Berlin. Bund und Länder geben geschädigten Landwirten zusammen 340 Millionen Euro Dürre-Hilfe. Zuerst will man die Tierhalter unterstützen.

Vertrocknetes Getreide, verkrüppelter Mais, leere Futtersilos: Die Dürre dieses Jahrhundertsommers hat für viele Landstriche in Deutschland verheerende Folgen. 10.000 Landwirte sind nach Schätzungen der Bundesregierung in ihrer Existenz bedroht – das ist jeder 25. Hof in Deutschland.

Am Mittwoch hat das Kabinett nun Hilfe zugesagt: Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) will den betroffenen Bauern

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. Deutlicher weniger als von der Agrarlobby gefordert.

Das Frühjahr zu warm, der Sommer zu heiß – und vielerorts praktisch kein Regen: „In diesem Jahr handelt es sich um ein Wetterereignis von nationalem Ausmaß“, erklärt Klöckner am Mittwoch nach der Kabinettssitzung.

Im Zeitraum von April bis Juli habe der Deutsche Wetterdienst die bisher höchste Temperatur-Anomalie seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1881 erlebt. Der Hinweis ist wichtig, denn: Nur wenn ein nationaler Notstand vorliegt, kann der Bund mit Hilfsgeldern für die Bauern einspringen.

Hilfen in Höhe von 340 Millionen Euro

Bund und Länder planen nun insgesamt Hilfen in Höhe von 340 Millionen Euro. Die Rechnung dahinter ist einfach: Die Regierung geht von einem Schaden in Höhe von 680 Millionen Euro aus. Weil staatliche Notfallhilfe keine „Vollkaskoversicherung“ ist, wie Klöckner sagt, sollen Bund und Länder gemeinsam nur die Hälfte des Schadens ausgleichen – also 340 Millionen, von denen der Bund wiederum die Hälfte tragen will – rund 170 Millionen.

Mit Blick auf die Schadenssummen in Milliardenhöhe, die in den letzten Tagen aus einzelnen Ländern zu hören waren, weist Klöckner darauf hin, dass viele bei ihren Bilanzen sämtliche Dürre-Ausfälle zusammengerechnet hätten. Doch der Bund will erstens nur denjenigen Landwirten helfen, deren Ertrag um mehr als 30 Prozent im Vergleich zu den Vorjahren zurückgegangen ist und die, zweitens, dadurch in ihrer Existenz bedroht sind. „Es sind Steuergelder“, erinnert Klöckner.

Bei der letzten großen Dürre im Jahr 2003 hatte der Bund zusammen mit acht betroffenen Ländern 80 Millionen Euro an 4400 Betriebe gezahlt. Diesmal haben alle 16 Bundesländer eine vorläufige Erntebilanz vorlegt – 14 davon beklagen schwere Schäden, einzig das Saarland und Rheinland-Pfalz haben keine Hilfen von Bund gefordert; hier sind die Ausfälle deutlicher geringer als in anderen Regionen.

Im bundesweiten Durchschnitt sind die Erträge beim Getreide in diesem Jahr laut Erntebericht um 16 Prozent gegenüber dem Mittelwert der drei Vorjahre zurückgegangen. Eine geringere Getreideernte habe es in Deutschland zuletzt 1994 gegeben. Die größten Ausfälle gab es in Schleswig-Holstein (31 Prozent), Brandenburg (27 Prozent), Sachsen-Anhalt (26 Prozent) und Mecklenburg-Vorpommern (25 Prozent). In Niedersachsen lag das Minus bei 20 Prozent, in Thüringen bei 17 Prozent, in Nordrhein-Westfalen bei 6 Prozent.

Doch es gibt auch innerhalb der Länder erhebliche Unterschiede, nicht jeder Betrieb hat gleichermaßen unter der Dürre gelitten – und andere wiederum seien nicht erst durch die Dürre in die wirtschaftliche Krise geraten. Hilfsgelder „mit der Gießkanne“ zu verteilen sei deshalb falsch, so Klöckner.

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    Der Bauernverband hatte zunächst Unterstützung von einer Milliarde Euro gefordert, bereits in den letzten Tagen aber verbal abgerüstet und zuletzt nur noch grundsätzlich verlangt, dass die Regierung die Dürre zum Notstand erklärt und damit den Weg für Bundeshilfen freigibt.

    Am Mittwochmittag, unmittelbar nach Bekanntwerden von Klöckners Angebot, meldete sich Bauernpräsident Joachim Rukwied dann auch mit Lob für die Ministerin: „Das ist ein gutes Signal für alle betroffenen Landwirte.“ Die Länder müssten jetzt ihre Verantwortung und ihren Anteil übernehmen. Hilfen müssten schnell und unbürokratisch umgesetzt werden.

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    . Viehhalter stehen unter besonderem Druck, weil sie nicht genügend Futter für ihre Tiere ernten konnten. Wegen der Dürre war einmal gemähtes Gras oft nicht für den sonst üblichen zweiten und dritten Schnitt nachgewachsen. Manche Milchbauern hätten deswegen Kühe schlachten lassen oder Rinder für die Fleischproduktion früher als geplant töten müssen.

    Laut Bauernverband habe dieser Schritt innerhalb von vier Wochen zu einer Preissenkung von elf Prozent bei Schlachtrindern geführt. Zudem sei wegen der Hitze in den ostdeutschen Bundesländern die Milchproduktion um zehn Prozent eingebrochen.

    Preiserhöhungen unter dem Deckmantel der Dürre

    Auch der aktuelle Erntebericht ist nur ein Zwischenstand. Noch unklar ist, wie hoch die Ausfälle etwa bei Kartoffeln oder Zuckerrüben sein werden. Ebenfalls offen ist, wie sich ein anderes Hilfsangebot der Regierung auswirkt: In der vergangenen Woche hatte das Kabinett eine Verordnung verabschiedet, die den Bauern erlaubt, auch ökologische Vorrangflächen mit Anbau von Zwischenfruchtmischungen für Futterzwecke zu nutzen. Heißt: Sie dürfen alle vorhandenen Flächen nutzen, um vor dem Winter noch die Futtersilos zu füllen. Das Problem: In vielen Regionen ist es dafür nach wie vor zu trocken.

    Und die Verbraucher? Müssen sie sich jetzt auf höhere Preise einstellen oder sogar auf leere Regale? „Nein“, sagt Klöckner, „wir werden jetzt nicht zu Hamsterkäufen aufrufen.“ Mit Blick auf den Einzelhandel warnte die Ministerin allerdings ausdrücklich davor, Preissteigerungen mit angeblichen Kostensteigerungen zu begründen: „Einige nutzen gerade die Gunst der Stunde“, kritisierte Klöckner.

    Auch die Vizefraktionschefin der CDU/CSU im Bundestag mahnte Fairness an: „Wer jetzt Preiserhöhungen mit der Dürre begründet, handelt unanständig“, so Gitta Connemann. „Zur Wahrheit gehört: die Rohstoffpreise für Getreide sind am Weltmarkt zwar stark gestiegen. Am Preis für ein Brot macht dies aber weniger als fünf Prozent aus.“ Jede Preiserhöhung unter dem Deckmantel der Dürre lande in vielen Taschen, aber nicht bei den Landwirten.