Braunschweig. Bei den Nato-Ausgaben geht es um mehr als ein Kosten-Nutzen-Prinzip, sagt ein Experte.

Unser Leser Siegfried Jäschke aus Gifhorn fragt:

Ist der Vergleich der Nato-Ausgaben zwischen USA und Europa nicht unzulässig, da die Europäer ihr Geld überwiegend zum Schutz des eigenen Territoriums einsetzen, während die USA weltweit Eigeninteressen und die Interessen von Nicht-Nato-Mitgliedern wahrnehmen?

Die Antwort recherchierte Dirk Breyvogel

Die vom Leser gestellte Frage geht für Christian Mölling, den stellvertretenden Direktor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), durchaus in eine interessante Richtung. „Die USA haben weltweit 30 Sicherheitsabkommen geschlossen. Sie vertreten als einzig verbliebene Weltmacht abseits ihrer Nato-Verpflichtungen eigene Interessen“, sagt Mölling unserer Zeitung. Den Schluss, den der Leser daraus zieht, dass die Europäer somit US-Interessen mitfinanzieren würden, hält er allerdings für problematisch. „Von der Politik der Amerikaner profitieren alle“, sagt er. Er nennt das Beispiel der weltweiten Seewege. „Ob Pazifik oder Indischer Ozean: Deutschland ist als Exportnation abhängig davon, dass diese Transportwege sicher sind. Das garantieren zu einem großen Teil die Amerikaner“, so Mölling.

„Viele Nato- Europäer sind weder willens noch in der Lage, die Zwei-Prozent-Klausel umzusetzen.“
„Viele Nato- Europäer sind weder willens noch in der Lage, die Zwei-Prozent-Klausel umzusetzen.“ © Christian Mölling, DGAP

Der Sicherheitsexperte weist zudem darauf hin, dass im Falle eines Krieges in Europa die Amerikaner ihre militärische Hilfe nicht nur auf den Anteil beschränken würden, den der berechnete Nato-Anteil in ihrem Verteidigungshaushalt ausmache. Es sei ein sehr statischer Ansatz, wenn man Sicherheits- und Bündnispolitik nur über die Frage definiere, wer wie viel bezahle. Vielmehr gehe es um die Gewährleistung globaler Sicherheit.

Der neue US-Präsident Donald Trump hatte schon im Wahlkampf erklärt, dass er die Verteilung der Kosten für die Nato-Einsätze für ungerecht halte und den Anteil, den die USA jährlich leisten, für zu hoch. Die 28 Nato-Mitgliedsstaaten hatten sich verpflichtet, zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts in den Militäretat zu stecken. Deutschland hat dieses Ziel bislang noch nicht erreicht, auch weil die Wirtschaft kräftig wächst. In Griechenland ist das Gegenteil der Fall: Das verschuldete Land rutschte durch die schlechten wirtschaftlichen Zahlen über die Zwei-Prozent-Hürde.

Mölling hat schon 2014, damals noch als Mitarbeiter der Stiftung Wissenschaft und Politik, in dem Aufsatz „Die Zwei-Prozent-Illusion der Nato“ die Kopplung der Militärausgaben an das Bruttoinlandsprodukt des Staates kritisiert. Diese „Input-Strategie“, die davon ausgehe, dass ein höherer nationaler Verteidigungshaushalt am Ende automatisch mehr finanziellen Spielraum für die Nato bedeute, verhindere über die Effizienz von militärischen Einsätzen nachzudenken, so die Grundthese Möllings.

Er sieht Deutschland in der Pflicht, hier einen Weg aus dieser Form der Finanzierungspraxis zu finden. „Viele Nato-Europäer sind weder willens noch in der Lage, sie (Anmerkung der Redaktion: die Zwei-Prozent-Klausel) umzusetzen. Ohnehin zielen die 2 Prozent statt auf bessere Ergebnisse vor allem auf Mehrausgaben. Die Bundesregierung sollte für den Umgang mit den Nato-Forderungen eine eigene Vorstellung davon entwickeln, wie die Nato ihre Ausgaben effizienter einsetzen kann“, analysiert Mölling.