Braunschweig. Seit einer Woche gilt der Dämmstoff durch eine Verordnung als gefährlich. Er muss gesondert entsorgt werden. Doch das klappt kaum.

Unser Leser Hans-Jürgen Gahren aus Braunschweig sagt:

Die Entsorgung von Styropor in Dach-Dämmstoffen ist kaum noch möglich. Das stellt uns Dachdecker vor große Probleme.

Zum Thema recherchierte Stefan Lienert

Wer in diesen Tagen sein Haus abreißen will oder das Dach aus energetischen Gründen erneuern lassen möchte, muss mit Verzögerungen rechnen. Auch könnten die Kosten für entsprechende Arbeiten massiv ansteigen. Denn der Dämmstoff Polystyrol, der unter dem Namen Styropor bekannt ist, gilt seit dem 30. September als gefährlicher Abfall, sofern mehr als 0,1 Prozent das Flammschutzmittel HBCD ausmacht. Der Bundesrat hat eine EU-Abfallverordnung dahingehend geändert. Und das hat massive Konsequenzen.

Handwerksbetriebe wie Dachdecker können das Material, das vor allem in Flachdächern enthalten ist, derzeit bei kaum einem Entsorger abliefern. Denn dieser müsste es eigentlich in die Müllverwertungsanlagen bringen. Doch auch sie weigern sich, den Dämmstoff anzunehmen. Bei den Dachdeckern fehlt oft der Platz für eine Zwischenlagerung. „Viele von ihnen können daher kaum noch Aufträge entgegennehmen. Das führt zu Kurzarbeit und sogar zu Entlassungen“, sagt André Hannes, technischer Geschäftsführer des Landesinnungsverbandes des Dachdeckerhandwerks Niedersachsen-Bremen. „Derzeit sieht es in ganz Deutschland düster aus“, meint er.

Doch nicht nur auf die Betriebe, sondern auch auf die Bauherren wirkt sich die Neufassung der Verordnung aus. Laut unseres Lesers Hans-Jürgen Gahren aus Braunschweig würden bei der Entsorgung anstelle von 140 Euro je Tonne auch schon mal bis zu 7000 Euro pro Tonne fällig. „Eigentlich wiegt ein Kubikmeter dieses Dämmstoffs etwa 35 Kilogramm. Wenn er mit Wasser vollgesogen ist, weil das Dach undicht ist, kann er allerdings auch schon einmal eine halbe Tonne wiegen“, stellt Gahren, der auch Dachdecker ist, dar.

Wilhelm Schmidt, Obermeister der Dachdecker-Innung Braunschweig, befürchtet, dass es einige Unternehmen gibt, die den Dämmstoff im Wald entsorgen, sieht aber auch einen Hoffnungsschimmer. „Je nach Situation muss man das Styropor oft gar nicht runter reißen. Es genügt häufig, eine Abdichtungslage draufzubringen. Dabei muss aber die Lagesicherheit des Daches gegeben sein, es darf also nicht wegfliegen. Dazu muss die Wärmedämmung überprüft werden und auch, ob Feuchtigkeit entweicht.“

Viele der regionalen Entsorger, unter anderem Alba in Braunschweig und Tönsmeier in Lengede, holen derzeit den neuen giftigen Abfall nicht ab. Das bestätigen die Firmen. Sigrid Schulte von Alba sagt aber auch, dass Styropor als Verpackungsmaterial im Haushaltsmüll weiterhin entsorgt wird und beruft sich dabei auf das Gewerbeaufsichtsamt.

Laut neuester Umfrage des Industrieverbands Hartschaum von Mitte September sind nur 15 von 80 befragten Müllverbrennungsanlagen bereit oder durch eine Berechtigung in der Lage, HBCD-haltige Dämmstoffe anzunehmen. Der Betreiber EEW Energy from Waste, der auch in Helmstedt einen Standort hat, prüft derzeit bei jeder seiner Anlagen im Einzelfall, wie verfahren werden kann.

Jetzt hoffen alle Beteiligten auf die Hilfe der Länder. Laut Alexander-Georg Rackow vom Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft wäre es sogar möglich, dass der Bundesrat seine Entscheidung bald wieder zurücknimmt.

In der Bundesrepublik sind etwa 300 000 Tonnen von Polystyrol auf den Dächern verteilt. Die Gesamtfläche der Platten ist größer als das Hamburger Stadtgebiet.