Berlin. Die türkischstämmige Anwältin Seda Başay-Yildiz ist erneut vom „NSU 2.0“ bedroht worden. Eine erste Spur hatte zur Polizei geführt.

Sie hat ein weiteres Fax erhalten, eine Drohung. Zum zweiten Mal in einem halben Jahr. Absender wieder: „NSU 2.0“ – also eine neue Version der rechtsradikalen Terrorzelle NSU um Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt. Und wie beim ersten Brief wird eine Verbindung zur Frankfurter Polizei gezogen.

Was der Verfasser des Briefes der türkischstämmigen Anwältin Seda Başay-Yildiz schrieb, kann er nicht aus dem Telefonbuch oder den sozialen Netzwerken haben: die Namen ihrer Eltern, ihres Mannes, ihrer Tochter. Dieses Täterwissen, so der Verdacht, weist Bezüge zu Daten aus dem Polizeicomputer auf.

Nach dem ersten Vorfall im August waren sechs Beamte vom Dienst suspendiert worden. Sie sollen über Whats­App Hitlerbilder, Nazisymbole und Ausländerhetze ausgetauscht haben.

Ermittlungen gegen fünf mutmaßlich rechtsextreme Polizeibeamte

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    Polizei bot Anwältin an, sich Waffenschein zu besorgen

    Die 42-jährige Anwältin hat Opfer des NSU, aber auch Sami A. vor Gericht verteidigt, den mutmaßlichen Leibwächter von Al-Kaida-Chef Osama Bin Laden. Die Juristin ist unerschrocken und hat nach eigenen Angaben keine Angst. Sie sei aber aufmerksamer geworden, „wachsamer“, präzisierte sie.

    „Die Unbeschwertheit ist natürlich weg. Die Täter wollen mich einschüchtern“, erzählte sie der „Süddeutschen Zeitung“. Die Polizei hat ihr versichert, es bestehe keine Gefahr. Und doch wurde ihr angeboten, sich einen Waffenschein zu besorgen.

    „NSU 2.0“ droht, Tochter den Kopf abzureißen

    Der neue Drohbrief bezieht sich direkt auf die Suspendierung der Polizisten. Wörtlich heißt es: „Dir hirntoten Scheißdöner ist offensichtlich nicht bewusst, was du unseren Polizeikollegen angetan hast! Allerdings kommt es jetzt richtig dicke für dich, du Türkensau!“ Ihrer Tochter werde man den Kopf abreißen, „und der Rest eurer Dönercrew wird ebenfalls kompetent betreut werden“.

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    Die Spur führte damals zu Revier 1 in Frankfurt. Fünf Beamte wurden suspendiert, vor Weihnachten kam ein sechster Polizist dazu. Nun wird wieder geprüft, woher der Schreiber die Daten seiner Opfer haben könnte; erneut wird eine Verbindung zur Polizei vermutet, möglicherweise zu Beamten, die wegen der suspendierten Kollegen Amok laufen.

    Die Staatsanwaltschaft wollte sich am Montag nicht äußern. Wenn die Ermittlungen die Vorwürfe beweisen, „dann ist der Begriff ,Skandal‘ noch ein mildes Wort“, dämmerte es unlängst dem Chef der Gewerkschaft der Polizei, Oliver Malchow. Der Fall ist über Hessen hinaus zum Politikum geworden.

    Grüne fordern einen Polizeibeauftragten

    Der Grünen-Fraktionsvize und Innenpolitiker Konstantin von Notz sagte unserer Redaktion, das Drohschreiben sei „äußerst beunruhigend“. Er spricht von schwerwiegenden Vorwürfen, „die dringend einer rückhaltlosen Aufklärung bedürfen“. Man müsse rechte Strukturen und ihre Vernetzung „sehr viel stärker in den Blick nehmen“.

    Die Grünen bekräftigten ihre Forderung nach einem Polizeibeauftragten. Die Idee: Beamte sollen frühzeitig Hinweise geben können – auch anonym. Noch weiter geht Eva Högl (SPD): Dass die hessische Polizei offenkundig ein rechtsextremistisches Netzwerk in ihren Reihen habe, sei „eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit“.

    Rechte Netzwerke bei Sicherheitsbehörden?

    Alarmierend ist für Innenpolitiker wie Högl oder von Notz der Bezug zum NSU und zu Polizisten, zu einer Berufsgruppe, die neben den Militärs das Gewaltmonopol und legalen Zugang zu Waffen hat. Hinzu kommt,

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    Der Verteidigungsausschuss befasst sich an diesem Mittwoch damit.

    Der Generalbundesanwalt stieß im Zuge der Ermittlungen gegen den Soldaten Franco A. auf ein Netzwerk von „Preppern“ „mit Verbindungen zur Bundeswehr und zur Polizei“, wie die zuständige Anwältin vor dem Innenausschuss im Bundestag berichtete.

    Verbindungen der „Prepper“ zu Soldaten und Polizisten

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    ARCHIV - Eine deutsche Fahne ist an einem Schießplatz an der Uniform eines Soldaten befestigt (Foto vom 23.06.2015). (Illustration zu dpa
    Von Alexander Kohnen, Miguel Sanches und Christian Unger

    Die Karlsruher Behörde versucht beim Bundesgerichtshof eine Anklage durchzusetzen – bisher erfolglos.

    „Prepper“ sind Leute, die sich auf den Katastrophenfall vorbereiten. Manche gelten als harmlos, andere als Extremisten. Sie bauen Bunker, horten Lebensmittel, Medikamente, Kleidung, Treibstoff. Und Waffen. Schon ist die Rede von einer Schattenarmee, die sich auf den Tag X vorbereite.

    Der Bundesanwalt hat Hinweise auf Waffenlager in „Safe-Häusern“. Er musste im Bundestag indes einräumen: „Wir haben trotz intensiver Recherche und Suche keine ‚Safe-Häuser‘ lokalisieren und demzufolge auch keine Vorratslager auffinden können.“

    Pokal für Wettschießen nach NSU-Opfer benannt

    Klar ist, dass es vier Chatgruppen gab (Nord, Süd, Ost, West), mit einem Administrator, dem 33-jährigen Soldaten André S., Tarnname „Hannibal“. Vor einer Razzia in seiner Kaserne bekam er einen Tipp. Als Informant wird ein Mitarbeiter des Geheimdienstes der Bundeswehr verdächtigt.

    Der Bundesanwalt schätzt die Zahl der Chatmitglieder auf 30 bis 60. In der Gruppe Nord wurde ein Pokal für ein Wettschießen ausgelobt, das nach Mehmet Turgut benannt wurde – einem NSU-Opfer.