Wolfsburg. Rudolph wehrt sich gegen die Beurlaubung im Abgas-Skandal.

Rund zehn Mitarbeiter des VW-Konzerns wurden im Zuge des Abgas-Skandals freigestellt oder haben das Unternehmen verlassen. Einer wehrt sich vor Gericht: Falko Rudolph, von 2006 bis 2010 für die Entwicklung der Dieselmotoren bei der Marke VW verantwortlich. Nachdem die ersten Gütetermine ausgefallen waren, soll das Treffen nun am heutigen Dienstag stattfinden. Der Manager klagt gegen seine Beurlaubung.

Volkswagen hatte vergeblich beantragt, den Prozess von Kassel nach Wolfsburg zu verlegen. Der Richter begründete seine Ablehnung damit, dass Rudolph seine Arbeit überwiegend in Kassel verrichtete, wo er zuletzt das dortige Werk leitete. Allerdings nur für eineinhalb Jahre: bis Mitte Oktober 2015 – kurz nach seiner internen Befragung zu den manipulierten Abgaswerten. Davor war der Diplom-Ingenieur Chef des Salzgitteraner Werks gewesen.

Der Konzern äußert sich nicht zu dem Prozess vor dem Arbeitsgericht. Rudolph selbst war für unsere Zeitung im Vorfeld nicht zu erreichen. Vermutlich war der Manager einverstanden, vorübergehend freigestellt zu werden, mutmaßte ein Kasseler Richter. Doch inzwischen ist ein Jahr vergangen.

Eine einseitige Freistellung durch den Arbeitgeber ist nur unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt, wie Horst Call erläutert, Professor für Arbeitsrecht an der Ostfalia-Hochschule. Ein Arbeitnehmer habe nicht nur die Pflicht, seine Aufgaben zu erfüllen, sondern auch ein Recht darauf. Freistellen dürfe der Arbeitgeber einen Mitarbeiter deshalb grundsätzlich nur, wenn beide Seiten das vereinbart haben.

Für eine einseitige Freistellung durch den Arbeitgeber müssten in der Regel entweder im Arbeitsvertrag konkrete Fälle dafür genannt werden. Die Formulierung „jederzeit“ ist hier laut Call nicht zulässig. Oft sieht ein Arbeitsvertrag vor, dass ein Mitarbeiter im Falle einer Kündigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist freigestellt werden kann.

Die zweite Möglichkeit für eine einseitige Freistellung ist, dass der Arbeitgeber ein „überwiegendes“ Interesse daran hat, etwa wenn der Mitarbeiter eine schwere Straftat begangen oder den Arbeitgeber körperlich angegriffen hat. Denn dann hätte der Arbeitgeber auch das Recht, dem Mitarbeiter zu kündigen.

Denkbar wäre, dass der VW-Konzern keine Beweise dafür hat, dass Rudolph im Zusammenhang mit den Manipulationen eine Straftat begangen hat – denn dann könnte der Autobauer ihm kündigen. Vorstellbar wäre ebenso, dass die Wolfsburger zunächst die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft abwarten wollen.

Eine Freistellung über so einen langen Zeitraum hält Call aber für arbeitsrechtlich problematisch: „Ich bin nicht sicher, ob das Gericht das durchwinkt“, sagt der Experte. So könne der Richter beispielsweise zu dem Schluss kommen, Rudolph müsse zumindest auf einem anderen Posten wieder arbeiten dürfen, wo er nicht mit verwandten Themen zu tun hätte und zum Beispiel kein belastendes Material vernichten könnte.

Die Staatsanwaltschaft Braunschweig nennt keine Namen bei den Beschuldigten im Abgas-Skandal. Nur Ermittlungen gegen Ex-Konzernchef Martin Winterkorn gab sie bekannt, da es sich um eine Person der Zeitgeschichte handle. In der Klageschrift der New Yorker Staatsanwaltschaft taucht der Name Rudolph sehr wohl auf: als Beispiel für Manager, die über die Entwicklung und Einführung von unerlaubten Abschaltrichtungen diskutierten.

Kurz vor Einführung des neuen VW Jetta 2008 in den USA erschienen in der „Motortechnischen Zeitschrift“ zwei Artikel, in denen die technischen Neuerungen des Motors erläutert wurden. Als „technische Besonderheit“ wurde ein Stickoxid-Abgasnachbehandlungssystem genannt. Der Titel: „Der neue 2-Liter-TDI-Motor von Volkswagen für niedrigste Abgasgrenzwerte“. Einer der Autoren: Falko Rudolph.