Braunschweig. Terror-Experte Georg Mascolo erklärt im Interview, was den Anschlag von Manchester von anderen unterscheidet.

Der Terror von Manchester hatte zur Folge, dass der Leiter des Rechercheverbundes von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung, Georg Mascolo (52), seinen geplanten Auftritt im Braunschweiger BZV Medienhaus am Dienstagabend kurzfristig absagen musste. Am Telefon sprach Dirk Breyvogel mit ihm.

Herr Mascolo, eigentlich wollten wir in Braunschweig über journalistische Wahrheit in Zeiten von Fake News sprechen. Der Anschlag in Manchester hat uns zurück in die Realität geholt. Sie haben gesagt, der islamistische Terror sucht sich seine Gelegenheiten. Was für Erkenntnisse haben Sie zum Anschlag? Welchen Mustern folgt er?

Das, was augenscheinlich ist: Es ist einer der schwersten Anschläge, was die Zahl der Toten angeht, den wir in Europa zuletzt erlebt haben. Ein Muster, das zu erkennen ist: Dschihadisten haben zuletzt immer wieder Orte angegriffen, die sie als „Orte der Sünde“ bezeichnet haben. Die Neujahrsnacht und der Angriff auf eine Diskothek in Istanbul ist so ein Beispiel, aber auch der Nachtclub in Florida, das Bataclan in Paris und jetzt die Konzerthalle in Manchester.

Wie unterscheidet sich das Vorgehen des oder der Terroristen zu vorangegangen Anschlägen?

Das besonders beunruhigende ist der selbst gebastelte Sprengsatz, der womöglich auch als Sprengstoffweste eingesetzt wurde. Um so etwas zu bauen, braucht es ein bestimmtes technisches Wissen im Umgang mit Sprengstoff. Diese Form der grausamen Professionalität unterscheidet Manchester von den Attentaten, bei dem eine Axt, Messer oder gekaperte Autos als Waffen eingesetzt wurden.

Glauben Sie, dass der Attentäter allein gehandelt hat?

Das ist möglich, darüber will ich zu einem so frühen Zeitpunkt aber nicht spekulieren. Was man sagen kann, ist, dass es viele Tote gab und das sich der sogenannte Islamische Staat (IS) bekannt hat. Auch hier bleibt abzuwarten, ob das stimmt, denn der IS hat in seiner Bekennung kein Täterwissen wie beispielsweise den Namen des Attentäters preisgegeben.

Glauben Sie, dass der Anschlagsort – ein Konzert, das von vielen Kindern und Jugendlichen besucht wurde – bewusst gewählt wurde?

Das ist schwer zu sagen, denn wir kennen unterschiedliche Tatmuster. Wir kennen aus der Vergangenheit das Muster, dass Einzeltäter ohne Rücksprache losgezogen sind und wir kennen Muster, die klar zeigen, dass es Rücksprachen mit anderen Kommandoebenen gab. Im Ergebnis spielt das aber keine große Rolle, weil wir noch nie erlebt haben, dass sich der IS irgendwann einmal von einer Tat distanziert hat. Dem IS kommt jede Bestialität gerade recht.

Die USA führen eine Debatte über Laptop-Verbote in Flugzeugen. Die Attentäter schaffen es zugleich, mit immer einfacheren Methoden Angst und Schrecken zu verbreiten. Sind beide Debatten über Sicherheit notwendig oder verunsichert das nicht die Bevölkerung zusätzlich?

Das glaube ich nicht. Flugzeuge anzugreifen hat von jeher eine ganz besondere Symbolik und auch ganz besondere Konsequenzen. Deshalb gibt es auch besondere Anstrengungen, diese Anschläge zu vermeiden. Es ist aber viel schwieriger die Logik der immer strengeren Kontrollen, die wir im Flugverkehr kennen, auf andere Bereiche auszuweiten. Dann findet nämlich das Leben, so wie wir es kennen, nicht mehr statt. Stellen Sie sich mal den Nahverkehr in Braunschweig vor, wenn man die Form der Kontrollen bei Flügen auf diesen Bereich übertragen würde. Wo zieht man dann eine Grenze? Man muss sich im Klaren sein: So wie der IS vorgeht, indem er praktisch alles angreift – gibt es keinen nachhaltigen Schutz. Da sollte man der Bevölkerung auch nichts vormachen. Schutz gibt es nur, wenn man die Leute erwischt, bevor sie losziehen.