Wolfsburg. Viele Eintracht-Fans sind nach dem Einsatz der Wasserwerfer beim Relegations-Duell in Wolfsburg wütend. Die Polizei würde alles wieder so machen.

Unser Leser, der sich Nicolas Working Class nennt, sagt auf unseren Facebook-Seiten:

In Wolfsburg gab es völlig überforderte und unfähige Polizeibeamte.

Zum Thema recherchierte Andre Dolle

Am Donnerstag beim Relegations-Duell in Wolfsburg gab es zwei Vorkommnisse, die viele Fans von Eintracht Braunschweig in Rage versetzten: Der zweifelhafte Elfmeter für den VfL Wolfsburg aus sportlicher Sicht und der Einsatz von Wasserwerfern gegen Eintracht-Fans vor dem Spiel. Der Elfmeter war wohl keiner. Ob der Einsatz der Wasserwerfer gerechtfertigt war, darüber streiten sich die Beteiligten.

Welche Fakten sind gesichert?

Vor dem Hauptbahnhof in Wolfsburg versammelten sich am frühen Abend etwa 300 Fans aus der Ultra-Szene von Eintracht Braunschweig. Hinzu kamen etwa 900 Anhänger per Sonderzug aus Braunschweig. Die Fan-Gruppen vereinigten sich, kurz zuvor zog die Polizei Hunderte von Beamten aus der Innenstadt zusammen. Zwei Wasserwerfer und berittene Polizisten waren zur Einschüchterung zusätzlich dabei.

Der Plan der Polizei war, diesen harten Kern der insgesamt 3000 Eintracht-Anhänger per Fanmarsch zum Stadion zu begleiten. Die Eintracht-Fans sollten nicht in Berührung mit dem Marsch der etwa 1000 VfL-Anhänger kommen, der sich etwas später in Bewegung setzte.

Bereits am Bahnhof flogen die ersten Flaschen in die Luft, einige Eintracht-Anhänger zündeten und warfen Pyros und Böller – aber nicht gezielt auf Polizisten oder Unbeteiligte. Steine wurden nicht geworfen. Zumindest waren sie in der unübersichtlichen Lage nicht zu erkennen. Die Ausfälle einiger Anhänger wurden auf dem Marsch zum Stadion etwas weniger, doch die mehrmaligen Ansagen der Polizei per Megaphon blieben insgesamt erfolglos.

Auf der Berliner Brücke, kurz vor dem Stadion, eskalierte die Situation. Etwa zwanzig bis dreißig Fans scherten aus. Es war unklar, ob sie wirklich aus der Formation ausbrechen wollten. Wahrscheinlich ist dies nicht, weil sie nicht ihr Tempo erhöhten. Gleichzeitig flog eine Dose gegen einen der beiden – gepanzerten – Wasserwerfer.

Plötzlich hielten die beiden Wasserwerfer 30 Sekunden lang in die Menschenmenge, schwenkten hin und her, so dass ein Großteil der 1200 Fans getroffen wurde. Per Megafon wurden die Anhänger strengstens dazu aufgefor- dert, das Werfen von Flaschen und Steinen zu unterlassen. Die aufgebrachten Fans warfen jetzt aber erst recht Flaschen – nicht kistenweise, aber doch einige. Sofort setzten die Wasserwerfer ein, wieder mehrere Sekunden. Einige Eintracht-Fans wollten dem Strahl der Wasserwerfer hinter ihnen entkommen. Vor ihnen standen Polizisten, sprühten mit Pfefferspray. Einige Fans verletzten sich. Die Polizei spricht am Freitag von zwei bekannten Fällen. Es müssen mehr sein.

Was sagen die Fans?

Michael Vieth, Vorsitzender des Braunschweiger Fanrats, ist auch am Freitag noch wütend. Er spricht im Namen vieler Fans, die sich auch auf den Facebook-Seiten unserer Zeitung und auf unseren Internetseiten kritisch äußern. Vieth sagt: „Die Polizei hat mit ihren Wasserwerfern wild in die Menge gehalten. Da waren Frauen und auch Kinder dabei.“ Der Einsatz sei völlig überzogen gewesen. Vieth beteuert: „Es ist kein Stein geflogen.“ Er zieht einen Vergleich zum Hochrisikospiel der Eintracht gegen Hannover 96 vor ein paar Wochen. In Hannover waren 2500 Polizisten im Einsatz, ebenfalls Wasserwerfer, dazu gepanzerte Fahrzeuge. Aber, so sagt Vieth: „Der Einsatz war durchdacht, es gab keine Vorkommnisse. Der Einsatz in Wolfsburg war hingegen vollkommen überzogen. Ich hatte den Eindruck, dass die Polizisten übermotiviert waren.“

Was sagt die Polizei?

Wolfsburgs Polizei-Sprecher Sven-Marco Claus hält die Kritik der Fans für haltlos. Die Polizei habe bereits früh bemerkt, dass die 300 Eintracht-Ultras, die schon gegen Mittag in Wolfsburg am Hauptbahnhof angekommen waren, im Laufe des Tages immer alkoholisierter gewesen seien. Später am Hauptbahnhof, als die weiteren Fans per Sonderzug hinzu kamen, seien durch die Pyrotechnik und die Flaschenwürfe Unbeteiligte gefährdet worden. Auf der Berliner Brücke sei ein VfL-Fan von einer Flasche getroffen und verletzt worden.

„Wir haben mehrfach darauf hingewiesen, die Dinge zu unterlassen“, sagt Claus. „Ohne Erfolg.“ Die Polizei habe jeden einzelnen Stein- und Flaschenwurf, jeden Pyro per Kamera dokumentiert. Auch der Einsatz der Wasserwerfer sei mehrmals angedroht worden. „Nach dem zweiten Einsatz des Wasserwerfers war Ruhe“, sagt Claus. „Der Einsatz war absolut gerechtfertigt.“

Was sagt der Verein?

Eintracht Braunschweig hält sich weitgehend bedeckt. Auf der eigenen Internetseite veröffentlichte der Klub am Freitag einen Dank an die Fans. Es hieß: „Gestern haben wir alle sowohl auf als auch neben dem Platz ein Wechselbad der Gefühle erlebt. Wir möchten uns bei allen Eintracht-Fans bedanken, die die Mannschaft trotz der Vorfälle bei der Anreise zur Arena so fantastisch unterstützt haben. Ein Dank geht auch an unsere aktive Ultraszene, die im Vorfeld des Spiels immer wieder über Megafon zu friedfertigem Verhalten aufgerufen hat. Gleichzeitig verurteilen wir natürlich das Verhalten Einzelner, die Flaschen oder Dosen auf andere Fans oder Polizeikräfte geworfen haben.“ Konkret zum Einsatz der Wasserwerfer wollte sich der Verein auch auf Anfrage nicht äußern. Man wolle sich erst einen Überblick verschaffen, sagt eine Sprecherin.

Was sagt ein Fanforscher?

Der Fan-Forscher Professor Gunter A. Pilz aus Hannover war zwar nicht dabei. Man müsse jeden Einzelfall betrachten, sagt er. Jedoch sei der Einsatz von Wasserwerfern schon ein „Extremfall“. Aber: „Wenn die Polizei mehrfach darauf hinweist, keine Flaschen zu werfen oder Pyros zu zünden, kann es gerechtfertigt sein, Wasserwerfer einzusetzen, um die Gemüter abzukühlen.“ Zum ebenfalls eingesetzten Pfefferspray sagt er: „Das hätte wohl nicht sein müssen.“ Um letztlich Klarheit über den Einsatz zu schaffen, schlägt Pilz vor, die Polizei-Videos öffentlich prüfen zu lassen.