schmedtje, Geschäftsführer des BZV- Medienhauses, begrüßt Festredner Sally Perel (links). Mit dabei Armin Maus, Chefredakteur der Braunschweiger Zeitung, und Dompredigerin Cornelia Götz vor der Verleihung des Gemeinsam-Preises.
      Dompredigerin Cornelia Götz begrüßt Festredner Sally Perel.
      Dompredigerin Cornelia Götz begrüßt Festredner Sally Perel.
      Armin Maus, Chefredakteur der Braunschweiger Zeitung, begrüßt Festredner Sally Perel. Mit dabei  Claas Schmedtje, Geschäftsführer des BZV-Medienhauses, und Dompredigerin Cornelia Götz vor der Verleihung des Gemeinsam-Preises.
      Armin Maus, Chefredakteur der Braunschweiger Zeitung, begrüßt Festredner Sally Perel. Mit dabei Claas Schmedtje, Geschäftsführer des BZV-Medienhauses, und Dompredigerin Cornelia Götz vor der Verleihung des Gemeinsam-Preises.
      Festredner Sally Perel (von links), Armin Maus, Chefredakteur der Braunschweiger Zeitung, Claas Schmedtje, Geschäftsführer des BZV-Medienhauses, und Dompredigerin Cornelia Götz vor der Verleihung des Gemeinsam-Preises.
      Festredner Sally Perel (von links), Armin Maus, Chefredakteur der Braunschweiger Zeitung, Claas Schmedtje, Geschäftsführer des BZV-Medienhauses, und Dompredigerin Cornelia Götz vor der Verleihung des Gemeinsam-Preises.
      Festredner Sally Perel (von links), Armin Maus, Chefredakteur der Braunschweiger Zeitung, Claas Schmedtje, Geschäftsführer des BZV-Medienhauses, und Dompredigerin Cornelia Götz vor der Verleihung des Gemeinsam-Preises.
      Festredner Sally Perel (von links), Armin Maus, Chefredakteur der Braunschweiger Zeitung, Claas Schmedtje, Geschäftsführer des BZV-Medienhauses, und Dompredigerin Cornelia Götz vor der Verleihung des Gemeinsam-Preises.
      Festredner Sally Perel (von links), Armin Maus, Chefredakteur der Braunschweiger Zeitung, Claas Schmedtje, Geschäftsführer des BZV-Medienhauses, und Dompredigerin Cornelia Götz vor der Verleihung des Gemeinsam-Preises.
      Festredner Sally Perel (von links), Armin Maus, Chefredakteur der Braunschweiger Zeitung, Claas Schmedtje, Geschäftsführer des BZV-Medienhauses, und Dompredigerin Cornelia Götz vor der Verleihung des Gemeinsam-Preises.
      Festredner Sally Perel (von links), Armin Maus, Chefredakteur der Braunschweiger Zeitung, Claas Schmedtje, Geschäftsführer des BZV-Medienhauses, und Dompredigerin Cornelia Götz vor der Verleihung des Gemeinsam-Preises.
      Festredner Sally Perel (von links), Armin Maus, Chefredakteur der Braunschweiger Zeitung, Claas Schmedtje, Geschäftsführer des BZV-Medienhauses, und Dompredigerin Cornelia Götz vor der Verleihung des Gemeinsam-Preises.
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      Ein wichtiger Teil meiner heutigen Seele ist Israel, die neue Heimat, die ich mir erkämpft habe. Land meines ungestillten Traumes nach sozialer und politischer Gerechtigkeit. Für mich, als Anhänger der Friedensbewegung PEACE NOW, Shalom achschaw, gibt es nur eine gerechte Lösung dieses blutigen Konfliktes : ZWEI LÄNDER FÜR ZWEI VÖLKER, Palästina und Israel als zwei friedliche und in Sicherheit lebende Nachbarstaaten.

      Und inmitten durch diese bunten Teile verläuft ein Strich, die Zeit meiner Hitlerjugend und als Lehrling des VW Vorwerkes in Braunschweig. Auch diese Zeit gehört zu meiner Identität, auch wenn sie quer liegt. Meine wahre Identität und Gefühle musste ich verbergen, aber ich gewann an Statur und Stärke im Aushalten dieser Spannung. Nichts genießt einen höheren Wert als das Menschenleben und besonders die jüdisch religiösen Gesetze stellen das Gebot des Erhaltens des Menschenlebens über alle anderen Bestimmungen. Dort wo das Leben in Gefahr ist, werden alle Gebote und Verbote außer Kraft gesetzt.

      Ich stand in diesen Braunschweiger Jahren vor einer unlösbaren Aufgabe, vor einer Quadratur des Kreises, die in der damaligen Zeit die Erfüllung des Gebotes, das eigene Leben zu erhalten, für mich darstellte. Meine Lösung, die ich fand, erinnert an eine Brechtsche Geschichte, über eine Begegnung auf dem Weg. Dort setzt ein Mann dem Wanderer ein Messer an die Kehle und fragt ihn, ob er sein Knecht werden wolle. Nachdem jener ihm dann jahrelang diente, ohne ein Wort zu sagen, drückt er dem Herrn im Augenblick seines Todes die Augen zu und sagt: NEIN. Weder dem Brechtschen Knecht noch mir blieb eine andere Alternative, für die Jahre der Verstellung in Braunschweig, übrig.

      Liebe Freunde, Gastgeber und Gäste.

      Wie man so sehen kann, ist mein Lebensbild aus unterschiedlichen Teilen zusammengesetzt. Und alle diese Teile haben mich zu dem gemacht, der ich bin. Das macht mich heute zugleich frei, zwischen Nationen und Kulturen zur Versöhnung und zum Frieden aufzurufen.

      Frieden zwischen Palästinensern und Israelis, zwischen dem westlichem Traum nach individueller Freiheit und dem sozialistischem Traum nach umfassender sozialer Gerechtigkeit und dem Abbau ungerechter ausbeuterischer Gesellschaftsstrukturen. So bin ich heute ein Versöhner, tief bewegt von der inneren Kraft der Liebe, sowie zugleich zerrissen zwischen den beiden Extremen, Jude zu sein und weltlich säkular zu denken, gute Erinnerungen an Polen in sich zu tragen, aber gleichzeitig wissend, dass dort meine geliebte Mutter, mein Vater und meine Schwester ermordet worden sind, ermordet von einem verbrecherischen Regime, das auch nach meiner Seele trachtete. Glücklicherweise ist es diesem Nazi Regime nicht gelungen, mich zu zerstören und meine Seele zu brechen und so stehe ich heute hier. Mein Lebensweg ist für Viele zum Vorbild geworden, für mich überraschend, war ich doch nicht in der vorderster Stelle des Widerstandes, sondern lebte als kleiner, sehnsüchtiger, ängstlicher, hoffender jüdischer Junge mitten unter den Nazis, aber auch als Junge, der seine Identität bewahrte im Angesicht und trotz des Hakenkreuzes. So habe ich als Jude in der Haut des Feindes überlebt. Ich trage beide Teile in mir. Vielleicht ist es dieses, was Vorbilder ausmacht: dass man nicht zerbricht an den bösen Strukturen der Welt, sondern das Böse überwindet mit Gutem, den Hass überwindet mit Liebe. Diese Chance hatten meine Eltern und meine Schwester nicht. Meine Mutter ruht in dem Massengrab bei Chelmno, meine Schwester wurde erschossen, während der Räumung des KZ Stutthof bei Danzig und mein Vater starb aus Hunger und Krankheit im Ghetto Lodz. Im Jahre 2015 konnte ich sein verwittertes Grab zusammen mit Markus Lanz und auch mit meiner Nichte, besuchen. Der Besuch am Grab war ein bewegender Moment. Der Verlust meiner Familie ist bis heute für mich ein schweres Trauma, denn ein Stück meines Herzens ist mir genommen worden. Aber ich habe überlebt und ich stehe heute hier, um zu Menschlichkeit und Toleranz aufzurufen. Ich, der überlebt hat, spreche heute auch für sie. Ich trage auch ihr Vermächtnis weiter.

      Ich kann Ihnen sagen, und das wiederhole ich immer wieder bei den jährlichen Verleihungen des vom Betriebsrats VW Braunschweig gestifteten „Sally-Perel-Preises“ für Respekt und Toleranz, ausgehend von der Initiative des Vorsitzenden des Betriebsrats Herrn Uwe Fritsch, an Braunschweiger Schulen und das möchte ich auch heute wiederholen: Werdet zum Vorbild für andere, indem ihr immer wieder für Versöhnung eintretet und der Begegnung zwischen Völkern und Nationen eine Chance gebt. Werdet zum Vorbild für andere, indem ihr mit eurem Leben deutlich macht, dass es sich lohnt, zu träumen von einer anderen Welt, in der Hass und Neid nicht die Oberhand behalten, privat wie politisch. Übt Bereitschaft zu teilen und Frieden zu schließen. Es lohnt sich.

      Ich selbst bin nur ein bescheidener Botschafter dieses Traumes vom Frieden. Das Zeugnis meines Lebens dokumentiert die Stärke, die ein Mensch haben kann, auch in extremen Situationen. So wie Nelson Mandela, der auch nach 27 Jahren im Gefängnis des Apartheit-Staates in Südafrika bis zum letzten Lebenstag für Versöhnung zwischen Schwarzen und Weißen eintrat und diese mit seiner ganzen Person lebte. Ich selbst möchte Zeit meines Lebens diesen Traum vom Frieden weitertragen und glauben Sie mir, gerade in Israel ist es nicht leicht im Moment, wo Israelis und Palästinenser oft unversöhnliche Positionen vertreten. Aber meine Zeit ist begrenzt. Doch solange es mir meine Gesundheit erlaubt, werde ich als Zeitzeuge meine Aufklärungs- und Friedenstätigkeit weiterführen, denn das Wort eines Zeitzeugen erweckt und sensibilisiert das historische Bewusstsein viel mehr, als viele Unterrichtsstunden bewirken können. Und wenn die Zeitzeugen alle gestorben sind, müssen diese Worte, muss das Wissen, in sichere Hände, besonders der jungen Nachwelt, übergegangen sein.

      Meine Damen und Herren.

      Ich stehe heute hier um über Menschlichkeit zu reden, für Frieden und gegen Rassismus. Ich möchte besonders Jugendliche mit meiner Botschaft widerstandskräftig machen gegen die Gefahr des Rechtsradikalismus. Denn ich habe die schrecklichen Folgen am eigenen Leib erlebt. Ich fühle mich als Botschafter des Friedens und der Aufklärung. Frieden ist mehr als nur die Abwesenheit von Krieg. Es ist eine Welt, in der Menschen friedlich zusammenleben wollen, sich gegenseitig respektieren, miteinander kommunizieren, eine Welt, in der Gerechtigkeit herrscht. Aufklärung bedeutet, sich an der Vernunft zu orientieren, eine Vernunft, die so leidet unter ihren Verächtern, die nur das „ gesunde Volksempfinden“ gelten lassen wollen. Ich sehe es als meine Pflicht an, als Überlebender des Holocaust vor dem Neonazismus und dem zunehmenden Populismus zu warnen.

      Liebe Preisempfänger,

      sagt nein zu Rassismus und Fremdenhass, zu völkischem Denken und der Verachtung der Demokratie.

      In den Jahren 1942 bis 1945 wurde ich hier in Braunschweig, als Hitlerjunge, Bann 468, Nord Niedersachsen, zum Hass erzogen. Ich, der den Hass selbst erlebt habe, bis ins Innerste meiner Existenz, wende mich gegen die Kultur des Hasses, die im Namen eines Volkes gepredigt wird, das es gar nicht gibt. Denn das deutsche Volk ist doch viel bunter und vielfältiger als es diejenigen wahrhaben wollen, die sich ständig auf das Volk berufen. Das Volk, das sind wir doch alle. Und schauen Sie sich um, wie verschieden wir alle sind. Alle sind wir Menschen. Und wenn ich hier weile, fühle auch ich mich als Deutscher. Ich habe eben ein Mutterland Deutschland und ein Vaterland Israel.

      Ich träume manchmal, dass alle Menschen nur eine gemeinsame Heimat haben werden: die Erdkugel.

      Heute im Braunschweiger Dom werden Menschen ausgezeichnet, die sich durch ihre ehrenamtliche Tätigkeit für unsere Demokratie eingesetzt haben. Die zum Vorbild geworden sind. Menschen, die sich in ihrem Ehrenamt für andere eingesetzt haben. Die mutig gewesen sind und Zivilcourage zeigten.

      Ich möchte als Zeitzeuge, als Überlebender des Menschheitsverbrechen des Holocaust, hier heute an diesem Ort in Braunschweig dazu aufrufen: Tretet aktiv ein für die Werte unserer Demokratie, für Toleranz und Menschlichkeit. Widersetzt euch denen, die diese Werte abschaffen oder sie nur bestimmten Menschen gewähren wollen. Menschenrechte sind unteilbar. Beteiligt euch an der Debatte über die Zukunft der Welt. Tretet ein gegen Nationalismus und Neonazismus und für ein EINIGES EUROPA. Habt Mut euch einzusetzen. Jeder kleine Schritt ist wichtig. Jeder von euch kann einen Beitrag leisten.

      So sollten Sie, verehrte Preisempfänger, diesen großen Preis der Braunschweiger Zeitung als Ansporn und Verpflichtung sehen, die Botschaft des Friedens weiterzutragen. Wir alle hier Versammelten geben Ihnen Mut mit auf den Weg und wünschen Ihnen viel Erfolg.

      Shalom, Salam, Frieden“