Braunschweig. Leser kritisieren das, die Grüne Jugend fragt nach der Sinnhaftigkeit. Tui, Schmidt und Flughafen sind von der Klima-Kritik überrascht.

Der Klimawandel scheint unterschiedlich präsent zu sein in den Köpfen. Zwei Leser machten uns darauf aufmerksam, dass das Wolfenbütteler Reiseunternehmen „Der Schmidt“ am 31. Oktober (Reformationstag) einen „Sonderflug“ anbietet – für 499 Euro geht es mit dem Tui-Flieger Boeing 737-8 ab dem Flughafen Braunschweig-Wolfsburg nach Neapel, um dort das Flugzeug zu taufen und sich später in einem Castello Ca­na­pés und Cocktails gemeinsam mit neapoletanischen Amtsträgern zu gönnen. Morgens hin, abends zurück, Flugzeit jeweils rund 2 Stunden.

Ein Leser fragte angesichts der CO2-Emissionen: „Wie weit geht da der Spaß?“. Die linke Tageszeitung „Taz“ entdeckte das Thema ebenfalls und dichtete gleich in der Überschrift „Bescheuerte CO2-Keule“. In der Unterzeile steht: „Einfach alles daran ist dämlich.“ Sehen aber offenbar nicht alle so: Nach Angaben von „Der Schmidt“ vom Montag sind 160 von 189 Plätzen bereits gebucht. „Das ist extrem gut“, freut sich Philipp Cantauw. Der Geschäftsführer gibt aber zu, das Thema in klimapolitisch aufgeheizten Zeiten unterschätzt zu haben.

„Dankeschön“ fürs Aushelfen beim Riesenstreik in Osterferien

Cantauw verweist auch auf die Tui. Der Hannoveraner Reisekonzern, mit dem Braunschweiger Sebastian Ebel an der Spitze, lasse diesen besonderen Taufflug als eine Art „Dankeschön“ am Flughafen in Braunschweig starten, „Der Schmidt“ biete als Experte für Italien-Reisen nur das touristische Rahmenprogramm dazu an. Man kooperiere hier mit Tui, weil man eng miteinander verbunden sei, besonders wirtschaftlich sei die Aktion für „Der Schmidt“ nicht, sagt Cantauw. Braunschweiger Persönlichkeiten seien für den Taufflug übrigens auch angefragt.

Tui bestätigt die Dankes-Geste, ein Sprecher betont, die Aktion sei wirklich nur einmalig. Das Dankeschön bezieht sich auf das Frühjahr dieses Jahres: Ende März ging an den Flughäfen Hannover und Hamburg so gut wie nichts mehr, weil die Gewerkschaft Verdi die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes zum Warnstreik aufgerufen hatte. So mancher mag sich erinnern: Auch der öffentliche Nahverkehr sowie der Fernreiseverkehr der Deutschen Bahn waren lahmgelegt. Tui lenkte kurzfristig Flüge auf den kleinen Verkehrsflughafen in Braunschweig-Waggum um und schickte seine Ferienflieger zum Beginn der Osterferien von dort nach Fuerteventura, Kap Verde oder Gran Canaria. In Braunschweig wurde nicht gestreikt, im Gegenteil: Wirklich jede und jeder Mitarbeitende war im Einsatz, um die Abfertigung der Passagiere und den Start der Maschinen zu gewährleisten. Dafür nun also das „Dankeschön“.

Grüne Jugend reagiert milde

Ob diese von Tui offenbar gut gemeinte Tat dem Flughafen und dem Wolfenbütteler Veranstalter „Der Schmidt“ nicht eher ein Ei ins Nest legt, ist die Frage. Kritik müssen sie sich nun jedenfalls gefallen lassen, hatten sie vorher aber offenbar so gar nicht geahnt. „Der Schmidt“ hat offenbar auch gleich die Internetseite vom Netz genommen, die das Angebot bewarb. „Oh je, diese Seite wurde nicht gefunden!“ steht dort seit Dienstag. Ein Tui-Sprecher vermutet, dass das wohl an der guten Buchungslage liege – vielleicht will „Der Schmidt“ aber auch einfach keine weitere Angriffsfläche bieten.

Dabei ist die Grüne Jugend aus Braunschweig, die zuletzt durch scharfe Kritik an Privatjetflügen vom Flughafen Braunschweig-Wolfsburg und Protesten dagegen auffiel, erstaunlich milde. Ihr Sprecher, David Christner, erklärte auf Anfrage: „Natürlich kann man in Frage stellen, ob dieses Reiseangebot sinnvoll ist. Jedoch dürfen wir nicht das Gesamtbild aus den Augen verlieren.“ Und das Gesamtbild bildet für Christner weiterhin die Privatjetflotte von Volkswagen, „die insbesondere vom Flughafen Braunschweig-Wolfsburg aus agiert“. Sie habe im Vergleich im vergangenen Jahr mehr als das 150-fache an klimaschädlichen Emissionen in die Luft gestoßen. Die Grüne Jugend plädiert dafür, Privatjetflüge am Flughafen zu verbieten. Angesichts auch von Extremwetterereignissen in Braunschweig sollten „wir“ „uns“ diesen Flughafen mit Schwerpunkt Privatjetflug nicht leisten.

Für den Flughafen Braunschweig-Wolfsburg, dessen Aufsichtsratschef sich zuletzt schon für einen etwas unglücklich formulierten Wunsch nach mehr Fluggästen zum Mittagessen rechtfertigen musste, erklärt ein Sprecher auf Anfrage unserer Zeitung, die Taufe des Flugzeugs auf den Namen „Neapel“ hätte so oder so stattgefunden, ob nun von Braunschweig oder einem anderem Start- und Landeflughafen aus. Und weil der Flughafen nun einmal auch eine Betriebspflicht hätte, müsse er den von Tui angemeldeten Flug quasi abfertigen. Aber der Flughafen räumt auch ein: „Aus betriebswirtschaftlicher Sicht sind die Einnahmen aus Lande- und Abfertigungsgebühren sowie eventuell auch aus Einnahmen wegen des Tankens positiv zu sehen.“ An Start- und Lande-, sowie Lärm- und Emissionsgebühren kommen rund 2700 Euro für den Flughafen zusammen, hinzu kommen Servicegebühren für Check-In und pro Passagier und womöglich Provisionen, falls der Flieger in Braunschweig auch tankt.

Tui erklärt, normalerweise Taufen von Flugzeugen auf ihren regulären Umläufen vorzunehmen. Es habe auch schon „Die Höhle der Löwen“- Investorin Dagmar Wöhrl auf Mallorca ein Flugzeug auf „Mallorca“ getauft, auch „Ibiza“ sei als Flugzeugname beispielsweise schon vergeben. So richtig eingehen will der Riesen-Konzern aber nicht darauf, ob er Kritik an dem Tagesflug nachvollziehen kann. Ein Tui-Sprecher erklärte stattdessen, er sei gerne bereit, mit den Lesern, die sich gemeldet hätten, direkt zu sprechen. Also lieber ein Vier-Augen-Gespräch als die öffentliche Bühne. Ein heißes Eisen, der Klimawandel. Tui will sich offenbar nicht die Finger verbrennen.