Berlin. Die Genossen wollen einen Kontrast zur Union. Doch die Finanzierung bleibt unklar.

Katarina Barley versagt am Montag kurz die Stimme, sie ist heiser. Doch es ist auch wahrlich ein harter Tag für die SPD-Generalsekretärin: Der Parteivorstand muss am Morgen die SPD-Parteizentrale kurzzeitig räumen, mitten in den Beratungen über das Wahlprogramm. Ein Paket in der Poststelle ist verdächtig, es entpuppt sich als Holzkasten.

Verwirrung gibt es auch um die Vorstellung des Wahlprogramms. Ein ursprünglich für den Montag vorgesehenes Pressegespräch wurde am späten Sonntagabend seitens der SPD abgesagt, am Montagmorgen wieder ins Programm genommen. Barley nennt kritische Berichte über die Terminabsage einen „medialen Spin“. Intern hört man durchaus das Wort „eigener Kommunikationsfehler“. Doch am Nachmittag kann Barley dann verkünden, dass der Parteivorstand das Wahlprogramm einstimmig beschlossen hat. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann nennt es „vielleicht das Beste seit Willy Brandt“, ein „klares Kontrastprogramm“ zur CDU.

Steuer

Die SPD will untere und mittlere Einkommen entlasten: „Die Mehrheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer soll mehr Netto vom Brutto haben. Das ist unser Ziel.“ Auch soll das Ehegattensplitting zu einem „Familientarif mit Kinderbonus“ umgebaut werden, damit Eltern ohne Trauschein auch davon profitieren. Das Kindergeld soll künftig nach Einkommen gestaffelt ausgezahlt werden. Familienministerin Manuela Schwesig führt aus, dass der Spitzensatz von 42 Prozent erst später greifen soll. Das steht allerdings so nicht konkret im Programm, auch Details zur Finanzierung fehlen noch gänzlich. Ob diese bis zum Parteitag in einem Monat drinstehen, ist fraglich. „Die vier Monate bis zur Wahl können lang werden“, heißt es auch in der SPD-Zentrale, „Schulz muss auch noch Pulver trocken halten.“ Doch ob sich auf diese Weise der Streit über das Programm vermeiden lässt? Die Parteilinke hat bereits angekündigt, sich „intensiv in den Diskussionsprozess einzumischen“ – mit Vorschlägen, die weit über den Vorstandsentwurf hinausgehen. So will die Linke etwa den Spitzensteuersatz anheben oder die Vermögensteuer wieder einführen.

Rente

Bei der Rente will die SPD das Modell von Arbeitsministerin Andrea Nahles umsetzen. Es sieht eine sogenannte doppelte Haltelinie vor – ein Absinken des Rentenniveaus soll verhindert, gleichzeitig eine Explosion der Beiträge vermieden werden. Diskutiert wird ein Rentenniveau von um die 48 Prozent, bei den Beiträgen ein Zielbereich von 22 bis 23 Prozent. Zu den Kosten sagt die SPD ebenfalls noch nichts.

Migration

In der Flüchtlingspolitik bekennen sich die Sozialdemokraten klar zum Asylrecht. „Das bleibt unangetastet“, sagt Oppermann. Doch man wolle schnellere Asylverfahren und eine deutlich konsequentere Rückführung abgelehnter Asylbewerber. Für freiwillige Rückkehrer soll es ein Förderprogramm geben. Beim Thema Familiennachzug bleibt es vage: „Familiennachzug und das Zusammenleben in der Familie tragen zu einer guten Integration bei“, heißt es lediglich.

Innere Sicherheit

Zum Schutz vor Alltagskriminalität müsse der Staat im Alltag präsenter sein, betont Oppermann. So fordert die SPD 15 000 neue Polizisten in Bund und Ländern, das Bundeskriminalamt soll als Koordinierungsstelle gestärkt werden. Der Staat müsse wehrhaft gegen Terroristen, Rechtsextreme und Kriminelle vorgehen: „Wir wollen, dass Straftäter in Deutschland die ganze Härte des Gesetzes spüren“, so der SPD-Fraktionschef. Was die militärische Sicherheit angeht, so wenden sich die Sozialdemokraten gegen eine Erhöhung der Militärausgaben, die die Nato fordert. Doch weitergehende Forderungen der SPD-Linken, etwa den Stopp von Waffenexporten, finden bislang keinen Niederschlag. Eigentlich ist auf dem Parteitag am 25. Juni gar keine längere Programmdebatte eingeplant. Vielleicht hat sich Schulz darüber am Montag bereits Gedanken gemacht. Bei der Präsentation des Programms ist er nämlich nicht anwesend.