Oberhausen. Zwei Kosovaren wurden in Duisburg verhaftet. Die Anwohnerin sagt: „Es ist kein schönes Gefühl, in Maschinenpistolen zu sehen.“

Die Nacht der jungen Frau war zu Ende, als sie eigentlich erst anfing: gegen halb eins. „Ganz viel Krawall, Krach, Gepolter, Kindergeschrei, Frauengeschrei“, so beschreibt sie das, „jede Menge Maschinenpistolen. Es ist kein schönes Gefühl, in Maschinenpistolen zu sehen.“

Es sind die Minuten, als in der Nacht zu Freitag ein Spezialeinsatzkommando der Polizei im Duisburger Norden, im schwierigen Stadtteil Bruckhausen zwei aus dem Kosovo stammende Brüder festsetzt. Der Verdacht: Die 28 und 31 Jahre alten Männer sollen einen Anschlag geplant haben auf das Centro im nahen Oberhausen, das größte Einkaufszentrum in Deutschland.

Einen Bruder nahmen sie im Zentrum des Vororts Marxloh fest, den anderen hier, unweit des riesigen Thyssen-Krupp-Stahlwerks. Fünf baugleiche, mehrstöckige Häuser aus den 70er Jahren stehen nebeneinander, heruntergekommen sind sie, mehrere Wohnungen stehen leer. Im dritten Stock ist ein kletternder Nikolaus außen am Balkon angebracht, im Erdgeschoss lebte der Verdächtigte mit seiner Familie. Jetzt sind die Fenster zugezogen, mit violetten Vorhängen. Auf dem Balkon im zweiten Stock steht ein Mann, er beobachtet die Journalisten, raucht: „Die ganzen Gebäude haben Angst!“, ruft er: „Wir geben keine Interviews. Ich bin hier, um meine Familie zu schützen.“

Was genau geschehen ist, damit will das Polizeipräsidium Essen auch am Freitag nicht ans Licht – es hat als größere Behörde den Fall von Oberhausen an sich gezogen. Nur soviel: Es gab einen Hinweis aus „Sicherheitskreisen“ – die Rede ist vom Verfassungsschutz – auf einen möglichen Anschlag auf das Einkaufszentrum. Daraufhin habe man die beiden Kosovaren in Gewahrsam genommen. Am Freitag werden sie verhört. Staatsschutz und Kripo versuchen jetzt zu ermitteln, ob der Anfangsverdacht sich erhärten lässt. Am Mittag beschließt ein Richter, dass der „Gewahrsam“ bis Samstag aufrechterhalten wird.

Das ist ein Begriff aus dem Polizeirecht, der so erläutert wird: „Die Maßnahme ist dadurch gekennzeichnet, dass es erklärtes polizeiliches Ziel ist, eine Person im Rahmen des gesetzlich erlaubten Zeitmaßes an einem Ort so lange festzuhalten, bis die Gefahr beseitigt ist.“

Am riesigen Centro selbst bemerkten die Kunden schon am Donnerstag nach 18 Uhr, dass etwas nicht stimmte, ganz und gar nicht stimmte. Plötzlich zog Polizei auf, in Gruppen zu sechs Mann oder acht, in Schutzwesten, mit Maschinenpistolen. Augenzeugen, die dabei waren, berichten von starker Polizeipräsenz, aber ansonsten von einer völlig ruhigen Situation. „Die Polizisten zeigten keine Anzeichen von Panik oder Hektik“, erinnert sich Ulrich Real. „Die Panik, die es in den sozialen Netzwerken gab, gab es nicht vor Ort.“ Am Freitag wird ein Polizeisprecher erklären: „Wir hatten nicht die Angst, dass hier unmittelbar etwas passiert.“ Auch wollte man eine Panik vermeiden: In dem Zentrum mit 250 Geschäften, einer Kneipenmeile und einem Kino sind auch abends noch Zehntausende Menschen unterwegs.

Freitagvormittag dagegen weiß natürlich jeder Kunde, was im Raum steht. „Ich weiß, hier passiert heute nichts. Wenn es jetzt brisant wäre, wäre Polizei hier“, sagt eine 60-jährige Oberhausenerin. Augenscheinlich sind die Leute wenig beeindruckt, sind nicht weniger Kunden unterwegs als an anderen Tagen.

Viele sprechen jedoch von einem mulmigen Gefühl. „Das habe ich seit einem Jahr, seit Paris, man hat einfach nicht mehr so die Lust, hierherzukommen“, sagt Barbara Bieniasch: „Wir gehen jetzt ganz schnell durch, weil wir ein bestelltes Geschenk abholen müssen.“ „Wir lassen unser Leben nicht verbiegen“, sagt ihr Mann, und darauf sie: „Ich bin aber auch ängstlicher als du.“

In Bruckhausen jedenfalls ist der Polizeieinsatz Gesprächsthema Nummer eins. „Sehr beunruhigend, wenn man weiß, dass ein möglicher Terrorist in der Nachbarschaft wohnt.“ Und die junge Nachbarin, die so brutal geweckt wurde („Krawall, Krach, Kindergeschrei“), die steht vor einem Rätsel: „Die Frau ist ne Nette“, sagt sie: „Die Kinder kennt man vom Spielen vom Hof. Ihn sah man beim Rein- und Rausgehen.“