Shanghai. 2025 will die Marke VW weltweit eine Million E-Autos verkaufen – 60 Prozent in China.

China, China und nochmals China: In der Strategie des VW-Konzerns mitsamt seiner Kernmarke Volkswagen wird das Reich der Mitte eine größere Rolle spielen denn je. Dafür sorgt ein Mix aus Marktgröße, deutlichem Wachstum, Umweltauflagen und nicht zuletzt den Kundenwünschen – diese Faktoren treiben die Auto-Entwicklung und werden weltweit ausstrahlen. „Die Chinesen sind die am stärksten digital- und zukunftsorientierten Verbraucher der Welt“, sagte gestern VW-Markenchef Herbert Diess auf der Autoshow in Shanghai.

VW verdient mit dem Autobau in China richtig gutes Geld – knapp fünf Milliarden Euro im vergangenen Jahr. Nach wie vor wächst das Unternehmen dort kräftig, wenn auch in diesem Jahr etwas langsamer. Ein Wachstum von mehr als 12 Prozent im vergangenen Jahr stimme den Autobauer „außerordentlich zufrieden“, sagte Jochem Heizmann, der im Konzernvorstand das Chinageschäft verantwortet, in Shanghai im Gespräch mit Journalisten. Mit Blick in die Zukunft sei das Unternehmen „sehr zuversichtlich, gerade für die Marke VW“.

Das frühe Engagement der Wolfsburger, der erste chinesische Santana wurde im April 1983 in Shanghai gebaut, zahlt sich aus. VW ist mit seinen chinesischen Partnerunternehmen SAIC und FAW eine Macht. „Wir müssen immer schmunzeln, wenn von uns gefordert wird, unabhängiger von China zu werden. Dabei wollen wir unsere Position ausbauen“, sagte Konzernchef Matthias Müller.

Zwar will der Wolfsburger Autobauer Trends wie die zunehmende Beliebtheit von SUV weltweit bedienen und eben nicht nur in China, doch kommt dem Reich der Mitte insbesondere bei zukunftsgerichteten Techniken wie der Elektromobilität, aber auch der Digitalisierung und der Anbindung des Autos ans Internet eine Schlüsselrolle zu. Ein Grund: „China wird die strengsten Emissionsvorschriften der Welt bekommen“, sagte Heizmann.

Die würden bis 2021 schrittweise eingeführt. Voraussichtlich schon ab 2018 gelte das System der sogenannten Credits. Das Prinzip: Je umweltfreundlicher ein Produkt ist, desto mehr Credits bekommt es. Ein Plug-in-Hybrid bekäme mehr Credits als ein Auto mit Verbrennungsmotor, ein rein elektrisches Auto mehr Credits als ein Plug-in-Hybrid. Das Ziel: Die Produktpalette muss eine Credit-Quote von 8 Prozent erreichen. Deshalb würden die E-Fahrzeuge spätestens ab 2021 benötigt, um die hohen Verbräuche der SUV in China auszugleichen, erläuterte Heizmann.

VW plant Partnerschaft mit chinesischem Unternehmen JAC

Um die Auswahl der E-Modelle zu erhöhen, plant VW eine Partnerschaft mit dem chinesischen Unternehmen JAC. Gebaut werden sollen E-Autos für den Massenmarkt. Das erste Modell soll nach Angaben Heizmanns schon im nächsten Jahr vorgestellt werden. Ungeklärt ist derzeit aber noch, unter welchem Markenlogo diese Autos auf die Straße kommen.

VW-Markenchef Diess kündigte gestern in Shanghai an, dass die Marke im Jahr 2025 weltweit eine Million E-Fahrzeuge verkaufen will – 60 Prozent davon in China und mit chinesischer Technik. So sollen etwa die Batteriezellen im Reich der Mitte gefertigt, digitale Anwendungen dort entwickelt werden.

Die Marke VW zeigt in Shanghai mit dem neuen Modell I.D. Crozz, wie die jüngste Generation der Autos mit reinem Elektro-Antrieb aussehen wird. Sie soll ab 2020 in Deutschland in Wolfsburg und Zwickau sowie – natürlich – in China produziert werden. Diese Autos folgen nicht mehr der Architektur ihrer Vorgänger mit Verbrennungsmotor. Dadurch wird der Innenraum größer und kann flexibler genutzt werden. Äußerlich vereint der I.D. Crozz die Eigenschaften eines SUV und eines Coupés – er ist also ein Crossover-Modell, daher der Name.

Mit dem I.D. im Golfformat und dem I.D. Buzz, der an den guten alten Bulli erinnert, wurden im vergangenen und in diesem Jahr bereits zwei weitere E-Autos aus dieser Fahrzeugfamilie vorgestellt. Ein SUV sowie eine klassische Limousine sollen folgen, wie Christian Senger, E-Mobilitäts-Chef der Marke VW, in Shanghai ankündigte. Ausgerechnet eine Limousine? Dieses Fahrzeugsegment gilt doch auf vielen Märkten als aussterbende Art, der längst von SUV der Rang abgelaufen wurde. Senger ist hingegen von einer Renaissance der Limousine überzeugt. Sie biete bei ihrer komfortablen Größe gegenüber den SUV einen entscheidenden Vorteil: den geringen Luftwiderstand. Je geringer der ist, desto weniger verbraucht ein Auto. Bei E-Fahrzeugen steht ein geringer Energieverbrauch für eine größere Reichweite. Deshalb würden E-Limousinen zum Beispiel für Geschäftsreisende, die längere Strecken zurücklegen müssen, interessant, ist Senger überzeugt.

Neue Modelle vereint einheitliche Formensprache

Gebaut werden diese Autos nach dem speziellen VW-Baukastenprinzip – in diesem Fall ist es der Modulare Elektrifizierungsbaukasten (MEB). Das Prinzip der Baukästen: Viele Gleichteile und eine vereinheitlichte Produktion sollen die Kosten drücken.

Trotz ihrer Unterschiede – Kompaktklasse, Van, SUV – vereint die I.D.-Fahrzeuge eine einheitliche Formensprache. Sie haben zum Beispiel keinen Kühlergrill mehr, stark vereinfachte und abgespeckte Armaturentafeln und große Räder, wie Klaus Bischoff, Chef-Designer der Marke VW erläuterte. Den größten Paradigmenwechsel gibt es aber in der Frontpartie dieser Autos. Sie sollen nicht mehr aggressiv wirken oder gar den „bösen Blick“ haben, sondern freundlich aussehen. „E-Mobilität soll für entspannten Verkehr stehen“, betonte Bischoff. Und tatsächlich: Wer genau hinschaut, sieht die I.D.-Modelle lächeln. Ein freundlich schauendes Auto – das passt bestens zum Land des Lächelns.