Hempstead. Der republikanische Präsidentschafts-Kandidat Donald Trump wirkte im TV-Duell ständig überfordert. Das kam seiner demokratischen Konkurrentin zugute.

Unsere Leserin Sabrina Schnelle meint auf unsren Facebookseiten:

Lieber Clinton als Trump!

Das Thema recherchierte Dirk Hautkapp

Wenn Frank Luntz und seine „Fokus“-Gruppen Donald Trump von der Fahne gehen, ist bei den Republikanern Alarmstimmung angesagt. Der rechtspopulistische Medienprofi schaut nach Wahldebatten in Amerika regelmäßig für den (Trump-freundlichen) TV-Sender Fox News dem Volk genau aufs Maul. Von 20 anhand des Bevölkerungsquerschnitts ausgesuchten Gästen hatten nur drei den Eindruck, der New Yorker Bau-Milliardär habe in der ersten TV-Debatte um die Präsidentschaft gegen seine in Umfragen ebenfalls unbeliebte Konkurrentin Hillary Clinton die Oberhand behalten. Da geht es ihnen ähnlich wie unserer Leserin.

Bei der Konkurrenz von CNN sah das Verhältnis nach dem 90-minütigen Schlagabtausch in der Hofstra-Universität bei Hemp-stead im Bundesstaat New York so aus: 62 Prozent für Clinton, 27 Prozent Trump. Eine Analyse:

Was hat Trump falsch gemacht?

Er muss generell den Egomanen in sich an die Kette legen. Sein permanentes Eigenlob mag Rechtsaußen-Republikaner beeindrucken. Dem allgemeinen Publikum, in dem viele liberal, moderat oder demokratisch getaktet sind, stinkt es. Zumal Clinton auf Wir-Gefühl setzt.

Wie Trump zu beklagen, dass die Mordrate in Chicago „schrecklich hoch“ ist, geht in Ordnung, weil es bei mehr als 500 Toten in diesem Jahr der Wahrheit entspricht. Nachzuschieben, „ich habe dort Eigentum“, stößt dagegen übel auf.

Ein ähnliches Eigentor schoss Trump bei der notorisch heiklen Steuerfrage. Clinton wies ihm nach, dass es Jahre gab, in denen Trumps Berater ihn so arm rechneten, dass er gar keine Einkommensteuer zahlte. Das mögen Amerikaner gar nicht. Denn vor allem mittlere Einkommen, die wenige Abzugsmöglichkeiten haben, landen leicht bei 35 bis 40 Prozent „Income-Tax“. Trumps prahlerischer Zwischenruf, seine Steuervermeidung sei der Beleg für seine „Schlauheit“, wird ihm noch „sehr leidtun“, schreiben US-Kommentatoren.

Es ist schon schwer genug, 90 Minuten am Stück zu stehen. Über eine Fußballspiellänge schlagfertig, wach und bei den Fakten sattelfest zu bleiben, wenn Millionen jede Bewegung mitverfolgen, kommt nicht aus heiterem Himmel. Donald Trump muss sich besser vorbereiten. In fast allen Themenkomplexen wirkte er unsouverän, nicht auf der Höhe, teilweise sogar verwirrt. Beispiel: Sein zehnjähriger Sohn sei sehr flink und kundig im Umgang mit Computern, sagte Trump, um direkt anzufügen, dass Maßnahmen gegen Internet-Kriminalität die wichtigste Aufgabe kommender Regierungen seien.

Dass er seine Steuererklärung mit fabrizierten Begründungen partout unter Verschluss halten will, obwohl Präsidentschaftsbewerber dieses Papier quasi als „Führungszeugnis“ seit 50 Jahren offenlegen, macht argwöhnisch. Trump muss sich eine stichhaltige Erklärung einfallen lassen. Sonst wird sich die Spekulation festsetzen, die Clinton präzise lanciert hat: dass er nicht so reich ist, wie er immer behauptet. Dass seine Wohltätigkeitsaktionen nur Fassade sind. Dass er mit auswärtigen Potentaten Geschäftsbeziehungen unterhält, die ihn als Präsident erpressbar machen.

Dazu muss Trump einen Weg finden, seine vielleicht größte Charakterschwäche – eine Mischung aus Sexismus und Rassismus – besser zu verbergen. Clinton warf ihm vor, Frauen öffentlich „als Schweine, Schlampen und Hunde“ bezeichnet zu haben. Eine ehemalige Schönheitskönigin würdigte er sogar als „Fräulein Haushälterin“ herab, weil sie aus Latein-Amerika stammt. Trump ließ die wasserdicht belegbare Kanonade ohne Widerspruch über sich ergehen.

Außerdem: Wenn Trump glaubt, lügen zu müssen, sollte er es geschickter tun. Trump stritt vor laufender Kamera ab, ins Lager derer zu gehören, die den Treibhauseffekt für Hokuspokus halten. „Das habe ich nie gesagt.“ Hat er doch: „Der Klimawandel wurde von und für die Chinesen erfunden, weil sie amerikanische Firmen aus dem Rennen werfen wollen.“

Trump bohrte nicht bei Clintons Altlasten nach. Bestes Beispiel: die E-Mail-Affäre. Clintons törichter, am Rande des Strafbaren angesiedelter Gebrauch eines privaten E-Mail-Servers zu Zeiten als Außenministerin. Seit Monaten ein Mega-Thema, bei dem noch Fragen offen sind. Clinton beerdigte die Sache mit einem einzigen Satz: „Ich habe einen Fehler gemacht, private Konten genutzt zu haben.“

Am Ende, als Trump nach vielen unbeherrschten Zwischenrufen alle halbwegs neutralen Punktrichter gegen sich hatte, attestierte er sich mit kindlichem Trotz: „Ich habe eine viel bessere Urteilsfähigkeit als sie. Ich habe auch ein viel besseres Naturell als sie. Mein größter Vorteil ist mein Temperament. Ich habe ein gewinnendes Naturell. Ich weiß zu gewinnen.“ Im Publikum der Hofstra-Universität, dem vorher jede Meinungsäußerung verboten wurde, war lautes Prusten nicht zu überhören.

Trump darf Clinton in den nächsten beiden Debatten (9. und 19. Oktober) nicht mehr förmlich zum Abwatschen einladen. Auf seine steile Behauptung, Clinton mangele es am nötigen „Stehvermögen“ für das Amt der Präsidentin, gab sie mit stoischer Miene und Blick auf ihre Bilanz als Außenministerin zurück: „Sobald Donald in 112 Länder reist, ein Friedensabkommen verhandelt, eine Waffenruhe, die Freilassung von Regierungsgegnern, oder auch einfach nur elf Stunden vor einem Kongressausschuss aussagt, kann er mit mir gern über Stehvermögen reden.“

Wo hat Hillary Clinton Defizite?

Sie muss sich das Streberhafte, Perfektionistische abschleifen. Sie wirkte oft „übertrainiert“, schien auf jede denkbare Spitze Trumps bis zum fünften Spiegelstrich mit einstudierten Kontern vorbereitet. Es menschelte zu wenig. Sie trifft, anders als Trump, nicht den Ton, um das einfache, weniger gebildete Amerika zum Zuhören zu zwingen. Noch zu oft geraten ihre Ausführungen zu Vorlesungen. Amerika wartet noch immer auf die echte Clinton.