Berlin. Neue Zahlen zeigen: Immer mehr Wohnungen werden möbliert vermietet. Das Bauministerium will eingreifen. Das sind die Folgen für Mieter.

Eine Wohnung in Berlin: 70 Quadratmeter, 3.500 Euro. 55 Quadratmeter in Hamburg: 2000 Euro. Knapp 80 Quadratmeter in München: 3000 Euro. Kalt. Es sind drei aktuelle Beispiele von Immobilienplattportalen. Sie alle eint: Es sind Wohnungen, die möbliert angeboten werden. Und für die stolze Preise aufgerufen werden. Solche Angebote finden Wohnungssuchende zuletzt immer häufiger.

Teure Wohnungen auf der einen, ein Mangel an bezahlbaren Wohnungen auf der anderen Seite: Rund 700.000 bezahlbare Wohnungen fehlen hierzulande, hat jüngst das Pestel-Institut errechnet. Die Wohnungsnot dürfte sich weiter verschärfen. Denn die Bevölkerungszahl hierzulande wächst. Allein rund eine Million Geflüchtete aus der Ukraine kamen in den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres nach Deutschland. Um dem demografischen Wandel zu begegnen, will die Ampel-Koalition mehr Fachkräfte aus dem Ausland gewinnen. Gleichzeitig aber ist der Neubau eingebrochen, das Ziel der Ampel-Koalition von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr vorerst ad acta gelegt.

Wohnen: Ausnahmen von der Mietpreisbremse sorgen für steigende Preise

Um das Wohnen in den Städten trotzdem bezahlbar zu halten, hat der Bund einen ganzen Instrumentenkasten im Mietrecht geschaffen. Die Mietpreisbremse zum Beispiel. Wird eine Wohnung wiedervermietet, darf sie höchstens zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Mieter im Bestand werden von der Kappungsgrenze geschützt. Hier gilt: Erhöht werden darf nur bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete. Oder – falls die Miete deutlich darunter liegt – um maximal 15 Prozent binnen drei Jahren.

Allerdings gibt es zahlreiche Ausnahmen und Schlupflöcher, um diese Vorgaben zu umgehen. Die derzeit politisch umstrittenen Indexmietverträge fallen beispielsweise nicht unter die Mietpreisbremse und Kappungsgrenze. Und möblierte Wohnungen bewegen sich in in der Praxis in einem Graubereich.

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Zahl der möblierten Wohnungen ist zuletzt deutlich gestiegen

Entsprechend attraktiv sind sie für Vermieter, wenn eine höhere Rendite mit der eigenen Wohnung am Wohnungsmarkt erzielt werden soll. Aktuelle Zahlen des Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Auftrag des Bundesbauministeriums zeigen nun: Die Zahl der möbliert angebotenen Wohnungen steigt rasant an. Waren 2009 und 2014 noch jeweils konstant rund 3,5 Prozent aller auf Immobilienportalen oder auf den Portalen von Zeitungen inserierten Wohnungen möbliert, seien es 2021 schon rund 13 Prozent gewesen. Pro Jahr macht das 114.000 möblierte Wohnungen, die angeboten werden. Die Auswertung liegt unserer Redaktion exklusiv vor.

Vor allem in Metropolen mit angespannten Wohnungsmärkten sind möblierte Wohnungen demnach ein beliebtes Mittel der Wahl: In Hamburg, München und Stuttgart etwa werde laut BBSR fast jede dritte angebotene Wohnung möbliert angeboten. Das hat Folgen. Kostet auf dem Land eine möblierte Wohnung im Mittel ein Drittel mehr als eine unmöblierte Wohnung, so sind es in den Großstädten mit mehr als einer halben Million Einwohnern fast 80 Prozent Aufschlag. 19,90 Euro werden pro Quadratmeter im Mittel in diesen Städten aufgerufen – eine Miete, die sich viele nicht leisten können.

Möblierte Wohnungen fallen unter die Mietpreisbremse: Aber es gibt zwei Haken

Für den Zuwachs nennen die Wohnungsmarktforscher mehrere Gründe. Zum einen seien möblierte Wohnungen für Geschäftsleute, Handwerker oder Monteure eine Alternative zum Hotel. Auch ein möglicher Zusammenhang mit der gesteigerten Anzahl von befristeten Arbeitsverträgen wird genannt.

Aber eben auch: der Versuch, die Regulatorik zu umgehen. Zwar sind auch möblierte Wohnungen nicht explizit von der Mietpreisbremse ausgenommen. In der Praxis sorgen aber zwei Besonderheiten dafür, dass oft eine höhere Miete durchgesetzt werden kann: Zum einen gilt die Mietpreisbremse nicht, wenn die Wohnung nur zum „vorübergehenden Gebrauch“, also zeitlich befristet, vermietet wird. Zum anderen setzt sich die Wohnungsmiete neben der Nettokaltmiete und den Nebenkosten aus einem Möblierungszuschlag zusammen. Für dessen Ausgestaltung gibt es keine einheitliche Regelung. Im Mietvertrag muss der Zuschlag nicht separat ausgewiesen werden. Für Mieter ist er damit kaum nachzuvollziehen. Entsprechend schwierig ist es für Mieter zu überprüfen, ob die Mietpreisbremse eingehalten wird.

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Bauministerium sieht Handlungsbedarf

Beim Bundesbauministerium sieht man die Entwicklung mit Sorge. „Möblierte Wohnungen entwickeln sich insbesondere in Großstädten zu einem echten Preistreiber“, sagte die Parlamentarische Staatssekretärin Cansel Kiziltepe (SPD) unserer Redaktion.

Die Zuschläge für das Mobiliar seien intransparent, die Tatsache, dass eine zeitlich befristete Vermietung nicht unter die Mietpreisbremse falle, problematisch. „Hier sehen wir Handlungsbedarf, um den Mieterschutz zu stärken“, sagte Kiziltepe. Kosten für die Möblierung könnten gesondert ausgewiesen und begrenzt werden, schlug die SPD-Politikerin vor.

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Mieterbund fordert Reform der Mietpreisbremse

Beim Deutschen Mieterbund hört man diese Forderung gerne. Präsident Lukas Siebenkotten geht aber noch weiter. Im Zuge der geplanten Verlängerung der Mietpreisbremse müsse man diese überarbeiten und „vom Kopf auf die Füße stellen“, sagte Siebenkotten im Gespräch mit unserer Redaktion. „Die Ausnahmen sollten nur noch für Neubauten gelten.“

Anders sieht man das beim Eigentümerverband Haus und Grund. „Vermieter haben sich in den letzten Jahren an die veränderte Arbeitswelt angepasst“, sagte Haus und Grund-Präsident Kai H. Warnecke unsere Redaktion. „Immer mehr Menschen wollen eine Wohnung kurzfristig, möbliert und nur für eine bestimmte Zeit mieten, weil sie mobiler leben und arbeiten wollen. Dieser Trend sollte politisch nicht skandalisiert, sondern als neue Realität erkannt werden“, so Warnecke.