Braunschweig. Die BIBS und weitere Klimaaktivisten kritisieren Tui, das Reisebüro Schmidt und die mehr als 160 Fluggäste: „Flugsause“ und „Klimakiller“.

Kurz nach 8 Uhr am Dienstagmorgen ist der Tui-Ferienflieger Boeing 737-8 am Flughafen Braunschweig-Wolfsburg abgehoben. Sein Ziel: Neapel in Italien. Zweck der eintägigen Reise: Die Taufe des Flugzeuges auf den Namen „Neapel“ mit ausgewählten Paten und Taufgästen. An Bord mehr als 160 Passagiere, auf die laut dem Reiseveranstalter „Der Schmidt“ außerdem ein Mittagessen in einem „einzigartigen Palazzo am Meer“, ein Stadtrundgang und ein touristisches Rahmenprogramm warteten. Der Rückflug nach Braunschweig sollte gegen 18.30 Uhr erfolgen. Das Ganze zum Sonderpreis von 499 Euro. Ein besonderes Erlebnis, wie es heißt, das der engen Zusammenarbeit von Schmidt mit dem weltweit größten Reisekonzern, der Tui, Ausdruck verleihen soll.

Aus Sicht der BIBS (Bürgerinitiative Braunschweig) und weiterer Klimaaktivistinnen und -aktivisten handelt es sich dabei um eine klimaschädliche „Flugsause“. Rund 40 Menschen haben daher vor dem Start des Fliegers am Flughafen demonstriert. Schon im Vorfeld hatte die BIBS erklärt: „Der Luftverkehr in Deutschland machte 2022 lediglich etwa 4,6 Prozent des Personenverkehrs in Deutschland aus, war aber zu 16 Prozent an den CO2-Emissionen beteiligt. CO2-Emissionen sind die Haupttreiber der sich anbahnenden Klimakatastrophe. CO2-Emissionen zu vermeiden, wo es nur geht, ist der Schlüssel dazu, noch das Schlimmste zu verhüten. Diese Botschaft prallt an Tui und Schmidt offenbar ab: Leugnen oder Verschlimmern? Die Verursacher schweigen sich aus.“

BIBS: Flugtourismus durch Bus- und Bahnreisen ersetzen

Auf der Demo sagte die Klimaaktivistin Maria Heß: „Es ist unerträglich, es ist unverständlich, dass es Menschen gibt, die für ihr Vergnügen nach Neapel fliegen, ohne auch nur ein wenig Skrupel zu empfinden.“ Jedes Jahr gebe es mehr Naturkatastrophen, und in Ländern wie Pakistan müssten immer mehr Menschen ums Überleben kämpfen. „Wir könnten die Lebensgrundlagen erhalten, wenn wir zusammenhalten würden“, appellierte sie.

Peter Rosenbaum (BIBS) forderte auf dem Lilienthalplatz: „Schluss mit dieser unsinnigen Rumfliegerei!“
Peter Rosenbaum (BIBS) forderte auf dem Lilienthalplatz: „Schluss mit dieser unsinnigen Rumfliegerei!“ © regios24 | Stefan Lohmann

Peter Rosenbaum forderte: „Schluss mit dieser unsinnigen Rumfliegerei!“ Die Stadt Braunschweig müsse sich deutlich positionieren, sagte er, und als Miteigentümerin auch beim Flughafen ihrer Klimaverantwortung gerecht werden. Der Flugtourismus ab Braunschweig sollte laut der BIBS im Wesentlichen durch Bus- und Bahnreisen ersetzt werden. Anders lasse sich das Ziel der Klimaneutralität ab 2030 nicht erreichen.

Edmund Schultz sagte: „Was hier heute passiert, ist nur die Spitze des Eisbergs. Ein Spaßflug an einem Tag nach Neapel und zurück – das geht gar nicht.“

Braunschweiger Klimaktivist: Aus Spaß irgendwohin zu fliegen, müsste verboten sein

Axel Hake, als Eisbär verkleidet, mahnte die Fluggäste, die bereits im Flughafengebäude auf den Start warteten: „Ihr vernichtet nicht nur eure Lebensgrundlagen, sondern die Lebensgrundlagen von uns allen, die darauf angewiesen sind, natürliche Biotope zu haben. Wir können nicht einfach so umziehen. Mir schmilzt gerade das Eis unter dem Arsch weg, ich ertrinke dann. Ganz viele von meiner Art sind schon gestorben. Wir sind die Ersten, die sterben, aber ihr werdet die Nächsten sein. Aus Spaß irgendwohin zu fliegen, das müsste im Jahr 2023 verboten sein.“

Das Verhalten der Menschen sei beschämend, so Hake. „Das darf nicht mehr sein, dass für die Profitinteressen und den Luxus von wenigen Menschen so viele Menschen und auch wir Tiere leiden müssen und sterben müssen. Alle, die hier heute fliegen, sind Sünder an der Zukunft, Sünder am Leben von uns Tieren und von uns Menschen.“

Die Polizei war angesichts der Demo mit etlichen Einsatzkräften am Flughafen Braunschweig-Wolfsburg. Alles verlief entspannt und ohne Vorfälle.
Die Polizei war angesichts der Demo mit etlichen Einsatzkräften am Flughafen Braunschweig-Wolfsburg. Alles verlief entspannt und ohne Vorfälle. © regios24 | Stefan Lohmann

Reiseunternehmen Schmidt: Mit dem Erlös pflanzen wir 1000 Bäume im Harz

Für den Flughafen war der Sonderflug laut Pressesprecher Ernst-Johann Zauner „business as usual“. Auch Tui und das Wolfenbütteler Reiseunternehmen Schmidt konnten die Aufregung im Vorfeld nicht nachvollziehen. Philipp Cantauw, Geschäftsführer von „Der Schmidt“, sagte auf Anfrage unserer Zeitung, es handele sich bei einem Sonderflug wie diesem um einen Vorgang, der ständig in Europa vorkomme.

Er wies darauf hin, dass der Flug stets als Dankeschön an den Braunschweiger Flughafen gedacht und als „non profit“ geplant gewesen sei. Das Dankeschön bezieht sich auf die Einsatzbereitschaft im März dieses Jahres, als die Gewerkschaft Verdi mit Warnstreiks unter anderem die Flughäfen Hannover und Hamburg lahmgelegt hatte. Tui hatte daraufhin kurzfristig Flüge umgeleitet und sie von Braunschweig aus nach Fuerteventura, Kap Verde oder Gran Canaria geschickt.

Cantauw erläuterte weiter, dass die Auslastung des Fliegers sehr gut sei und deutlich über der Prognose liege. „Das hat zur Folge, dass doch eine kleine Marge erzielt wurde. Da wir keinen Gewinn damit erzielen möchten, fließt dieser Betrag in das Projekt ,Zeitungswald‘ der Braunschweiger Zeitung und wir pflanzen mit den Erlösen 1000 Bäume im Harz!“ Er verwies darauf, dass alle Flüge am europäischen Emissionshandel zur Kompensation teilnehmen. „Mit dieser Maßnahme versuchen wir einen zusätzlichen Beitrag für ein tatsächlich regionales Klimaschutzprojekt zu leisten.“