Braunschweig. Das kleine Unternehmen muss sich im Ringen um Fachkräfte mit den großen Arbeitgebern in unserer Region messen. Ein anspruchsvoller Spagat.

Viertage-Woche, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie (Work-Life-Balance), New Work sind Schlagworte, die in der Diskussion um den Mangel an Fachkräften stetig an Bedeutung gewinnen. Einerseits, weil sie die gestiegenen Ansprüche der Arbeitnehmer an ihren Arbeitgeber spiegeln, andererseits, weil Unternehmen mit diesen Attributen um die Gunst der Fachkräfte buhlen. Allerdings sind die Kräfte in den Unternehmen sehr ungleich verteilt. Während große Betriebe mit Industrielöhnen und professionellen Personalabteilungen, die entsprechende Programme auflegen, punkten können, müssen kleine Betriebe diese Aufgaben im laufenden Betrieb auf die ohnehin wenigen Schultern verteilen – bei gleicher Herausforderung. Ein Spagat, wie auch Deniz Demirci berichtet.

Der 33-Jährige Braunschweiger ist gemeinsam mit Timo Dutko (36) geschäftsführender Gesellschafter des vor elf Jahren gegründeten Unternehmens Novanox. Zwölf Beschäftigte gehören nach seinen Angaben zum Betrieb. Das Unternehmen ist unter anderem spezialisiert auf Schlauchtechnik für Brennstoffzellen, Kühlwasser und Ladeluft sowie auf Tanktechnik für Ultraleicht-Hubschrauber.

Online-Handel spielt wichtige Rolle

Nach Angaben Demircis werden diese Komponenten in Absprache mit den Kunden von Novonax entwickelt und konstruiert, die Fertigung erfolge bei externen Partnern. Daneben vertreibt das Unternehmen noch Standardprodukte als Lagerware. Dabei spielt der Online-Handel eine zentrale Rolle. Die Kunden kommen unter anderem aus dem Maschinen-, Anlagen- und Fahrzeugbau. Den Jahresumsatz beziffert Demirci auf zuletzt eine Million Euro.

Um die Beschäftigten ans Unternehmen zu binden, setzt Demirci nach eigenen Angaben auf flache Hierarchien und schon früh im Berufsleben auf eine hohes Maß an Eigenverantwortung. Seine Mitarbeiter seien aufgefordert, eigene Ideen zu entwickeln und umzusetzen. Ein weitere Stärke sei das familiäre Klima, zudem gibt es einen Fitnessraum im Firmengebäude.

Beschäftigte werden selbstbewusster

Dennoch habe es das Unternehmen nicht leicht, freie Stellen zu besetzen. Zumal Novanox keine Einkommen bieten könne wie Großkonzerne. „Die Leute werden selbstbewusster und anspruchsvoller und wissen um den Fachkräftemangel“, sagt Demirci. Würden Beschäftigte mit höheren Einkommen geködert, seien sie schnell weg.

Der Novonax-Chef kann diese Entscheidung zwar nachvollziehen, trotzdem schmerzt ein Abgang, wenn Mitarbeiter zuvor aufgebaut und eingearbeitet wurden. Die eigene Ausbildung soll die Lücke schließen helfen. Zudem engagiert sich Demirci nach eigenen Angaben bei der Industrie- und Handelskammer Braunschweig in der Aus- und Weiterbildung.

Eingesetzt wird Künstliche Intelligenz

Sein Spezialgebiet ist das Projekt Valikom. Darin können Berufstätige ohne Berufsabschluss ihre Kenntnisse und Fähigkeiten bewerten lassen. Bestehen sie die Prüfung, erhalten sie ein Zertifikat, das ihr Know-how bescheinigt. Valikom ist also ein Baustein, um die in vielen Unternehmen immer spürbarer werdende Fachkräftelücke zu schließen. Ein weiterer sei der Einsatz von Künstlicher Intelligenz, die auch Novanox verwende.

Zwar würde er seinen Leuten gerne mehr zahlen, doch gebe das der Markt nicht her, sagt Demirci. Unter anderem Preisdruck, steigende Material- und Energiepreise, steigende Zinsen sowie eine als Corona-Folge aufwendigere Lagerhaltung, die viel Kapital binde, seien limitierende Faktoren. „Das alles zusammen ist eine riesige Herausforderung“, sagt er.

Mitarbeiter wollten Viertage-Woche

Daher wolle er den Beschäftigten mit anderen Vorteilen entgegenkommen. So habe er nun den Wunsch aus der Belegschaft nach einer Viertage-Woche aufgegriffen. Die werde seit September für einzelne Beschäftigte testweise angeboten – bei vollem Gehalt und voller Stundenzahl. Wenn es die Auftragslage erfordere, könne das Modell aber auf eine Fünftage-Woche zurückgedreht werden.

Demicri setzt dabei auf eine weitere Stärke seines Unternehmens, den fortlaufenden Dialog mit seiner Belegschaft, wie er sagt. „Beide Seiten müssen Verständnis füreinander entwickeln, das ist die beste Voraussetzung, Lösungen zu finden“, sagt er. „Es geht darum, das richtige Gleichgewicht zu finden.“