Berlin/Köln. In Köln soll ein mutmaßlicher Islamist an einer Bio-Waffe gebastelt haben. Er steht im Verdacht, einen Anschlag vorbereitet zu haben.

Als

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nach Deutschland kommt, ist er für die Sicherheitsbehörden zunächst ein unbeschriebenes Blatt. Dass er in seinem Heimatland Tunesien Kontakt zu Islamisten hatte, wissen sie nicht.

Anderthalb Jahre später stellt der Mann in Köln in einer Hochhaussiedlung im Verborgenen über Wochen hinweg hochtoxisches Rizin her – so der Verdacht. Eines der gefährlichsten Gifte, das schon in kleinsten Mengen töten kann. Offenbar plante er einen verheerenden Anschlag. Und möglicherweise war es knapp.

Von einer „Bio-Bombe“ und von „ganz konkreten Vorbereitungen“ eines Anschlags einer neuen Dimension spricht der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Holger Münch, gut eine Woche nach dem Zugriff. Der 29-Jährige Sief Allah – zu Deutsch „Schwert des Islam“ – soll schon sehr weit gewesen sein mit seiner perfiden Planung. Allerdings: In einer Mitteilung des Bundeskriminalamtes heißt es: Die Ermittlungen hätten „bislang keinerlei Anhaltspunkte für konkrete Anschlagsplanungen ergeben“.

Ob es Mitwisser gab, ist bislang unklar

„Sehr wahrscheinlich“ wollte der Verdächtige einen Terroranschlag begehen, schildert

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, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutzes (BfV). Was ihn zusätzlich frustrieren dürfte: Ausgerechnet in der Nähe seines Inlandgeheimdienstes hantierte der Beschuldigte seit Mitte Mai mit den giftigen Substanzen. Die von Spezialkräften am 12. Juni gestürmte Hochhauswohnung ist gerade mal 15 Gehminuten von der BfV-Behörde entfernt.

SEK-Beamten betreten mit Atemschutzmasken und Schutzanzügen den Hochhauskomplex in Köln.
SEK-Beamten betreten mit Atemschutzmasken und Schutzanzügen den Hochhauskomplex in Köln. © dpa | David Young

Was der Mann ganz genau im Schilde führte, welche Motive er hatte, wie nah er der radikalen Islamistenszene stand und ob er Mitwisser oder Komplizen hatte, ist noch ungewiss. Tag für Tag gibt es neue Details und Einschätzungen, die dafür sprechen, dass es bedrohlich hätte werden können. „Wenn etwas passiert wäre, dann wäre es islamistisch-dschihadistisch motiviert gewesen“, heißt es aus Ermittlerkreisen.

Laut „Spiegel“ und „Kölner Stadt-Anzeiger“ hatte der Ende 2016 nach Deutschland via Familiennachzug eingereiste Tunesier 2017 gleich zweimal versucht,

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. Dem „Spiegel“ zufolge scheiterte er aber an den türkischen Behörden. Der Tunesier sitzt nun in Nordrhein-Westfalen in U-Haft. Ob der Beschuldigte sich zu den Vorwürfen äußerte, sagt die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe bisher nicht.

Verdächtiger besaß Schlüssel zu mehreren leerstehenden Wohnungen

Sief Allah H. besaß einen Schlüssel, der auf mehrere, auch teils leerstehende Wohnungen in dem 15-stöckigen Hochhaus im Kölner Norden passt. In einer Wohnung lebte er mit seiner Frau – einer Deutschen, die zum Islam konvertierte – und ihren Kindern.

In der anderen Wohnung lagerte er seine brisanten Materialien: Rizinussamen, eine elektrische Kaffeemühle und Utensilien für den Bau eines Sprengsatzes, unter anderem 250 Metallkugeln, zwei Flaschen acetonhaltiger Nagellackentferner sowie Drähte mit aufgelöteten Glühbirnen. Zudem wurden 950 Gramm eines grauen Pulvers sichergestellt. Bei dem Pulver handelt es sich um eine Mischung aus Aluminiumpulver und aus Feuerwerkskörpern stammenden pyrotechnischen Substanzen.

Nach dem Fund von hochgiftigem Rizin in einem Hochhaus in Köln durchsuchen Polizei und Feuerwehr mehrere leerstehende Wohnungen in dem Gebäude.
Nach dem Fund von hochgiftigem Rizin in einem Hochhaus in Köln durchsuchen Polizei und Feuerwehr mehrere leerstehende Wohnungen in dem Gebäude. © dpa | Oliver Berg

Die Konstruktion einer Bombe mit Rizin gilt als technisch sehr anspruchsvoll. Es gibt laut BKA aber im Internet Anleitungen – auch von islamistischen Organisationen. Und daran habe sich der Verdächtige „offensichtlich auch orientiert“, erläutert Münch im RBB-Inforadio. Die Materialien hatte er laut Bundesanwaltschaft im Internet bestellt.

Rizinus fällt unter das Kriegswaffenkontrollgesetz

Ein Tipp von einem ausländischen Geheimdienst brachte das BfV auf die Spur des Tunesiers. Die Bundesanwaltschaft bestätigt, dass er sogar „eine noch größere Menge“ als die zunächst bekanntgewordenen 1000 Rizinus-Samen online gekauft habe. 3150 Rizinus-Samen sowie 84,3 Milligramm Rizin sind laut Bundeskriminalamt sichergestellt worden. Rizin gilt als potenzieller biologischer Kampfstoff und unterliegt dem Kriegswaffenkontrollgesetz.

Über welche Samen-Mengen der Islamist verfügte, ist von Bedeutung. Das Gift aus einem Samen könnte Toxikologen zufolge bereits tödlich auf ein Kind wirken. Je nach Körpergewicht würde bei Erwachsenen das Rizin ab einer Menge von fünf bis sech Samen zur lebensbedrohlichen Gefahr, wie der Düsseldorfer Wissenschaftler Gerhard Fritz erläutert.

Weitere Durchsuchungen in Köln nach Rizin-Fund

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    Experten gehen davon aus, dass der 29-Jährige Pulver herstellte. Je nachdem, wie das Gift verbreitet wird, schädigt es unterschiedlich stark. Rizin-Vergiftungen sind laut Robert-Koch-Institut in Deutschland sehr selten.

    Tunesier fiel durch Tipp aus Bevölkerung auf

    Tunesien hat Deutschland und andere europäische Staaten in der Vergangenheit gelegentlich vor militanten Islamisten gewarnt, die sich nach Europa aufmachen wollten. Doch da ging es dem Vernehmen nach um bekannte Gefährder – nicht um junge Männer, die im weitesten Sinne der Salafisten-Szene zuzurechnen sind. Bei Verdachtsfällen prüfen die Sicherheitsbehörden hierzulande, ob eine Einstufung als Gefährder vorzunehmen ist.

    Auch wenn unklar ist, ob es tatsächlich zu einem Anschlag und Schäden größeren Ausmaßes gekommen wäre: Die Sicherheitsbehörden sind extrem erleichtert, dass die Planungen auch dank eines Tipps aus der Bevölkerung vereitelt werden konnten.

    BfV-Chef Maaßen macht zugleich deutlich: „Islamistisch-terroristische Anschläge auch mit toxikologischen Substanzen sind in Deutschland jederzeit möglich.“ (dpa)