Hannover. 2000 Polizisten sind beim Derby mit Wasserwerfern und gepanzerten Fahrzeugen im Einsatz. Das zeigt Wirkung: Bis auf ein Störfeuer bleibt es ruhig.

Generalstabsmäßig haben die Polizei und die beteiligten Vereine das Spiel der beiden Erzrivalen geplant. Und es geht bis auf ein Störfeuer kurz vor Anpfiff weitgehend auf, das Sicherheitskonzept für das Derby Hannover 96 gegen Eintracht Braunschweig am Karsamstag.

Schon am Morgen vor dem Hauptbahnhof in Braunschweig zeigt sich, wie ernst die Polizei es nimmt. Das Derby ist ein sogenanntes Hochrisikospiel, immer wieder kam es in der Vergangenheit zu Krawallen. Der Anschlag unter der Woche auf den BVB-Bus überzeugte die Verantwortlichen, die Sicherheitsvorkehrungen noch einmal zu verschärfen. Über dem Bahnhof kreisen gegen 9.30 Uhr drei Hubschrauber der Polizei. Vor dem Bahnhofsgebäude stehen mindestens ein Dutzend Mannschaftswagen, dazu ein Polizei-Bus. Vor und im Bahnhof zeigen die Beamten massive Präsenz. Gleich hier soll dem harten Kern der Eintracht-Anhänger, die per Sonderzug nach Hannover fahren, klar gemacht werden: Krawalle werden nicht geduldet.

Die harte Linie ziehen die Polizisten durch. Der Sonderzug hält gegen 10.30 Uhr am S-Bahnhof Fischerhof, um die Anhänger weit vom Stadtzentrum fernzuhalten. Am Bahnsteig warten Hunderte von Bereitschaftspolizisten, mindestens 2000 Beamte sind an diesem Tag rund um das Derby in Hannover im Einsatz. Die Hubschrauber kreisen, unten an der Brücke stehen Wasserwerfer und gepanzerte Fahrzeuge. Hannover im Belagerungszustand – wegen eines Fußballspiels. Die Beamten begleiten den Fanzug auf dem Fußweg zum Stadion.

Auch die 96-Fans führen die Beamten zur Arena, scharf getrennt von den Eintracht-Anhängern. Das ist Teil des Konzeptes. Die Fan-Lager sollen sich möglichst nicht begegnen. Das werden sie auch nicht. Dafür sorgen später auch die „Pufferblöcke“ im Stadion, was die Plätze von 49 000 auf 42 700 reduziert. Etwa 4500 Eintracht-Fans sind darunter. Acht Blöcke bleiben komplett leer. Die Polizei rechnet mit 1500 gewaltbereiten Anhängern auf beiden Seiten.

Die Polizei führt die Eintracht-Anhänger direkt zu den Gästeblöcken. Bis zum Spiel dauert es noch Stunden. Anpfiff ist um 13 Uhr. Weil es durch die verschärften Einlasskontrollen zu Verzögerungen kommt, öffnen die Stadiontore bereits ab 10.30 Uhr. Die Rucksäcke und Taschen dürfen maximal DIN A4-Größe haben, Polizisten verstärken die Ordner an den Eingängen. Alkohol gibt es im und um das Stadion nicht. Wer auffallend angetrunken ist, muss ins Röhrchen pusten. 1,6 Promille sind noch erlaubt.

Alles läuft optimal, da wagen ein paar Randalierer gegen 12 Uhr den Vorstoß. Es sind Eintracht-Anhänger, die den Gästebereich stürmen wollen. Die Polizei ist sofort in Alarmbereitschaft, zieht Dutzende Beamte zusammen und hat die Lage schnell wieder im Griff. Die Braunschweiger Ultras sind komplett schwarz gekleidet, haben sich für den Sturm auf den Block vermummt. Eintracht-Trikots und 96-Trikots sieht man wenig. Auch viele Hannoveraner tragen Schwarz. Das soll das jeweils andere Lager einschüchtern.

183 Braunschweiger Randalierer nimmt die Polizei in Gewahrsam. Sie transportiert sie ab – erst auf ein paar Hügel neben dem Stadion, dann müssen sie den Stadionbereich komplett verlassen. Das Spiel ist für sie gelaufen. Die Polizisten stellen „säckeweise Pyrotechnik, Vermummungsgegenstände und Werkzeuge“ sicher, wie ein Sprecher im Anschluss an das Spiel sagt. Hannovers Polizeivizepräsident Jörg Müller spricht von „Chaoten“.

Es bleibt nun abzuwarten, wie der DFB den Vorfall wertet. Eintracht Braunschweig spielt seit Monaten auf Bewährung: Der DFB droht damit, bei einem Heimspiel die Blöcke 8 und 9 zu sperren. Der Verein müsste außerdem 35 000 Euro Geldstrafe zahlen. Eintracht-Anhänger hatten in dieser Saison mehrfach Pyrotechnik gezündet und so für Spielunterbrechungen gesorgt.

Während des Spiels zeigen sich die Eintracht-Fans von ihrer guten Seite: Bis auf einen einzigen Pyro in der symbolischen 67. Minute – 1967 wurde die Eintracht Deutscher Meister – bleibt es ruhig. Die 96-Anhänger brennen hingegen mehrmals Pyros ab. Erst nach dem Führungstreffer, dann auch zu Beginn der zweiten Halbzeit und ein weiteres Mal. Nebelschwaden ziehen durchs Stadion.

Es gibt Schmähgesänge. Beide Lager wünschen sich gegenseitig „Tod und Hass“, bezeichnen sich als „Hurensöhne“. Die 96-Fans entrollen ein Transparent. Darauf steht zu lesen: „Mob mit Bock sucht Feind mit Biss – Vor euch hat nicht mal Meppen Schiss.“ Das übliche eben.

Ansonsten bleibt es ruhig. Das gilt auch für den Fanmarsch zurück zum S-Bahnhof. Hier kreisen wieder Hubschrauber, Hunderte Polizisten sind vor Ort. Geduldig warten die Anhänger auf den Sonderzug. Der lässt auf sich warten. Als eine Flasche fliegt, ruft ein Beamter ins Megaphon: „Bitte unterlassen Sie das Werfen von Gegenständen. Wir werden das nicht dulden!“ Ein paar weitere Flaschen fliegen dennoch, auch auf einen BMW-Sportflitzer. Sofort stellen sich zwei Dutzend Beamte schützend vor das Auto und es kehrt wieder Ruhe ein.

Einige Anhänger sehen den massiven Einsatz der Polizei kritisch. „Man hat schon den Eindruck, dass die Polizei nur darauf wartet, dass noch etwas passiert“, sagt ein Fan. Ein anderer sagt: „Ich finde das übertrieben. Wen sollen wir denn jetzt noch angreifen – selbst wenn wir wollten?“ Nach der Niederlage und einem langen Tag wirken die Eintracht-Anhänger müde. Gegen 16.40 Uhr fährt endlich der Sonderzug ein. Es geht zurück nach Braunschweig. Auch im Zug gibt es keine weiteren Vorfälle. 80 Ordner hat Eintracht Braunschweig bestellt. Sie haben keine Mühe.

In der Pressekonferenz wenige Stunden zuvor finden Eintracht-Trainer Torsten Lieberknecht und 96-Coach André Breitenreiter versöhnliche Worte. Lieberknecht sagt: „Wir werden uns jetzt wieder auf den Fußball konzentrieren. Das war diese Woche etwas schwierig.“ Noch beim Abschlusstraining zündeten Eintracht-Anhänger Pyros, trafen einen Spieler. Breitenreiter ergänzt: „Ihr seid so stark, dass ihr mit uns in die Bundesliga hochgehen könnt.“ Dann gäbe es wieder zwei Derbys.