Göttingen. Göttinger Händel-Festspiele: Das Ensemble 1700 zeigte die „Lucio Cornelio Silla“ als szenische Darstellung.

Das ist wahrlich ein Kontrastprogramm. Nach der Premiere des bombastischen „Lotario“ gab es jetzt bei den Händel-Festspielen die Oper „Lucio Corneli Silla“ als szenische Darstellung. Das Ensemble 1700 unter der Leitung von Dorothea Oberlinger und die sieben Sängerinnen und Sänger glänzten mit Tonkunst der allerfeinsten Art.

Eine Festspieloper mit Glanz und Gloria im Großen Haus des Deutschen Theaters und eine reduzierte Oper in der Stadthalle. Kann das überhaupt aufgehen? Machen sich die Festspiele dabei nicht selbst Konkurrenz? Nein, es geht auf, denn dieses Konzept bedient zwei unterschiedliche Aspekte des Musiktheaters. Die nüchterne Atmosphäre der Stadthalle und der Verzicht auf ein Bühnenbild ermöglichen die volle Konzentration auf die Musik. Für dieses Händel-Destillat ist das Ensemble 1700 wie geschaffen. Die 15 Musiker haben viel Spaß an ihrem Schaffen und diesen Spaß können sie von der ersten Minute an vermitteln. Der Funke springt sofort über auf das Publikum.

Als Dirigentin überzeugt

Nachdem Dorothea Oberlinger bereits vor zwei Jahren als Flötistin im Eröffnungskonzert begeistern konnte, hat sie mit einer herausragenden Leistung auch als Dirigentin überzeugt. Es bleibt zu hoffen, dass sie den Festspielen weiterhin im Zwei-Jahres-Rhythmus treu bleibt.

Der Kontrast zwischen den üppigen Kostümen im barocken Stil, den steifen Gesten der Entstehungszeit und den nüchternen Kulissen vor den schwarzen Vorhängen der Stadthalle wirkt anfangs etwas befremdlich. Doch so hat das Publikum die Möglichkeit zu erkennen, was authentisch ist und was moderne Zutat. Mit dem Wegfall eines Bühnenbildes und einer Choreographie rückt der Gesang in den Mittelpunkt. So kommt die Aufführung der Idee der reinen Musik ein gehöriges Stück näher.

„Lucio Cornelio Silla“ ist ein Frühwerk von Händel, über dessen Entstehung wenig bekannt ist. Die Oper dürfte etwa 1713 entstanden sein. Der junge Komponist probiert hier alle Elemente einer Opera seria aus. Es geht ihm vor allem um das Verhältnis zwischen Sänger und Musiker. Gleich zweimal lässt er Gesang und Instrumente in einen direkten Dialog eintreten.

Schwindelerregende Höhen

So am Ende des ersten Aktes, als Claudio mit der Posaune kommuniziert, sich beide gegenseitig anfeuern und sich in schwindelerregende Höhen steigern. Der donnernde Applaus ist der verdiente Lohn. Aber auch für den Titelhelden hat der Komponist in der zweiten Szene des zweiten Akts ein Duett mit den Holzbläsern parat.

Überhaupt dominieren die Holzbläser diese Oper. Das verleiht ihr ein weiches Klangbild, das im deutlichen Kontrast zum wenig lieblichen Libretto steht. Die kleine Besetzung wirkt angenehm zurückgenommen und lässt den Sängern und Sängerinnen ausreichend Platz.

Ansonsten ist „Lucio Cornelia Silla“ eine Oper, die ein wahres Feuerwerk an Koloraturen abfeuert und damit höchste Ansprüche an die Sängerinnen und Sänger stellt. Wie gesagt, Händel wollte ausprobieren, was machbar ist.

Es ist ein Werk für einen Gott, fünf Menschen und einen Menschen, der sich für einen Gott hält. Als Gott Mars hat Bariton Thomas Hansen nur zwei kurze Auftritte, so dass er sich nicht weiter auszeichnen kann.

Die Rolle des Diktators Silla, der sich für einen Gott hält, hat Dmitry Sinkovsk. Leider braucht der Countertenor eine Weile, bis er in die Oper findet. Zu Beginn des ersten und zu Beginn des zweiten Aktes wackelt er in der Stimme deutlich. Doch zum guten Ende nimmt ihn Anna Dennis in der Rolle seiner Gattin an die Hände und beide zaubern ein atemberaubendes Duett in die Stadthalle.

Feuerwerk an Koloraturen

Überhaupt ist Anna Dennis wieder einmal eine verlässliche Größe bei den Göttinger Händel-Festspielen. Ihre Weltklasse ist an diesem Abend die Basis für eine beeindruckende Leistung und eben jenes Feuerwerks an Koloraturen.

Der andere Pol in dieser szenischen Aufführung ist Helena Rasker in der Rolle des Silla-Kontrahenten Claudio. Ohne Frage hat die Altistin genug Volumen für Männerrollen und auch genug Dynamik. Sie kann die Wut und den Zorn des enttäuschten Weggefährten beeindruckend vermitteln und wird zum Schluss mit einem Beifallssturm belohnt.

Doch die Stärke dieser Oper ist die Ausgeglichenheit der Sänger. Oberlinger hat nicht nur ein glückliches Händchen bei der Besetzung, sondern wohl auch klare Vorstellungen von einem gelungenen Gesamtbild. Das Publikum konnte sie damit überzeugen.