Frankfurt am Main. Kanzler Scholz wirkt schwach, die Koalition tanzt ihm auf der Nase herum. Und die SPD? Parteichef Klingbeil versucht es mit Empathie.

Ein Schweißtropfen kullert an der Schläfe von Lars Klingbeil herunter. Mit einer orangen Warnweste über dem Hemd, einem Sicherheitshelm und weißen Arbeitshandschuhen hat der SPD-Vorsitzende gerade in der prallen Sonne eine 20 Kilo schwere Kupplung hochgewuchtet, um zwei Güterwaggons miteinander zu verbinden. Klingbeil ist auf Sommerreise in Bayern und Hessen unterwegs – besucht außer der Bahn ein Forschungsinstitut, den Opel-Betriebsrat, trifft Bürger. Er will dazu beitragen, dass seine Partei bei den dortigen Landtagswahlen im Oktober gut abschneidet.

Aber was wäre eigentlich ein gutes Ergebnis? Und schafft es die Partei, in den beiden Ländern nicht eins für die Politik der Ampel-Koalition in Berlin auf den Deckel zu bekommen? Nach den Turbulenzen um das Heizungsgesetz hatte Klingbeil die Koalitionspartner FDP und Grüne beim Abschied in die Sommerpause gebeten, den Krach doch mal den anderen zu überlassen. "Ich dachte eigentlich, dass alle das verstanden haben", sagt Klingbeil. "Das hat mich fassungslos gemacht, dass es jetzt sofort mit dem Streit weitergeht."

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Anstatt mit neuem Schwung aus der Sommerpause zu kommen, ist die Koalition erneut mit sich selbst beschäftigt. Im Konflikt mit Finanzminister Christian Lindner um die Finanzierung der Kindergrundsicherung blockierte Familienministerin Lisa Paus (Grüne) am Mittwoch im Kabinett einen Gesetzentwurf des FDP-Politikers zur Förderung des Wirtschaftswachstums. Dabei hatten Ampel-Politiker es als Priorität ausgerufen, schnell etwas zur Unterstützung der Wirtschaft zu tun.

Klingbeil in Bayern: Bei Landtagswahlen ist "vieles möglich"

Im Hinterzimmer eines Gasthofs in Bamberg sitzt Klingbeil neben Florian von Brunn, SPD-Spitzenkandidat in Bayern. Vor ihnen jeweils eine Portion Obazda mit Brot, für den SPD-Vorsitzenden ohne Zwiebeln. Sie sprechen über die Aussichten ihrer Partei bei der Wahl am 8. Oktober. Die Ausgangslage sei schwierig, dennoch sei "vieles möglich", so Klingbeil. Die Ansprüche der bayerischen Sozialdemokraten sind allerdings gering. Bei der letzten Landtagswahl kam die SPD auf knapp zehn Prozent.

Lars Klingbeil will die Chancen seiner Partei bei den Landtagswahlen in Bayern und Hessen verbessern.
Lars Klingbeil will die Chancen seiner Partei bei den Landtagswahlen in Bayern und Hessen verbessern. © Fionn Große | Fionn Große

Spitzenkandidat von Brunn will besser sein als das, ein zweistelliges Ergebnis wäre ein Erfolg. Aber da ist ja noch die Ampel in Berlin. Er wünsche sich weniger lautstarke Diskussionen, sagt von Brunn. Er habe sich aber daran gewöhnt, dass es in der Koalition im Bund nicht so geräuschlos zugehe. "Damit müssen wir einfach rechnen im Wahlkampf." Zwar kam die SPD-Prominenz zahlreich für Auftritte nach Bayern, Kanzler Olaf Scholz sogar mehrmals. Vertrauen auf Rückenwind aus der Bundeshauptstadt klingt aber anders.

Die SPD ist zur Mitte der Legislaturperiode in einer schwierigen Lage. Keiner der Ampel-Partner ist in Umfragen im Vergleich zum Bundestagswahlergebnis so stark abgesackt wie die Kanzler-Partei. Vor zwei Jahren hatte die SPD fast 26 Prozent erhalten, nun ging es zuletzt bis auf 17 Prozent runter. Die AfD ist inzwischen deutlich vor der SPD – und hinter der Union in den Umfragen zweitstärkste Kraft. Der Kanzler wirkt immer wieder merkwürdig passiv und schwach. Er hatte FDP und Grünen zu Beginn eine Partnerschaft auf Augenhöhe versprochen. Jetzt fragt man sich, ob Scholz der Herr im Hause ist.

Innenministerin Faeser will Landeschefin in Hessen werden

Die Ampel-Querelen begleiten auch Nancy Faeser in Hessen. Manchmal falle die Koalition mit ihrer Arbeit vielleicht ein bisschen zu sehr auf, räumt die SPD-Spitzenkandidatin ein, als sie mit Klingbeil in Rüsselsheim den Opel-Betriebsrat trifft. Die Bundesinnenministerin möchte in ihrer Heimat Ministerpräsidentin werden. Klappt es nicht, will sie in Berlin bleiben. Zumindest nach einem Wahlsieg Faesers sieht es derzeit nicht aus.

Die Stimmung in der SPD könnte besser sein: Kanzler Olaf Scholz und Innenministerin Nancy Faeser in Mühlheim.
Die Stimmung in der SPD könnte besser sein: Kanzler Olaf Scholz und Innenministerin Nancy Faeser in Mühlheim. © AFP | KIRILL KUDRYAVTSEV

In den Umfragen liegt Faeser deutlich hinter CDU-Ministerpräsident Boris Rhein. Die Hoffnung ist, zumindest so weit in Schlagweite zu kommen, dass die SPD die Grünen aus der bisherigen Koalition mit der CDU eisen kann. Der Chef des Opel-Betriebsrats verabschiedet Klingbeil und Faeser mit den Worten: "Die Hoffnung stirbt zuletzt." In der SPD ist eine gewisse Ratlosigkeit zu spüren. Was bringen die Landtagswahlen? Kriegt die Ampel noch die Kurve? Wie bekommt man die AfD wieder klein?

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Klingbeil steht auf der Bühne eines Kulturzentrums in Frankfurt, die Reihen vor ihm sind gut gefüllt. Das Publikum ist ihm und der SPD wohlgesonnen. Der Parteichef ist viel zu spät gekommen, er war auf der Autobahn in einer Vollsperrung stecken geblieben. Nun beantwortet Klingbeil geduldig Fragen. Hat er keine Antwort, verspricht er eine Rückmeldung per Mail. Gerade hat Klingbeil aufgezählt, was die SPD in der Sozialpolitik alles erreicht habe: einen Mindestlohn von 12 Euro, Bürgergeld, Erweiterung des Wohngeldes, Erhöhung des Kindergeldes.

"Warum kommt das in der Bevölkerung nicht an?", will eine Besucherin von Klingbeil wissen. "Wo ist die SPD?" Dann wünscht sich eine Genossin, dass die SPD selbstbewusster auftreten müsse: "Vielleicht müsste sie doch mal ein bisschen lauter werden", aber bitte "nicht so schreien wie die AfD". In einer Zeit so vieler Umbrüche gebe es auch Unmut, sagt Klingbeil – "und der trifft die SPD als stärkste Regierungspartei. Aber wir werden da nicht wieder rauskommen, wenn wir jetzt wieder anfangen, panisch zu werden."