Braunschweig. In Abgas-Tests schneiden auch Fiat und Renault miserabel ab. Diesel-Modelle von VW hingegen halten Grenzwerte nun ein.

Unser Leser Eckart Sander aus Salzgitter fragt:

Der Diesel-Skandal war doch bekannt. Warum wurde diesbezüglich nichts unternommen?

Die Antwort recherchierte Andre Dolle

Die Deutsche Umwelthilfe hat am Mittwoch schwere Vorwürfe gegen Mercedes, Fiat und Renault erhoben. Der Verein kommt nach eigenen Abgas-Messungen zu dem Ergebnis, dass Diesel-Modelle der Konzerne Grenzwerte für das Lungengift Stickoxid um ein Mehrfaches übersteigen.

Demnach haben die Prüfer beim Fiat 500x und beim Renault Captur eine 17- beziehungsweise 16-fache Grenzwertüberschreitung gemessen, bei der Mercedes B-Klasse 180 d eine 13-fache Überschreitung. Die Euro-6-Norm sieht einen Stickoxid-Grenzwert von 80 Milligramm pro Kilometer für PKW vor. Der Fiat 500x stößt offenbar 1380 Milligramm pro Kilometer aus. „Das ist unser Spitzenwert“, sagt Umwelthilfe-Chef Jürgen Resch. Das Mercedes-Modell sei mit 1039 Milligramm das schmutzigste jemals von der Umwelthilfe gemessene Dieselauto aus deutscher Produktion.

Verkehrsexperte Axel Friedrich übernahm die fachliche Leitung der Messungen. Laut Friedrich wurden auch Autos aus dem VW-Konzern überprüft. Das Diesel-Modell Audi A5 Sportback habe den Grenzwert aber eingehalten. „Es sieht so aus, als habe VW aus dem Abgas-Skandal seine Lehren gezogen.“

Bereits im September testete die Umwelthilfe 36 Dieselmodelle diverser Hersteller. Von den zehn Modellen mit den saubersten Werten kamen acht aus dem VW-Konzern. Friedrich sagte nun: „VW ist ein dunkelgraues Schaf, es gibt aber schwarze und tiefschwarze Schafe.“

Für die aktuellen Tests hatte die Umwelthilfe die Modelle von Fiat, Renault und Mercedes ganz bewusst ausgesucht. Denn der Verein wirft den Konzernen vor, dass die ordnungsgemäße Abgasreinigung unterhalb von 17 Grad, bei anderen Fahrzeugen bei 10 Grad eingestellt werde und somit die Innenstädte gerade im Winter mit Stickoxid „regelrecht fluten“, so Resch.

Die Umwelthilfe sieht sich durch die Tests bestätigt und fordert einen Zulassungs- und Verkaufsstopp sowie Einfahrverbote in Umweltzonen für Diesel-PKW, die nicht einmal den Euro-1-Grenzwert einhalten würden.

Eine Mercedes-Sprecherin teilte mit, dass die Ergebnisse der Umwelthilfe erst geprüft werden müssten. Die Sprecherin betonte, dass Mercedes sich an gültige Vorschriften halte. Der Konzern behauptete, dass eine Abschaltung der Abgasreinigung notwendig sei, um Motorschäden vorzubeugen.

Dabei folgt Mercedes ganz der Maßgabe, die Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) im April ausgegeben hatte. Damals stellte er Prüfergebnisse vor, die er selbst veranlasst hatte. Dobrindt betonte jedoch, Abschalteinrichtungen seien legal, wenn sie dem Motorschutz dienten.

Der renommierte Umweltrechtler Professor Martin Führ erteilte Dobrindt nun eine Lehrstunde. In einem Gutachten für den Abgas-Untersuchungsausschuss des Bundestages widersprach er Dobrindt und erklärte jüngst, dass „hier eine fortdauernde und schwerwiegende Missachtung des Rechts stattgefunden hat“. Das Gutachten liegt unserer Zeitung vor. Bei den betroffenen Dieselautos sei die „Typzulassung von Anfang an rechtswidrig“, schreibt Führ. Demnach wären Millionen Dieselautos auf deutschen Straßen ohne gültige Typgenehmigung unterwegs.

Dobrindt sieht das Problem offenbar auch, jedoch veranlasste er nur einen freiwilligen Rückruf von 630 000 Diesel-Modellen diverser Hersteller. Dem kommen die Konzerne bisher nicht nach. Bei den 2,4 Millionen Autos aus dem VW-Konzern, die vom Abgas-Skandal betroffen sind, ist der Rückruf in Deutschland jedoch verpflichtend.

Die Europaabgeordneten haben gestern indes neue Regeln für eine Verbesserung der Luftqualität in der EU auf den Weg gebracht. Sie stimmten in Straßburg für strengere Vorgaben bei den Höchstmengen des Schadstoff-Ausstoßes. Danach soll etwa der Ausstoß von Feinstaub bis zum Jahr 2030 um 49 Prozent reduziert werden gegenüber dem Ausstoß im Jahr 2005; die von Dieselfahrzeugen ausgestoßenen Stickoxide sollen um 63 Prozent sinken. Umweltzonen und die Grenzwerte sind von der Gesetzesänderung nicht betroffen. Etwa 80 deutsche Städte, darunter Braunschweig, Hildesheim und Hannover, verstoßen gegen Stickstoffdioxid-Grenzwerte. Die EU hat bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet.