Berlin. Aldi nimmt für dünne Tüten künftig einen Cent. Das ist immerhin ein Anfang. Das Müllthema wird größer – und gehört an die Schulen.
Nur wenigen Verbrauchern ist ihre Macht bewusst, die sie Tag für Tag durch ihre Kaufentscheidungen ausüben. Mit dem, was sie in den Einkaufswagen legen, beeinflussen sie das Warenangebot des Supermarktes. Weil Kunden stärker darauf achten, dass ihre Produkte umwelt- und sozialverträglich produziert werden, haben biologische Lebensmittel den Sprung von Naturkostläden in die Discounter geschafft. Das Thema Plastik aber zeigt, wie schwer es Verbrauchern und dem Handel fällt, wider alle Vernunft Gewohnheiten aufzugeben.
Denn die Wahrheit ist: Zwar nimmt der Verbrauch der kostenpflichtigen Plastiktüten ab, doch die kleinen, dünnen Hemdchenbeutel sind nach wie vor weitverbreitet. Aldi verlangt nun einen Cent für das Tütchen – eine gute Entscheidung des Discounter-Riesen.
Denn die Milliarden dieser Ex-und-hopp-Verpackungen, die in Deutschland jährlich anfallen, tragen zu einem erheblichen Teil zu den Schäden bei, die Plastik in der Natur und den Flüssen anrichtet. Dort nämlich landen die Reste dieser Tüten, wenn sie nicht fachgerecht entsorgt werden.
Streng genommen sind die Beutelchen nicht einmal eine Tüte. Laut EU-Regularien sind sie kostenfreies Verpackungsmaterial aus Plastik, die der Händler für den Transport von Obst, Gemüse und anderen Frischwaren kostenfrei zur Verfügung stellt. Genau das ist das Problem.
Wer schon einmal versucht hat, druckempfindliche Früchte wie etwa Beeren zu wiegen und heil nach Hause zu transportieren, der weiß, wie hilfreich diese Tütchen sein können. Bequem halt, sauber und obendrein kostenlos. Dumm nur, dass die Öko-Bilanz eine Katastrophe ist.
Symbolischer Cent ist immerhin ein Anfang
Ganz so einfach aber ist die Sache mit den Ökobilanzen von Plastiktüten und deren Alternativen nicht. Baumwoll- oder Stoffbeutel sind nicht automatisch umweltfreundlicher, sie werden es erst nach vielfacher Wiederverwendung. Letzteres ist bei Papiertüten schwer, weil sie nicht reißfest sind.
Ohnehin verbrauchen Papiertüten bei ihrer Herstellung viel Energie. Ob sie wirklich ökologischer sind, hängt von den verwendeten Rohstoffen ab – etwa von der Frage, ob Altpapier verwendet wurde.
Drittens sind auch biologisch-abbaubare Tüten nach Ansicht von Umweltexperten nicht die Lösung der Plastik-Probleme. Denn laut Umweltbundesamt ist die Kompostierung der Bio-Beutel sogar der umweltschädlichste aller Entsorgungswege, da er bei seinem Vergehen weder zum Aufbau von Humus beiträgt noch Nährstoffe für Pflanzen freisetzt. Selbst das Verbrennen in Müllheizkraftwerken macht demnach mehr Sinn, denn auf diese Weise wird wenigstens Energie erzeugt.
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Zumindest aber ist es ein Anfang. Denn der symbolische Cent an der Obsttheke erinnert den Verbraucher möglicherweise daran, den Blick auf das Ganze zu richten: Wie können wir den Wegwerfmodus unserer Konsumgewohnheiten zum Besseren verändern? Antworten darauf gibt es einige: Möglichst verpackungsfrei einkaufen, Tüten oder Beutel mehrfach verwenden, Abfall- und Recyclingsysteme verbessern.
Eine Plastiktüte, die wir für Minuten benutzen, braucht im Meer über 400 Jahre, um sich zu zersetzen.
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Unser Plastikproblem hat den letzten Winkel unseres Planeten erreicht und wird viele Generationen nach uns belasten.
Deswegen brauchen wir – wie beim Klimawandel – eine Aufklärung von klein auf. Das Thema muss schnellstmöglich auf die Lehrpläne der Schulen gesetzt werden.