Braunschweig. GM verkauft Opel an die französische PSA für 1,3 Milliarden Euro. Experten erwarten, dass bei dem Autobauer ein harter Sanierungskurs ansteht.

Unser Leser Dennis Ritter fragt auf unseren Facebook-Seiten:

Konkurrent für Volkswagen? Besser Mitbewerber. Das waren Opel und PSA auch vorher schon. Die Frage ist, was passiert mit Opel?

Die Antwort recherchierte Katharina Lohse

Seit gestern früh ist es offiziell: Opel wird französisch. Nach 88 Jahren trennt sich der US-Autokonzern General Motors (GM) von dem Unternehmen, das seit dem Jahr 2000 in der Verlustzone steckt. Die PSA-Gruppe mit ihren Marken Peugeot, Citroën und DS kauft Opel/Vauxhall für 1,3 Milliarden Euro, wie beide Parteien mitteilten. Weitere

„Ich gehe davon aus, dass bei Opel mittelfristig Arbeitsplätze verloren gehen werden.“
„Ich gehe davon aus, dass bei Opel mittelfristig Arbeitsplätze verloren gehen werden.“ © Hans-Gerhard Seeba, Professor für Automobilwirtschaft an der Ostfalia

Die größten Autohersteller der Welt

900 Millionen Euro fließen für die europäische Finanzierungsbank GM Financial, die PSA zusammen mit der Großbank BNP Paribas führen will. Insgesamt erhält GM für den Verkauf 2,2 Milliarden Euro, von denen PSA 1,8 Milliarden trägt. Allerdings übernimmt GM auch Pensionsverpflichtungen in Höhe von

3 Milliarden Euro. Bis Ende des Jahres soll der Verkauf abgewickelt sein.

Mit dem Kauf steigt PSA hinter Volkswagen zum zweitgrößten Autobauer in Europa mit einem Marktanteil von 17 Prozent auf. Nach Angaben des europäischen Branchenverbands Acea hatte VW im vergangenen Jahr einen Marktanteil von 23,9 Prozent in Europa. Das waren 0,7 Prozentpunkte weniger als im Vorjahr.

PSA will in drei Jahren nun das schaffen, was GM in 16 Jahren nicht hinbekommen hat: Opel soll wieder profitabel werden. Da ist die Frage unseres Lesers mehr als berechtigt, was nun mit den Standorten und Mitarbeitern von Opel passieren wird. Carlos Tavares, Vorstandsvorsitzender von PSA, sagte gestern: „Wir sind zuversichtlich, dass der Turnaround von Opel/Vauxhall mit unserer Unterstützung deutlich beschleunigt wird.“ Gleichzeitig respektiere PSA die Verpflichtungen, die GM gegenüber Mitarbeitern eingegangen ist. Die Bundesregierung und die Bundesländer mit Opel-Standorten pochen laut Deutscher Presseagentur bei den weiteren Schritten auf Transparenz und Mitsprache der Arbeitnehmer-Vertreter. „Die Verträge müssen intensiv geprüft werden, insbesondere von den Vertretern der Arbeitnehmer“, erklärten Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) und die Regierungschefs von Rheinland Pfalz, Hessen und Thüringen. Die Garantien für die rund 19 000 deutschen Mitarbeiter vor allem in Rüsselsheim, Kaiserslautern und Eisenach –

38 000 sind es bei Opel/Vauxhall insgesamt – reichen über das Jahr 2020 jedoch nicht hinaus. Bis dann hat sich GM zu Investitionen und zur Produktion in den deutschen Opel-Werken verpflichtet.

Michael Ebenau vom IG-Metall-Bezirk Mitte sagte: „Es gibt verschiedene Tarifverträge. Einer von ihnen schließt betriebsbedingte Kündigungen bis Ende 2018 aus, ein weiterer regelt die Zuteilung der Produktion auf die Opel-Standorte, der läuft länger.“ Ebenau gab zu bedenken, dass die Standorte länger gesichert seien, wenn Produkte erst zugeteilt sind. „Niemand wird 2019 den Mokka in Eisenach anlaufen lassen und ihn dort 2020 wieder vom Band nehmen und woanders fertigen lassen, das wäre betriebswirtschaftlich gar nicht darstellbar.“ Jörg Köhler, Bezirksleiter der IG Metall Mitte, betonte gestern in einem gemeinsamen Brief mit dem Opel-Gesamtbetriebsrat und dem Opel-Betriebsrat Bochum, dass es um tragfähige Grundlagen für die Zukunft gehen müsse. „Die Opel-Beschäftigten erwarten langfristige Sicherheit für ihre Arbeitsplätze und die Standorte.“

Die sieht Hans-Gerhard Seeba, Professor für Automobilwirtschaft an der Ostfalia-Hochschule, allerdings in Gefahr. „PSA wird bei Opel harte Sanierungsschritte vornehmen. Ich gehe davon aus, dass mittelfristig Arbeitsplätze verloren gehen werden.“ Seeba zufolge werde es im europäischen Markt, der unter Überkapazitäten leidet, nicht ausreichen, auf eine Mehrmarkenstrategie und Einsparungen etwa bei der Entwicklung und dem Einkauf zu setzen. Das werde nicht genügen, um Opel profitabel zu machen.

Dafür müsse PSA mit Opel neue Märkte erschließen. Zumindest wäre für den deutschen Autobauer der Weg dafür frei. Seeba: „Unter GM hat Opel in den USA oder China nichts zu suchen gehabt.“ Die Amerikaner führten die Markenstrategie, bei der eine Marke einem Markt zugeordnet ist. „Mit PSA hätte das Unternehmen nun erstmals Chancen auf diesen Märkten.“

Doch PSA hat sich in der Vergangenheit außerhalb Europas schwergetan. Ferdinand Dudenhöffer, der das Car-Center an der Universität Duisburg-Essen leitet, schreibt in einer Studie: „Erfolg in Zukunftsmärkten wie China ist wenig festzustellen. Mit einer Übernahme von Opel erhöht sich nochmals die schon sehr hohe Abhängigkeit von Europa.“ PSA habe zwar in seinen Strategieplänen fest verankert, den Europa-Anteil an den Gesamtverkäufen zu reduzieren. Nach wie vor verkaufe PSA aber 61 Prozent seiner Neuwagen in Europa. Mit Opel liege dieser Anteil bei

71 Prozent. „In solch einer Ausgangslage bleibt nach unserer Einschätzung nur der Weg, das PSA-Restrukturierungs-Konzept auf Opel zu übertragen.“ Und das habe in der Vergangenheit unter anderem die Reduzierung der Personalkosten von 5,9 Milliarden Euro im Jahr 2011 auf 4,6 Milliarden Euro fünf Jahre später vorgesehen. „Opel muss das Geld für die Internationalisierung verdienen. Für Opel ist das kein einfacher Weg.“

Für Konkurrenten wie Volkswagen ändert sich auf den ersten Blick erst einmal nichts, wie unser Leser bemerkt. Laut Seeba könnte VW aber dennoch in Bedrängnis geraten. Er sagte: „Für VW wächst ein ernstzunehmender Konkurrent in Europa heran.“ Denn PSA könnte an der Kostenschraube drehen – durch Einkaufsvorteile und beispielsweise die Plattformstrategie, bei der Bauteile und die Produktion vereinheitlicht werden. Zudem könnte PSA laut Seeba nun seine Stellung bei der E-Mobilität ausbauen.

Ein Volkswagen-Sprecher sagte gestern zu dem Verkauf nur: „Wir beobachten das aufmerksam, unsere Strategie beeinflusst das nicht.“ Der VW-Betriebsrat wollte sich nicht äußern.