Braunschweig. Der Abgas-Ausschuss wirft EU-Mitgliedern Versagen vor und fordert mobile Kontrollen. Dieselgate hätte wohl leicht verhindert werden können.

Der Abgas-Ausschuss des EU-Parlaments wirft den Mitgliedsländern gravierende Verletzungen ihrer Aufsichtspflichten der Autohersteller vor. Auch die EU-Kommission habe grob fahrlässig gehandelt. Dieselgate hätte wohl leicht verhindert werden können. Zu diesem Ergebnis kommt der Abgas-Ausschuss in seinem vorläufigen Abschluss-Bericht.

Der Abgas-Ausschuss beriet am Donnerstag über den Bericht, der unserer Zeitung vorliegt. Das Papier der Berichterstatter Jens Gieseke (CDU, Emsland) und Gerben-Jan Gerbrandy (Liberale, Niederlande) fand große Zustimmung. Es ist nüchtern formuliert, lässt an inhaltlicher Klarheit aber nichts vermissen.

Die Abweichungen der Abgaswerte zwischen Testergebnissen im Labor und realen Werten auf der Straße sei der EU-Kommission seit mindestens 2004 oder 2005 bekannt gewesen. „Für mich ist das ein eindeutiges Behördenversagen“, sagte Ausschuss-Mitglied Rebecca Harms (Grüne) unserer Zeitung.

Die Entwicklung von Vorgaben zu realistischeren Testverfahren habe zu lange gedauert, heißt es im Bericht – auch, weil die Kommission der Industrie nach der Finanzkrise 2008 keine zusätzlichen Lasten auferlegen wollte.

Die EU-Parlamentarier erheben Vorwürfe gegen Frankreich, Italien und Spanien. Es seien insbesondere diese Mitgliedsländer gewesen, die mehrmals für Verzögerungen von neuen Abgas-Testverfahren gesorgt hätten.

Bis Mittwoch haben die Ausschuss-Mitglieder Zeit, Änderungsanträge für den Bericht zu stellen. Ende Februar wollen die Mitglieder abstimmen. Anfang April soll der Bericht vom Parlament verabschiedet werden. Aus Parlamentskreisen hieß es, dass kaum noch mit Änderungen zu rechnen sei. „Mit dem Entwurf können alle leben.“

Der Ausschuss tagte ein Jahr lang. In 48 Anhörungen hörte er 64 Zeugen, darunter Frankreichs Umweltministerin Ségolène Royal, Ex-EU-Kommissar Günter Verheugen und Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies.

Die Kommission hat laut Bericht Abgas-Arbeitsgruppen zu mehr als 50 Prozent mit Sachverständigen der Automobilhersteller bestückt. So habe sich der Kontrolleur den zu Kontrollierenden ins Haus geholt. Außerdem kritisieren die Mitglieder des EU-Abgas-Ausschusses, dass die Protokolle solcher Arbeitsgruppen nicht vollständig und transparent genug gewesen seien.

Zu den Abschalteinrichtungen hätte es klarere Aussagen im Bericht geben können. „Einige der von Automobilherstellern angewendeten Emissionsminderungsstrategien deuten auf die mögliche Verwendung verbotener Abschalteinrichtungen hin“, heißt es umständlich. Bisher ist lediglich VW überführt. Die EU-Parlamentarier kritisieren, dass die Behörden sämtlicher Mitgliedsländer und auch die EU-Kommission nach dem VW-Skandal nicht selbst nach weiteren Abschalteinrichtungen bei anderen Herstellern suchen. Den Herstellern wurden auch keine Sanktionen auferlegt. Auch das kritisiert der Abgas-Ausschuss.

Ausschuss-Mitglied Harms zeigt dafür kein Verständnis: „Mittlerweile ist klar, dass viele Abschaltstrategien zum Einsatz kamen, die dafür sorgen, dass die Abgasreinigung sehr häufig auch unter vollkommen normalen Fahrbedingungen nicht vollständig in Betrieb ist.“

Als Konsequenz fordert der Ausschuss unangemeldete und mobile Abgastests sowie Sanktionen für Hersteller, die Vorgaben nicht erfüllen.