Braunschweig. Nach dem Streit beim Bundes-Parteitag über den Doppelpass geht in Niedersachsen ein Riss durch die CDU.

Unsere Leserin Monika König aus Salzgitter fragt:

Was hat man davon, zwei Staatsbürgerschaften zu haben?

Zum Thema recherchierte Andre Dolle

Isa Keyik ist 1988 im Alter von sieben Jahren aus der Türkei nach Deutschland gekommen. Vor 18 Jahren hat sich der Wolfenbütteler für die deutsche Staatsbürgerschaft entschieden – und gegen die türkische. „Ich halte nichts von der doppelten Staatsbürgerschaft“, sagt Keyik, der im Kreisvorstand der CDU in Wolfenbüttel sitzt. „Wenn man lange in Deutschland lebt, sollte man auch die deutsche Staatsbürgerschaft annehmen.“

Mit seiner Meinung steht Keyik in der Niedersachsen-CDU nicht alleine da. Laut Frank Oesterhelweg, Chef des CDU-Landesverbandes Braunschweig, ist sich die „große Mehrheit“ der Parteibasis in unserer Region darin einig, die doppelte Staatsbürgerschaft abzuschaffen. Die Basis stütze den Beschluss des Bundes-Parteitages in Essen. Dieser hatte am Mittwoch mit knapper Mehrheit entschieden, dass Kinder, deren Eltern aus Staaten außerhalb der EU stammen, zwischen 18 und 23 Jahren wieder einen ihrer beiden Pässe abgeben sollen.

Doch es gibt auch andere Stimmen. Der Braunschweiger CDU-Bundestagsabgeordnete Carsten Müller betont, wie knapp der Beschluss beim Parteitag in Essen entschieden worden sei: mit 319 zu 300 Stimmen der Delegierten. Müller findet: „Das Thema wird zu sehr aufgeblasen.“ Der Doppelpass sei keine Frage, an der sich die Integrationsdebatte entzünde.

Die CDU in Niedersachsen ringt aber um ihre Position bei der doppelten Staatsbürgerschaft. Ebenfalls umstritten ist das „Nix da“ von CDU-Chefin Angela Merkel zum Beschluss des Bundes-Parteitages. Die Kanzlerin sagte das in Essen nicht von Angesicht zu Angesicht. Sie warnte die Delegierten auch nicht in ihrem Schlusswort. Merkel erklärte ihre ablehnende Haltung zur Meinung des Parteitages erst vor Journalisten. „Sie wurde gefragt und hat geantwortet.“ So nimmt der Abgeordnete Müller seine Partei-Chefin in Schutz.

Carlos Mateo sieht das anders. Er hat spanische Wurzeln, ist Mitglied des CDU-Kreisvorstands in Goslar und sagt zu Merkels Auftritt in Essen: „Ich finde das nicht in Ordnung. Ein Parteitag ist das höchste Gremium einer Partei. Dessen Beschlüsse sollten nicht von der Vorsitzenden nach Belieben geändert werden.“ Es sei besser gewesen, wenn Merkel im Schlusswort ihre Vorgehensweise angekündigt hätte.

Mateo hat die spanische Staatsbürgerschaft. In seinem Fall sei die Entscheidung nicht so schwerwiegend gewesen. „Spanien ist EU-Mitglied, teilt dieselben demokratischen Grundwerte wie Deutschland.“ Auch er ist gegen den Doppelpass. „Eine Staatsbürgerschaft ist keine Clubmitgliedschaft wie in einem Verein.“ Eine doppelte Staatsbürgerschaft sollte es nur in ganz besonders begründeten Ausnahmefällen geben.

Dabei war es ein Niedersachse, der als erster deutscher Ministerpräsident mit doppelter Staatsbürgerschaft in die Geschichte einging: David McAllister. Der EU-Abgeordnete hat neben der deutschen auch die britische Staatsbürgerschaft. Er sagte unserer Zeitung: „Ich habe wie Frau Merkel gegen den Antrag der Jungen Union gestimmt.“ Die knappe Entscheidung sei aber zu akzeptieren. McAllister: „So ist Demokratie.“

Der EU-Parlamentarier glaubt aber nicht daran, dass der Beschluss umgesetzt werden kann. „Mit welchem Koalitionspartner soll das gelingen?“, fragt er. „Die SPD ist dazu nicht bereit, auch mögliche Koalitionspartner wie die FDP und die Grünen nicht.“

McAllisters frisch gewählter Nachfolger als CDU-Landeschef, Bernd Althusmann, äußerte sich ähnlich: „Eine Partei muss auch knappe Abstimmungsergebnisse wie über die doppelte Staatsbürgerschaft akzeptieren. Und ebenso müssen andersherum die Mitglieder akzeptieren, dass Parteitagsbeschlüsse nicht gleich Regierungshandeln werden.“ Das sagte er unserer Zeitung.

Althusmann sprach sich dagegen aus, den Doppelpass zum Wahlkampfthema vor der Bundestagswahl im September zu machen. Inhaltlich äußerte sich Althusmann nicht. Mit Blick auf die Landtagswahlen Anfang 2018 stimmen sich Partei und Landtags-Fraktion auch zu diesem Thema gerade ab.