Nach sieben Stunden war die Ziellinie in Sicht. Die Mitgliederversammlung von Hertha BSC glich am Sonntag einem Marathon. Zu viele offene Fragen. Zu viele Themen, die den Anhang des Berliner Fußball-Bundesligisten bewegten. Und zu denen Präsident Kay Bernstein und seine Kollegen aus der Vereinsführung in der Messe Berlin Rede und Antwort stehen mussten.
Bundesligist Hertha BSC sorgt sich um seine Zukunft
Für Bernstein war es in 322 Tagen als Präsident des Hauptstadtklubs bereits seine zweite Zusammenkunft. „322 Tage, es fühlt sich an wie drei Jahre“, so der 42-Jährige. „In dieser Zeit ist aber auch so viel passiert. Es war eine wilde Reise. Es gab nie ein ruhiges Tagesgeschäft. Wir waren in verschiedenen Krisenstäben unterwegs, mit denen wir die Probleme der Vergangenheit bearbeitet haben.“
Am Sonntag wurde aber noch einmal deutlich, dass Hertha in der Gegenwart mindestens genauso viele Sorgen hat. Und auch die Zukunft hält etliche Unwägbarkeiten bereit.
Die sportliche Misere von Hertha BSC
Pal Dardai war einer der Ersten, die am Sonntag die Bühne betraten. Applaus, Jubelrufe, ein Großteil der 1423 anwesenden Fans stand sogar auf. „Die Momentaufnahme ist nicht schön“, gestand der Cheftrainer. „Aber wir haben noch eine kleine Hoffnung und werden versuchen, in der Liga zu bleiben. Das ist wichtig für den Nachwuchs, für die Fans und für Berlin.“
Der Ungar wirkte dabei beinahe atemlos, enorm emotional. „Es ist wichtig, dass wir zusammenhalten“, forderte der 47-Jährige, auch mit Blick auf das kommende Heimspiel am Samstag gegen Bochum. „Wir schaffen es nur zusammen. Ich bin gern dabei, ich bin ein Herthaner. Jeder wird alles dafür geben, dass wir die drei Punkte zu Hause halten. Gemeinsam!“
Gemeinsam stellten sich auch Sportdirektor Benjamin Weber und Andreas Neuendorf, Direktor Akademie und Lizenzspielerbereich, der Kritik der Mitglieder. „Ich bin mit dem Kader nicht glücklich, den wir haben“, gestand Neuendorf und rechnete mit den Verantwortlichen der Vergangenheit ab. „Wir waren irgendwann normal und sind abgedriftet.“
Hertha BSC: Besorgniserregende Finanzen
Die katastrophalen Zahlen und das dicke Minus (85 Mio. Euro) des Hauptstadtklubs waren keine Neuigkeit. Ebenso wenig wie die Tatsache, dass sich die Berliner dringend konsolidieren müssen, wie es Geschäftsführer Tom Herrich immer wieder betonte. Das Wort „Sanierungsfall“ fiel nicht zum ersten Mal.
„Wir wollen 2025/26 wieder ein ausgeglichenes Betriebsergebnis haben“, erklärte Herrich das Ziel. „Unter anderem sollen die Kaderkosten um 30 Prozent reduziert werden. Jeder Euro wird umgedreht.“ Über acht Millionen Euro an Gehältern im Verwaltungsapparat wurden bereits von der Payroll genommen. Weitere sollen folgen.
Vor allem die Frage, ob die Gefahr da ist, dass Hertha – wie zuletzt berichtet – die Lizenz der Deutschen Fußball-Liga (DFL) nicht erhält, bewegte die Mitglieder. „Sie ist da“, so der Geschäftsführer, „wenn wir die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit nicht nachweisen.“
Hertha BSC hat "250 Millionen Euro verbrannt"
Ein Baustein auf dem Weg dahin ist der neue Investor 777, „mit der Zusage der 100 Millionen“, sagte Herrich. Da die DFL einen kritischen Blick auf die Liaison mit dem US-Unternehmen wirft, fügte er an: „Wir sind der Meinung, dass die Zusammenarbeit 50+1-konform ist.“
Mit dem Einsteig von 777 vor zwei Monaten war Investor Lars Windhorst endgültig Geschichte. „Wir möchten am heutigen Tage die Akte Windhorst schließen“, so Präsident Bernstein. „Und danken“ – an dieser Stelle machte er eine kurze Pause – „für sein Geld.“
Die Fehlentscheidungen im Umgang mit den 374 Millionen Euro des Geldgebers sollen nun nicht wiederholt werden. „Da wurden 250 Millionen Euro verbrannt. Ein Irrsinn, der nie wieder passieren darf“, erklärte Bernstein und richtete den Blick nach vorne: „Der Einstieg von 777 war aufgrund der Probleme der Vergangenheit alternativlos.“
Unruhe bei den Mitgliedern von Hertha BSC
Der Antrag eines Mitglieds auf Abberufung des gesamten Präsidiums wegen Bedenken der Amtsführungsberechtigung sowie die Abwahl des Aufsichtsratsvorsitzenden Klaus Brüggemann hatte schon im Vorfeld der Versammlung zu reichlich Aufregung geführt.
Erwartungsgemäß wurde viel darüber diskutiert. Mit dem Ergebnis, dass die Mehrheit der Mitglieder entschied, sich nicht weiter mit den Anträgen zu befassen. „Es schadet dem Verein, wenn so etwas dauernd passiert“, warf ein Mitglied zu den ständigen Abwahlanträgen ein. „Überlassen wir es dem Vereinsgericht, wenn es Verfehlungen gab.“