Hannover. Niedersachsen will mit einem Betätigungsverbot für den türkischen Politiker Mehmet Mehdi Eker mehr Rechtsklarheit schaffen.

Die nächste Wendung in der verwirrenden Geschichte um Wahlkampfauftritte türkischer AKP-Politiker in Deutschland und Niedersachsen kam am Freitagnachmittag. Zuvor hatten immer neue Meldungen die Runde gemacht. Unter anderem hatte die Stadt Salzgitter mitgeteilt, eine geplante Veranstaltung mit dem stellvertretenden AKP-Vorsitzenden Mehmet Mehdi Eker in der Stadt werde untersagt. In Braunschweig hatte ein Restaurantbesitzer eine als „privat“ angemeldete Veranstaltung mit Eker schon zuvor abgesagt.

Doch dann kam Klartext aus dem niedersächsischen Innenministerium. „Der stellvertretende Vorsitzende der türkischen AKP, Mehdi Eker, darf sich während seines Aufenthalts in Niedersachsen nicht politisch betätigen“, heißt es in einer Mitteilung des Ministeriums. Ein entsprechendes Verbot habe die Landeshauptstadt Hannover nach Abstimmung mit dem Land am Freitag für ganz Niedersachsen erlassen.

„Sein bisheriges Vorgehen und Auftreten entspricht nicht den bestehenden Regeln. Es ist zu befürchten, dass das friedliche Miteinander in der Landeshauptstadt und in anderen Städten durch seine Wahlkampfauftritte gefährdet wird“, erklärte Hannovers Oberbürgermeister Stefan Schostok (SPD) zu dem Verbot.

Dass Hannover Eker die Rote Karte für ganz Niedersachsen zeigt, liegt daran, dass der AKP-Mann eben dort den Hebel für das Verbot lieferte. Eker sollte in einem städtischen Freizeitheim auftreten. Die Stadt allerdings erfuhr nach eigenen Angaben erst von der Polizei, wer bei der Ortsvereinssitzung der „Union Europäisch-Türkischer Demokraten“ der Stargast sollte. Die Stadt hatte daraufhin die Raumzusage zurückgezogen und die Veranstaltung abgesagt. Formal wurde aber lediglich das Raumangebot für den Auftritt zurückgezogen und auf die geltende Nutzungsordnung des Kultur- und Freizeitzentrums verwiesen. Sowohl das Thema der Veranstaltung als auch die Identität des Redners hätten aber offenbar verschleiert werden sollen, kritisierte Innenminister Boris Pistorius (SPD) schon bei dieser Gelegenheit, einem gemeinsamen Auftritt mit Schostok im Rathaus von Hannover.

„Wer Wahlkampf in Deutschland macht, muss sich an die Regeln halten“, so Pistorius. Der Bund habe dazu klare Vorgaben gemacht, etwa eine rechtzeitige Anmeldung mindestens fünf Tage vor dem Termin. Pistorius hatte – offenbar mit Blick auf weitere geplante Auftritte Ekers oder anderer Politiker – bereits am Donnerstag auf die Möglichkeit verwiesen, nach Paragraf 47 Aufenthaltsgesetz die politische Betätigung auch türkischer Wahlkämpfer einzuschränken oder zu verbieten.

Die Mitteilung vom Freitag fasst das alles nun ganz offiziell. Von einem Verstoß Ekers gegen eine „Verbalnote“ des Auswärtigen Amtes ist darin die Rede. In dieser Verbalnote werde insbesondere die rechtzeitige Anmeldung entsprechender Veranstaltungen sowie die Nennung weiterer maßgeblicher Daten gefordert, so die Mitteilung aus dem Innenministerium. „Außerdem hat Herr Eker im Vorfeld in Interviews Worte benutzt, die in der politischen Auseinandersetzung für uns in Deutschland absolut inakzeptabel sind“, kritisierte Pistorius. Man habe also befürchten müssen, dass Eker die Stimmung auch andernorts in Niedersachsen bewusst und unnötig anheizen würde.

Dies alles berührt aus Sicht der Behörden aber nicht nur Aspekte der Sicherheit, sondern auch die „politische Willensbildung“ in Deutschland. Und die ist geschützt, so durch Paragraf 47 des Aufenthaltsgesetzes für Ausländer. In einem aktuellen Interview, das Pistorius anführt, soll Eker schwere Vorwürfe gegen die EU erhoben haben. Nicht helfen dürfte auch, dass die als regierungsnah geltende türkische Zeitung „Günes“ Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Fotomontagen als Hitler zeigte. Auf der Titelseite der Ausgabe vom Freitag sei die Kanzlerin in SS-Uniform zu sehen, mit Oberlippenbärtchen und einer Hakenkreuz-Binde am Arm, hieß es in Berichten.

Ohnehin sitzt der Ärger über das Erdogan-Lager mittlerweile tief. „Nicht selbstverständlich“ hatte es Pistorius genannt, dass in Deutschland Wahlstellen für die türkischen Wähler zum Abstimmen über das Referendum eingerichtet werden – und dass Wahlkampfauftritte grundsätzlich nicht ausgeschlossen seien. Das hatten Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande nach einem Telefonat am Donnerstag erklärt. Dies sei aber nur möglich, wenn Vorgaben erfüllt seien, betonten die Politiker: „So müssen sie rechtzeitig und transparent angemeldet werden und deutsches beziehungsweise französisches Recht und Gesetz strikt einhalten“, hatte Regierungssprecher Steffen Seibert erklärt. Das war auch Pistorius’ Linie. Wie es hieß, wolle Eker nun an privaten Terminen teilnehmen. Die Polizei hatte dem AKP-Mann die Verfügung in einer Moschee in Hannover überreicht. Denn in Deutschland aufhalten darf er sich weiter.

„Jede Veranstaltung, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland verschmäht, missachtet oder sogar mit Füßen tritt, werde ich in unserer Stadt nicht zulassen“, hatte Salzgitters Oberbürgermeister Frank Klingebiel (CDU) erklärt. Von der Bundesregierung sei er – auch als Präsident des Niedersächsischen Städtetags – „enttäuscht“, ließ Klingebiel wissen. Diese habe völkerrechtliche Möglichkeiten, um derartige Wahlkampfauftritte zu untersagen. „Wir stehen in engem Kontakt zur Polizei, zum niedersächsischen Innenministerium und zu unseren Nachbarstädten und überlegen, was zu tun ist“, hatte Wolfenbüttels Bürgermeister Thomas Pink (CDU) zwischenzeitlich die Gefühlslage in den Kommunen beschrieben. Bundesweit hatten etliche Städte mangels zentraler politischer Vorgaben alle Register gezogen, um Auftritte wie den Ekers in ihrer Stadt zu verhindern: vom Brandschutz bis zu fehlenden Parkplätzen – und mit Nutzungsordnungen für städtische Gebäude wie im Fall Hannover. Als juristisch sicher gilt beileibe nicht alles, was verfügt wurde.

KOMMENTAR

Online-Stimmen unserer Leser

Beifall. Richtig so!! Keine Plattform für diese Politiker!

Markus Klinger (via Facebook)

Hetze: Ein großes Lob! Die Hetzer der AKP sollen ihre Hassreden in der Türkei halten.

Bernd Klotz (via Facebook)

Angst: Wovor habt ihr Angst!?

Yeliz Dogan (via Facebook)

Gesetz: Haltet doch einfach alle mal den Ball flach. Das hat weder etwas mit Angst haben zu tun, noch muss sich jemand scheckig lachen oder gar beleidigend werden. Es gibt Regeln und Gesetze in Deutschland, und die sind einzuhalten – Punkt!

Eva Leis (via Facebook)

Viele lieben ihn: Viele Türken lieben Erdogan, weil er viel für Land und Leute gemacht hat. Ich frage mich, warum er es nicht dabei belassen hat. Wäre doch alles gut gewesen. „Wenn es dem Esel zu gut geht, geht er aufs Eis.“ Ein so richtiges Sprichwort.

Martina Heid (via Facebook)

Realitätsverlust: Ich glaube der Erdogan leidet unter Realitätsverlust.

Stefan Rücker (via Facebook)