Frankfurt am Main. Der ehemalige Bundeswehroffizier Franco A. plante eine “schwere staatsgefährdende Straftat“. Nun muss er für fünfeinhalb Jahre in Haft.

Gleich zu Beginn stellt Richter Christoph Koller klar, das Frankfurter Oberlandesgericht (OLG) habe „kein Gesinnungsstrafrecht angewandt“. Und doch ist die Gesinnung des Angeklagten Franco A. (33) relevant: Als „Indiz“ für ein Motiv, einen rechtsextremen Anschlag zu begehen – juristisch geht es um eine schwere staatsgefährdende Straftat.

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Die zwei Richterinnen und drei Richter unter Kollers Vorsitz halten es für bewiesen, dass der Bundeswehroffizier einen Anschlag verüben wollte. Schon die Absicht reicht nach dem Strafrecht-Paragraphen 89a für eine Strafe aus. Das Gericht verurteilte den Offizier am Freitag zu einer Haftstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten wegen der Planung eines Anschlags, Waffendelikten und Betrugs. "Der Angeklagte ist schuldig der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat", sagte Koller bei der 90minütigen Urteilsverkündung.

Franco A.: Liste mit Namen der möglichen Opfer?

Das „Ob“ ist entscheidend. Juristen sprechen von einer „inneren Tatsache“. Ort, Zeit und Opfer eines Anschlages müssen nicht genau feststehen. Der Senat ist davon überzeugt, dass Franco A. zu einem Mordanschlag entschlossen war und als Opfer 2016 drei Menschen eng in Betracht gezogen hatte: den damaligen Minister Heiko Maas (SPD), Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) und die Vorsitzende der Amadeu-Antonio-Stiftung, Anetta Kahane.

Dafür sprechen eine Namensliste und konkrete Recherchen über alle drei mutmaßlichen Opfer. So kundschaftete er im Juli 2016 die Tiefgarage im Gebäude der Amadeu-Antonio-Stiftung aus und fotografierte Autos. Für das Gericht ist klar, dass er seine Opfer ausgespäht hatte. Zusätzlichen Argwohn erregte, dass er kurz danach – wie zur Vorbereitung – eine Schießübung machte.

Franco A.: Bundeswehr kann nun gegen den Offizier vorgehen

Mit einer Strafe musste der Oberleutnant allein schon wegen Verstößen gegen das Waffen- und das Sprengstoffgesetz rechnen. Schließlich hatte er sich Revolver und halbautomatische Gewehre illegal verschafft, dazu Munition in rauen Mengen, ein Zielfernrohr (für ein G3-Gewehr) sowie Sprengstoff, vermutlich großteils aus Bundeswehr-Beständen gestohlen.

Die Truppe kann frühestens jetzt gegen ihn vorgehen. Bis zur rechtskräftigen Verurteilung war er Soldat, wenn auch mit einem Verbot der Ausübung des Dienstes und des Tragens einer Uniform. Auch seine Bezüge wurden gekürzt. Zuletzt bekam der Offizier aus Offenbach immerhin noch etwa 2.000 Euro im Monat.

Franco A: Nie um eine Antwort verlegen

Um elf Uhr betrat Franco A. ­– noch in Handschellen – Saal 165 im OLG Frankfurt: Sneakers, braune Hose, weinrotes langärmeliges Hemd, dichter Vollbart, die Haare im Nacken zusammengebunden. Eine legere Erscheinung. Die Urteilsverkündigung verfolgte der Vater von drei Kindern teilnahmslos. Während des Verfahrens wirkte er manchmal irritiert – ein Mann im falschen Film.

Seit Mai 2021 lief das Hauptverfahren gegen den Oberleutnant. Aufgeflogen war er bereits im Frühjahr 2017 in Wien, als er auf dem Flughafen eine versteckte Waffe abholen wollte. Die Polizei wurde argwöhnisch, weil ein Abgleich seiner Fingerabdrücke zeigte, dass er auch als syrischer Flüchtling gemeldet war.

Franco A.: Doppelleben als Flüchtling und Offizier

Monatelang hatte er ein Doppelleben geführt, als Offizier der deutsch-französischen Brigade in Frankreich und als syrischer Flüchtling „David Benjamin“ in Bayern. Die Fahnder haben deshalb vermutet, dass er einen Anschlag unter falscher Flagge verüben wollte. Im Klartext: Dass er die Schuld den Flüchtlingen in die Schuhe schieben sollte.

Waffen, Opferlisten, konspiratives Handeln, Kontakte zu Extremisten und zur Prepper-Szene, seine Verehrung von Adolf Hitler („steht über allem“), diverse Memos mit rechtsextremen und antisemitischen Inhalten: Mit jedem neuen Indiz zog sich die Schlinge enger zu. Das Gericht attestierte dem Oberleutnant eine rechtsextreme, völkische, nationalistische Gesinnung.

Gericht hält Franco A. für einen Rechtsextremisten

In Notizen und auf Memobändern beklagte er die „Zersetzung der deutschen Nation“. Mal schrieb er, das politische System sei „verloren“. Mal stellte er die Zahl der Holocaust-Opfer in Frage. Ein anderes Mal wollte Franco A. wissenschaftlich beweisen, dass Juden keine Deutschen sein könnten. Gegen Flüchtlinge müsse man sich schützen, notierte er. Die Rede war dann von einer so genannten Schutzbewaffnung. Schon sein erster Anlauf für eine Masterarbeit in der Bundeswehr war als rassistisch abgelehnt worden. Trotzdem bekam er bei der Truppe eine zweite Chance.

Bis heute verriet Franco A. seine Waffenverstecke nicht

Das Gericht sah keinen Ansatz, um ihn nach dem Prinzip „im Zweifel für den Angeklagten“ freizusprechen. Franco A. gab den Richtern auch keinen Anlass, die Strafe abzumildern. Er hat letztlich nur zugegeben, was offensichtlich oder unbewiesen war. Bis heute hat er nicht verraten, wie genau er an seine Waffen gelangte und wo er sie versteckt hält.

Allerdings war er nie um eine Antwort verlegen; und seien die Erklärungen noch so skurril. So behauptete er zu der Waffe, die er in Wien abholen wollte, er habe nach einem Offiziersball am Vorabend ein menschliches Bedürfnis verspürt und sich in einem Gebüsch erleichtert. Da habe er zufällig auf eine dort verlorene Pistole gepinkelt.

Eine Waffe als Zufallsfund beim Pinkeln

Erst am nächsten Tag, kurz vor dem Abflug, sei ihm eingefallen, dass die geladene Waffe noch in seiner Jacke steckte. Um mit ihr nicht durch die Sicherheitskontrolle zu gehen, habe er sie auf einer Toilette, in einem Tuch gewickelt, deponiert. Dort allerdings war sie von einer Putzfrau entdeckt worden. Und als Franco A. ein paar Tage später zum Abholen kommt, wartet die Polizei schon.

Später, vor Gericht, sagte eine Gutachterin, es sei ausschließlich DNA des Angeklagten auf der Waffe gefunden worden – und zwar an Stellen, wo die Spuren nur durch „regelmäßiges Hantieren“ haften bleiben. Wieder einmal war eine Ausrede vor Gericht wie eine Seifenblase zerplatzt.

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Dieser Artikel ist zuerst auf waz.de erschienen.