Braunschweig. Der Islamische Staat verfügt über Hunderte Millionen von Euro.

Unsere Leserin Anneliese Perkampus aus Klein Flöthe fragt:

Wie finanziert sich der IS, welche Staaten stecken dahinter?

Die Antwort recherchierte Andre Dolle

Der Islamische Staat (IS) wird in Syrien und im Irak zunehmend zurückgedrängt. Seine Reserven sind aber immer noch groß. Das gilt nicht nur für die Kämpfer, die sich der Terrormiliz angeschlossen haben. Der Sicherheits- und Terrorismusexperte Rolf Tophoven schätzt ihre Zahl auf etwa 35 000, darunter etwa 6000 radikalisierte Europäer. Auch die finanziellen Ressourcen des IS sind immens, sagte Tophoven unserer Zeitung. „Mit den in den letzten Monaten zunehmenden Verlusten schwindet das Geld des IS. Die Miliz ist aber immer noch die reichste Terrororganisation der Welt.“

Der Terrorismusexperte tut sich schwer damit, das Vermögen der Terroristen zu schätzen. Es dürften aber Hunderte Millionen von Euro sein, sagte Tophoven. „Die Terroristen haben Staatsbanken in ihren militärisch eroberten Gebieten enteignet. Alleine dadurch fiel dem IS Bargeld im Wert von etwa 500 Millionen Dollar in die Hände. Davon lässt sich lange zehren.“

Internationale Organisationen gingen Anfang 2015 von einem Vermögen von zwei Milliarden US-Dollar aus. Allerdings ist auch diese Zahl geschätzt – und schon zwei Jahre alt.

Aus dieser Zeit stammen auch Studien des Amerikanischen Kongresses und der Financial Action Task Force (FATF), einer internationalen Organisation zur Bekämpfung von Geldwäscherei und Terrorfinanzierung. Gerade die letztgenannte Studie ist umfassend und gibt einen tiefen Einblick in den IS und seine Geldquellen.

Neben den von Tophoven genannten Banken gibt es demnach eine weitere Haupteinnahmequelle des IS: der Verkauf von Rohöl aus eroberten Ölfeldern. 2015 soll die Terrormiliz so etwa 450 Millionen US-Dollar eingenommen haben. Das Öl wurde aus Syrien und dem Irak mit Lastwagen in die Türkei geschmuggelt und an Ölhändler verkauft.

Die renommierte US-amerikanische Denkfabrik Council on Foreign Relations (CFR) sieht die Ölförderung als wichtigste Einnahmequelle des IS – noch vor den Banken. Demnach produziert der IS 44 000 Barrel pro Tag aus syrischen Ölquellen und

4000 Barrel pro Tag aus irakischen Quellen. Durch den Verkauf des Öls sollen jeden Tag zwischen

1 Million und 3 Millionen US-Dollar in die Kassen des IS fließen. Die Studie des CFR stammt vom vergangenen August.

Der IS baut Straßen und Schulen, versorgt Witwen und Verwundete

Laut FATF müssen die Menschen in den eroberten Gebieten Zwangsabgaben zahlen. Das brachte dem IS 2015 weitere satte 360 Millionen Dollar ein. Da sich die Größe des vom IS kontrollierten Gebiets stetig verringert, müssen auch die Einnahmen aus Zwangsabgaben sinken. Laut FATF bringen Lösegelderpressungen jährlich mehrere Dutzend Millionen Dollar ein.

„Außerdem hat der IS antike Stätten geplündert und Artefakte verkauft“, sagte Terrorismusexperte Tophoven. Die FATF taxiert den Erlös allein im Jahr 2015 auf 100 Millionen Dollar.

Der IS betreibt auch Ackerbau und verdient damit laut FATF etwa 200 Millionen Dollar. Eine weitere, oft überschätzte Einnahmequelle sind ausländische Spenden – jedes Jahr offenbar etwa 40 Millionen Dollar. Die größten privaten Geldgeber hat die FATF in Saudi-Arabien, Katar und Kuwait ausgemacht. Kämpfer aus Europa bringen Bargeld mit.

Mit den vielen Millionen US-Dollar bezahlt der IS seine Kämpfer, finanziert Sicherheitskräfte für die Elite der Terrormiliz und unterhält eigene Gerichte. Der IS baut aber auch Straßen und Schulen. Waisen, Witwen und Verwundete erhalten eine Art Sozialleistung. So hat sich die Terrormiliz im Laufe der Jahre staatsähnliche Strukturen geschaffen.