Wolfsburg. Nachdem der FC Bayern München in der Vorsaison Meister wurde, wollen sich die Fußballerinnen des VfL Wolfsburg den Titel zurückholen.
Wenn sie eines nicht leiden können, dann ist es, anderen beim Feiern zuzusehen. Alexandra Popp hatte es im Trainingslager der Fußballerinnen des VfL Wolfsburg angesprochen, wie schwer sie und ihre Teamkolleginnen damit tun, wenn andere und nicht sie selbst ganz vorne stehen. In der Saison 2023/24 aber ist Wolfsburg wieder Jäger, nachdem sich Bayern München die Meisterschaft gesichert hatte – trotz einer perfekten ersten Halbserie der Wolfsburgerinnen.
Diese „Zusatzmotivation“, so Popp, kann der VfL gut gebrauchen nach extrem kurzer Vorbereitung, einer aus deutscher Sicht verkorksten WM und einer zurückliegenden Saison, die mit DFB-Pokalsieg, Vize-Meisterschaft und dem verlorenen Champions-League-Finale erst nach und nach als erfolgreich verbucht werden konnte.

Gerade die 2:3-Niederlage in Eindhoven gegen den FC Barcelona nach 2:0-Führung war alles andere als einfach wegzustecken. Vermutlich auch, weil sie in Wolfsburg genau wissen, dass ein Einzug ins Königsklassen-Endspiel immer schwieriger wird. Durch die verpasste Meisterschaft wartet in diesem Wettbewerb erst noch eine Quali-Runde, um überhaupt in die Gruppenphase einzuziehen. Vor zwei Jahren gegen Girondins Bordeaux wäre das fast schon einmal schiefgegangen. Und in diesem Jahr sind mit Juventus Turin und dem FC Arsenal bereits ein Vorjahres-Viertelfinalist sowie ein Halbfinalist in Runde 1 gescheitert.
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Dass der VfL 2022/23 in allen drei Wettbewerben bis zum Schluss vertreten war, hat zum Teil kaschiert, dass er ein wenig an spielerischer Souveränität verloren hat. Auch Trainer Tommy Stroot bemerkte, dass seine Elf in der Rückserie für seinen Geschmack zu viele Chancen zugelassen hatte, die Gegner sich häufig sehr gut auf das Offensivspiel der Wolfsburgerinnen eingestellt hatten.
Die Vorbereitung mit der gesamten Mannschaft war wegen der WM extrem kurz. Dennoch hat der VfL-Coach an einigen Stellschrauben gedreht. Nach Jill Roords Weggang zu Manchester City hat der Trainer aus der Not eine Tugend gemacht. Im Grunde fehlt den Wolfsburgerinnen jetzt eine klassische Spielmacherin. Der Trainer forciert daher das Spiel über seine zahlreichen pfeilschnellen Außen, hat zudem Alexandra Popp ins Angriffszentrum beordert.
Inwieweit die vornehmlich jungen Neuzugänge den Kader sofort verstärken können, wird sich zeigen. Stürmerin Fenna Kalma, die zentralen Mittelfeldspielerinnen Chantal Hagel und Riola Xhemaili, Außenbahn-Turbo Vivien Endemann oder Innenverteidigerin Camilla Küver, die sich noch im Aufbau befindet, bekommen Zeit, um in Wolfsburg anzukommen. Das Gerüst des Vorjahres steht, außer Roord hat keine Stammspielerin den Klub verlassen.
Sowohl die leichten taktischen Kniffe als auch die Verjüngungskur, die der Kader durch die Neuen erfahren hat, sollen dafür sorgen, dass der VfL vom ersten Tag an mit viel Hunger in die Saison startet. Genauso wie die Tatsache, dass die Nationalspielerinnen nach der WM mal drei Woche die Köpfe frei kriegen durften – so langen Urlaub waren die wenigsten noch gewohnt.
Beim 2:0 im DFB-Pokal bei Turbine Potsdam war noch viel Luft nach oben. Der Bundesliga-Absteiger empfing die Wolfsburgerinnen sehr tief in der eigenen Hälfte, auf dieses Spiel muss sich der VfL aber auch in der Liga immer wieder einstellen. Womöglich schon gegen Bayer Leverkusen am Sonntag (16 Uhr, AOK-Stadion), das einige Stammspielerinnen verloren und einen größeren Umbruch vollzogen hat.
Nachdem gleich drei Rückrunden-Niederlagen dafür gesorgt haben, dass die Stroot-Elf ein Fünf-Punkte-Polster verspielt hat, wissen sie in Wolfsburg, dass es vor allem darum geht, so wenig wie möglich liegen zu lassen. „Ein entscheidender Faktor wird die Konstanz sein über die gesamte Saison hinweg. Egal, wie anstrengend es vorher war“, so Nationalkeeperin Merle Frohms mit Blick auf die hohe Belastung. Was ihr ebenfalls wichtig ist: Bei aller Gier geht es auch darum, „die Siege nicht als selbstverständlich anzusehen.“ Auch ein dreckiges 1:0 gegen ein Kellerkind hat den gleichen Wert wie ein umjubelter Sieg bei den Bayern.

Apropos: Die Bayern haben sich am prominentesten verstärkt, vor allem mit Ex-VfL-Star Pernille Harder und ihrer Lebensgefährtin Magdalena Eriksson vom FC Chelsea. Sie sind Wolfsburgs Hauptkonkurrent im Titelrennen, ob Eintracht Frankfurt ganz oben anklopfen kann, muss sich erst noch zeigen. So oder so: Wieder jemand anderem beim Jubeln zuschauen zu müssen, kommt für Popp und Co. ohnehin nicht infrage.