Braunschweig. Eine Podiumsrunde bringt kaum Neuigkeiten zum Großprojekt, aber interessante Randaspekte und Einblick in Erfahrungen der Stadt Dortmund.

Wie kann ein Haus der Musik in Braunschweig Wirkung entfalten? Wie wird es die Innenstadt und das kulturelle Leben der Stadt verändern? Um derartige Fragen rankte sich am Mittwochnachmittag eine Podiumsdiskussion im Altstadtrathaus, zu der die Stadt eingeladen hatte. Die Gesprächsrunde in der etwa halb gefüllten Dornse sollte die Debatte um das geplante Großprojekt bereichern, das im ehemaligen Karstadt-Einrichtungshaus eine Heimat finden soll. Wenn sich die Pläne realisieren lassen, könnten in dem Gebäude die bisher notdürftig über die Stadt verteilte Städtische Musikschule und das Staatsorchester sowie ein Konzertsaal mit rund 1200 Plätzen unterkommen.

Wie ausführlich berichtet, hatte die Stadtverwaltung im Januar überraschend bekanntgegeben, dass eine Kooperation mit dem Braunschweiger Unternehmer und Immobilienbesitzer Friedrich Knapp („New Yorker“) geplant ist. Einer Grundsatzvereinbarung hat der Verwaltungsausschuss des Rates bereits zugestimmt. Demnach will die Stadt das Grundstück von Knapp erwerben und gemeinsam mit ihm eine Stiftung gründen, die den Gebäudekomplex umbaut. Oder abreißt? Auch diese Möglichkeit wurde am Mittwoch nicht ausgeschlossen.

Oberbürgermeister Thorsten Kornblum: Genaue Informationen bis Jahresende

Oberbürgermeister Thorsten Kornblum (SPD) erklärte: „Wir haben eine Arbeitsgemeinschaft mit Herrn Knapp ins Leben gerufen. Es müssen noch einige stiftungsrechtliche und bauliche Fragen geklärt werden. Wir gehen davon aus, dass wir bis zum Ende des Jahres die Öffentlichkeit informieren können.“ Im städtischen Haushalt würden zudem die Voraussetzungen für den Erwerb des Grundstücks geschaffen. Mehr Details nannte Kornblum nicht. Offen blieb etwa, ob das Gebäude überhaupt für einen entsprechenden Umbau geeignet ist oder ob Abriss und Neubau zweckmäßiger wären.

Keinen Zweifel aber ließ der Oberbürgermeister daran, wie wichtig er die Umsetzung des Projekts für die die Zukunft der Stadt findet. Die Vorteile: Belebung der Innenstadt, innovative Nutzung eines großen Leerstands, endlich eine angemessene Heimstatt für die bisher versprengt untergebrachte Städtische Musikschule, kombiniert mit einem attraktiven Konzertsaal vor allem, aber nicht nur für die Klassik und das Staatsorchester. Kurzum: Das Haus der Musik werde ein neuer kultureller Magnet und ein „Nachwuchsleistungszentrum für Musik“, wie Kornblum pointierte.

OB Kornblum: Wir wollen im Konzert der Großstädte mithalten

Seine Aufgabe als OB sei es auch, Braunschweig für die Zukunft gut aufzustellen. „Andere Kommunen schlafen nicht. Wir wollen auch künftig im Konzert der Großstädte mithalten und Menschen einladen, zu uns zu kommen.“ Parkplätze gebe es übrigens auch in der Innenstadt genug. Kornblum sprach von 3000 Plätzen, die vor allem in den umliegenden Parkhäusern zur Verfügung stünden. Stadtbaurat Heinz-Georg Leuer kündigte an, dass etwa das Parkhaus Eiermarkt bald 24 Stunden täglich geöffnet haben werde. Hoffnungen, dass das Haus der Musik schnell umgesetzt werden kann, dämpfte der Oberbürgermeister allerdings. „Ich gehe davon aus, dass wir die Eröffnung bis zum 1000-jährigen Stadtjubiläum im Jahr 2031 feiern können.“

Moderator Prof. Oliver Scheytt von der Kulturexperten GmbH aus Essen brachte Günther Graf von der Schulenburg ins Spiel, der bis 2023 das Klassik-Festival Soli Deo Gloria in der Region veranstaltet hatte. Von der Schulenburg zeigte sich voller Enthusiasmus für die Pläne eines Musikhauses. „Das Projekt ist ein absoluter Glücksfall, wenn es gut umgesetzt wird.“ Als Klassik-Veranstalter hätte er sich so einen Saal immer gewünscht. Die Braunschweiger Stadthalle dagegen sei für bestimmte Konzertformate nur bedingt geeignet, sagte er. Sie habe zwar eine gute Akustik, aber kein ansteigendes Parkett, und die Distanz zu den Künstlerinnen und Künstlern auf der Bühne sei groß.

Karin Allgeier vom Staatsorchester: Es soll ein offenes Haus sein

Für den Vorstand des Staatsorchesters sprach die Violinistin Karin Allgeier. Ihr ging es vor allem darum, mit dem Haus der Musik mehr Nähe zum Publikum zu schaffen. „Der Standort in der Innenstadt bietet große Chancen für neue Formate wie Feierabendkonzerte und öffentliche Proben. Es soll ein offenes Haus sein, ein Ort der Begegnung auch mit Gastronomie, der den ganzen Tag über belebt wird: von uns, den Musikschülern und dem Publikum.“ So könnten auch Menschen erreicht werden, die bislang keine Konzertbesucher seien. Und die Nähe und der Kontakt zu den Orchestermusikern könne für Musikschüler sehr bereichernd sein: „Junge Menschen zehren lange davon.“ Ein besonderes Erlebnis könnten auch die gelegentlichen Auftritte in dem großen Konzertsaal sein.“ Würde ein wirklich attraktiver, akustisch optimaler Saal geschaffen, könne sich auch das Staatsorchester klanglich noch weiterentwickeln.

Michael Schacke, Geschäftsführer der Konzertagentur Undercover, brachte neben der Klassik auch die Pop-Musik ins Spiel, etwa halbakustische Unplugged-Konzerte. Auch für sie sollte der Konzertsaal gut geeignet sein; er würde mit seinen geplanten 1200 Plätzen auch eine Lücke im Angebot schließen. „Manche Künstler bekommen wir nicht nach Braunschweig, weil die benötigte Saalgröße nicht zur Verfügung steht.“ Schacke betonte, dass Live-Musik seit 30 Jahren ein wachsender Markt sei: „Je digitaler die Welt wird, umso mehr wünschen sich die Menschen Begegnungen und Erlebnisse, wie sie sie bei Konzerten finden können.“

Raphael Graf von und zu Hoensbroech: Selbstbestätigung im Fußball reicht nicht

Raphael Graf von und zu Hoensbroech, Intendant und Geschäftsführer der Konzerthaus Dortmund GmbH, hielt ein flammendes Plädoyer auf die Chancen, die ein Konzerthaus einer Stadt biete. „Als in Dortmund das Kohle-Stahl-Revier am Ende war, hat man lange über eine neue Identität für die Stadt diskutiert. Sie hat Selbstbestätigung im Fußball gefunden. Aber das allein reicht nicht.“ Attraktive kulturelle Angebote seien genauso wichtig im Wettbewerb der Städte um Arbeitnehmer, Führungskräfte und deren Familien. Die äußere Anmutung und das Umfeld seien beim Bau eines Konzerthauses keine entscheidenden Faktoren. In Dortmund liege es in einem sozial eher schwächeren Viertel. „Das Innere muss stimmen; wir haben den Fokus auf die Akustik gelegt.“

Dortmund gehöre heute zu den vier Konzertsälen in Deutschland, die in der „europäischen Champions-League“ spielten. Deshalb gelinge es auch, hochkarätige Künstler und Orchester nach Dortmund zu holen. „Ihnen ist besonders die Akustik wichtig.“ Aber auch die Begeisterungsfähigkeit der Menschen, die die Musiker anders als das „saturierte Publikum“ in den Metropolen würdigten, komme gut an.

Konzerthaus Dortmund: „Ein Magnet für das Umfeld“

Das Konzerthaus sei ein Magnet auch für das Umfeld. „65 Prozent der Besucher kommen von außerhalb zu uns.“ Übrigens biete man ein breit gefächertes Programm. Es gebe beispielsweise auch ein Pop-Abo für Singer-Songwriter. Auch ambitionierte Laienchöre oder Orchester seien willkommen, wenn die Qualität stimme. „Wir sind so etwas wie das Wohnzimmer der Stadt“. Natürlich arbeite das Konzerthaus nicht kostendeckend, sagte von und zu Hoensbroech auf Nachfrage. Aber die Betriebskosten würden durch die Aufwertung der Stadt und die Magnetwirkung auf das Umland mehr als aufgewogen.

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