Braunschweig. Ira Warnecke und Boris Pawlik können von selbst angebautem Obst, Gemüse und Kräutern auf ihren vier Gartenparzellen gut leben.

Eigentlich, sagt Boris Pawlik am Telefon, wisse er gar nicht so genau, ob ihr Lebensprojekt interessant genug für die Zeitung sei. Eine halbe Stunde später fährt ein großer bärtiger Mann mit schwarzer Lederkluft auf einem Chopper-Fahrrad vor dem Kleingartenverein Am Weinberg in Braunschweig vor. Es ist Boris Pawlik. Er öffnet das Tor zum Garten und dem Besucher wird klar: Es ist interessant genug.

Gleich vier teils zusammenhängende Grundstücke bewirtschaftet Pawlik zusammen mit seiner Partnerin Ira Warnecke. Nur einer gehört zum Kleingartenverein, drei sind von privat gemietet. Andernfalls dürften beide keine Tiere halten. Elf Hennen, zwei Hähne und zwei Gänse toben in einem Freigelände mit Stall herum.

Die Tiere sind Teil einer Lebensweise, die sich Selbstversorgung nennt. Dem zugrunde liegt das Ziel, sich von anderen unabhängig zu machen. Selbstversorger produzieren so viele Dinge wie möglich selbst, unter anderem Lebensmittel, sind somit zugleich Produzent und Konsument.

Boris Pawlik und Ira Warnecke sind noch nicht so weit, dass sie keinen Supermarkt mehr betreten. Manche Lebensmittel kaufen sie ein, meist auf dem Markt oder im Bio-Laden. Doch einen Großteil ihres Bedarfs decken die Gartenparzellen. Irgendwann wollen sie einen eigenen Hof bewirtschaften und dann komplett autonom leben. Die jetzt gut 1500 Quadratmeter reichen dafür nicht aus.

„Der Spargel ist noch zu jung, den können wir erst nächstes Jahr ernten“, sagt Ira Warnecke. Die 27-Jährige steht vor einem großen Gemüsebeet, auf dem derzeit nur ein paar Kohlpflanzen wachsen. Die Gewächse aus dem vergangenen Jahr blühen aus, damit Ira Warnecke daraus die Samen für die Neuaufzucht gewinnen kann. In einem Gewächshaus baut sie Weiteres an, was dem Gemüsefan schmeckt: Tomaten, Rotkohl, Spinat und vieles mehr. Pfefferminz, Salbei oder Kamille für Tee pflanzt das Paar ebenfalls an. Nach der Ernte hängen sie das Kraut in einer ihrer Hütten auf Leinen unter der Decke zum Trocknen auf. „Manches frieren wir auch in den gelben Behältern aus Überraschungseiern ein“, berichtet Boris Pawlik.

Obstbäume wachsen auf ihren Grundstücken genauso wie Beerensträucher. An einer Laube hochrankende Reben liefern beiden rund 150 Liter Wein pro Jahr. Weil das Paar auch imkert, gewinnt es Honig, der teilweise zu Met oder Seife verarbeitet wird. Das dafür nötige Wissen hat sich das Paar selbst angeeignet. „Im Internet steht einiges. Vieles ist Erfahrung“, sagt Ira Warnecke.

Weil das alles viel Arbeit macht, zieht das Paar im Sommer zusammen mit Sohn Tristan (7) oft für mehrere Wochen in den Garten. „Bummeln, shoppen oder fernsehen sind Dinge, die wir nicht tun“, erzählt Boris Pawlik, der in Vollzeit als Erzieher auf dem Abenteuerspielplatz Melverode arbeitet. So bleibt Zeit für das Selbstversorgungsprojekt.

Und das umfasst noch einiges mehr, als nur die Produktion von Nahrung, die garantiert Bio-Qualität besitzt. Als Mitglieder eines mittelalterlichen Heerlagers verarbeiten beide auch Leder und Holz oder schöpfen Papier. Im Moment rückt das alles jedoch in den Hintergrund. Nächste Woche wird geheiratet, ganz im Mittelalter-Stil. Die Jahresweinproduktion aus 2016 ist nur für das feierliche Ereignis reserviert.