Die Polizei hat schweres Versagen beim Massaker in der Schule in Texas eingeräumt. Cops ließen Attentäter fast 90 Minuten unbehelligt.

Das Schul-Massaker in Texas mit 19 toten Kindern und zwei erschossenen Lehrerinnen geht offenbar einher mit einer der schwärzesten Stunden amerikanischer Polizei-Arbeit.

Wie der Direktor der Behörde für öffentliche Sicherheit des Süd-Bundesstaates, Steven McCraw, am Freitag bei einer turbulenten Presse-Konferenz sagte, traf der diensthabende Einsatzleiter am vergangenen Dienstag ganz klar die "falsche Entscheidung", die Klassenzimmer 111 und 112 der Robb-Grundschule in Uvalde nicht frühzeitig zu stürmen. "Dafür gibt es keine Entschuldigung."

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Laut McCraw, der nach irritierenden Auftritten untergeordneter Beamter in den vergangenen Tagen selbst vor die Mikrofone trat, standen während des zweitschlimmsten Schul-Massakers der jüngeren amerikanischen Geschichte über ein Dutzend Polizisten lange Zeit tatenlos in der Unglücksschule herum. Während die Notrufzentrale der lokalen Polizei zig 911-Anrufe von Kindern aus den Klassenräumen erhielt, in denen sich der 18-jährige Todesschütze Salvador Ramos verbarrikadiert und danach mit einem halbautomatischen Schnellfeuergewehr auf die 4. Klässler und die Lehrerinnen angelegt hatte.

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Erst nach weit über eine Stunde wurde der Befehl erteilt, die verriegelten Klassenräume gewaltsam zu öffnen, sagte McGraw. Dabei wurde Ramos von Beamten erschossen. Normalerweise gilt in den USA bei Amokläufen die polizeiliche Direktive, den Angreifer so schnell wie möglich zu neutralisieren, um die Opferzahl so gering wie möglich zu halten.

Wie es zu der tödlichen Fehleinschätzung kommen konnte, wollte McGraw nicht im Detail erläutern. Nur so viel: Der Einsatzleiter habe zu einem nicht genau bezeichneten Zeitpunkt befunden, dass kein "aktiver Schütze" mehr präsent ist, somit keine Kinder mehr in Gefahr seien, sondern nur noch ein "Objekt, das sich verbarrikadiert hat".

Laut McGraw begann Ramos, der über 100 Schüsse abgab und 1600 Schuss Munition mit sich führte, nach dem Eindringen in die Schule durch einen nicht verschlossenen Nebeneingang um 11.33 Uhr Ortszeit mit dem Schießen. Erst um 12.51 Uhr sei der Täter ausgeschaltet worden.

Zugriff erfolgte wohl viel zu spät

Bereits um 12 Uhr seien aber 19 einsatzfähige Cops auf dem Flur vor den Unglücks-Klassenzimmern vor Ort gewesen, hätten aber auf Geheiß von oben nichts unternommen, um Ramos frühzeitig auszuschalten.

Erst nachdem später eingetroffene Spezialeinsatzkräfte sich beim Hausmeister Schlüssel für die Türen besorgt hätten, sei der Zugriff erfolgt. McCraw schilderte minutiös, dass zwischen cirka 12 Uhr und 12.46 Uhr eine Schülerin aus den unter Beschuss genommenen Klassenzimmern mindestens vier Mal den Notruf 911 angerufen hat und flehentlich um polizeiliches Eingreifen hat.

Warum dies unterblieb, wird noch genau untersucht, sagte der sichtlich erschütterte McGraw. Er schloss nicht aus, dass durch die lange Wartezeit bis zum Eindringen der Polizei in die Klassenräume die Chance vertan wurde, das Leben von mehreren Kindern zu retten.

Ein Szenario, das an unterlassene Hilfeleistung durch die Polizei grenzen würde. Für betroffene Eltern, Polizei-Experten und Strafrechtler ist mit dem Eingeständnis des Versagens der Ordnungshüter klar, dass die Tragödie von Uvalde ein juristisches und personelles Nachspiel haben wird. Der Bundesstaats Texas müsse sich "wohl auf eine gewaltige Klagewelle einrichten", hieß es am Nachmittag in Washingtoner Polizeikreisen. "Da werden Köpfe rollen."

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