Göttingen/Südharz. Gleichen hat den Anfang gemacht – und weitere Gemeinden folgen auf dem Weg zum digitalen Dorf per App.

Was geht ab in Bartolfelde, Osterhagen und Barbis? Darüber können sich die Bewohnerinnen und Bewohner der Bad Lauterberger Ortsteile nun ganz bequem per App informieren. „Die App Dorffunk ist frei geschaltet und kann genutzt werden“, informierte die Ortsratsbeauftragte der Stadt Bad Lauterberg Melanie Trost-Blau auf den jüngsten Ortsratssitzungen.

Über die Funktionen Plausch, News, Biete und Events können sich die Anwohnerinnen und Anwohner miteinander austauschen, wie auf einem digitalen Flohmarkt Sachen verkaufen und zu Veranstaltungen einladen. Auch das Rathaus hat einen Account und kann darüber Infos veröffentlichen, sagte Trost-Blau und fügte hinzu: „Die App ist erstmal im Test.“ Auf kostenpflichtige Zusatzfunktionen verzichte man erstmal. Falls diese zu einem späteren Zeitpunkt gewünscht werden, würden sie von den Ortsratsbudgets abgezogen werden.

Damit der Dorffunk richtig funktioniert, sind die Nutzerinnen und Nutzer gefragt: Neben der Verwaltung können Privatpersonen und Vereine sich dort anmelden, um die Gemeinschaft über Aktionen auf dem Laufenden zu halten.

In Bad Grund wird schon länger mit einer ähnlichen Dorfplatz-App namens „Crossiety“ gearbeitet, die kürzlich auch im Rat der Stadt Osterode vorgestellt wurde, wo ab dem kommenden Jahr eine zweijährige Testphase anlaufen soll.

Und auch in der Gemeinde Walkenried denkt man über die Nutzung einer Dorf-App nach. Auf der jüngsten Sitzung des Gemeinderates regte der Vorsitzende Tobias Mielke (CDU) an, über dieses Thema nachzudenken. Sowohl bei den Ratsmitgliedern als auch bei den Vertretern der Verwaltung bekundete man unisono Interesse.

Dorffunk-Pionier ist die Gemeinde Gleichen in der Nähe von Göttingen. Seit etwa einem Jahr trägt sie den Titel „Erstes digitales Dorf in Niedersachsen“. Dahinter steht das im März 2020 gestartete Projekt „Gleichen.digital“, das aus dem Projekt „Bremke.digital“ im gleichnamigen Gleichener Ortsteil hervorgegangen ist.

Die Bürger in Bremke zählen zu den aktivsten Nutzern der Plattform. In einem Lebensmittelgeschäft in dem Ortsteil gibt es ein digitales Schwarzes Brett in Form eines Fernsehers auf dem auch Inhalte aus der App angezeigt werden. In anderen Teilen der Gemeinde müssten die Bürger teilweise noch vom Nutzen der Software überzeugt werden, sagt Bürgermeister Dirk Otter (SPD). Laut den Betreibern der Plattform, der Stiftung Digitale Chancen, nutzen 22 Prozent der Gleichener das Angebot.

Die Gemeinde nutzt den „Dorffunk“ bisher vor allem für Ankündigungen: Lesungen, Straßensperrungen, Ratssitzungen. Ähnlich wie in einem sozialen Netzwerk können aber auch Bürgerinnen und Bürger sowie Vereine Termine verbreiten oder Kauf- und Verkaufsangebote einstellen.

Je nach Interesse können Nutzer filtern, was ihnen angezeigt wird und was nicht. Im Endeffekt sei „Gleichen.digital“ eine Mischung aus Ebay, Warnapp, kleinen Zeitungsmeldungen und Ortsgruppen in sozialen Netzwerken – bloß auf lokaler Ebene, meint Bürgermeister Otter.

Es gebe allerdings Unterschiede: Zum Beispiel herrsche Klarnamen-Pflicht – Fantasienamen sind also verboten, auch in den Lauterberger Ortsteilen. „So kann hier nicht Pumuckl über Hänsel und Gretel herziehen“, erklärt Trost-Blau an einem Beispiel.

Alle Inhalte sind nach der Anmeldung verfügbar, je nach Einstellung begrenzt auf den Wohnort und umliegende Ortsteile oder Gemeinden. Für Carola Croll von der Stiftung Digitale Chancen, die das Projekt mit auf den Weg gebracht hat, ist die regionale Einschränkung besonders wichtig. Dadurch würden sich auf der Plattform Menschen begegnen, die dies auch im Alltag tun würden. „Daraus erwächst eine Vertrauensbasis.“

Hinter dem Projekt „Digitale Dörfer Niedersachsen“ steht neben der Stiftung Digitale Chancen das Fraunhofer Institut für Experimentelles Software Engineering, das die Software auch bundesweit Kommunen anbietet. Es gibt auch vergleichbare Angebote, wie etwa „Lokalportal“, das unter anderem in Nienburg und Lüneburg verfügbar ist und häufig über lokale Medienhäuser vermarktet wird.

Carola Croll sieht in der Software keine Konkurrenz für lokale Tageszeitungen. Es sei vielmehr ein ergänzender Kanal für Mitteilungen. In der Gemeinde Gleichen gibt es beispielsweise amtliche Bekanntmachungen nur noch online.

Inzwischen wird das Projekt auf ganz Niedersachsen unter dem Namen „Digitale Dörfer“ ausgeweitet. Es wurde im April 2021 zunächst mit 500.000 Euro vom Land bis zum 30. Juni 2025 gefördert. Seitdem ist die Fördersumme auf 2,5 Millionen Euro angestiegen, wie das Niedersächsische Ministerium für Regionale Entwicklung mitteilte. 51 Kommunen mit 316 Ortsteilen nahmen Ende November daran teil. Die aktuelle Projektphase werde genutzt, um Rückmeldungen der Kommunen zu sammeln und Verbesserungen einzubauen, sagte Croll. „Insbesondere in den ländlichen Räumen gilt es, die Daseinsvorsorge und die digitale Teilhabe zu stärken und weiterzuentwickeln“, teilte das zuständige Niedersächsische Ministerium für Regionale Entwicklung mit.