Wolfsburg. Der Betriebsrat trägt den VW-Sparkurs mit. Zugleich fordert er eine Idee, hinter der sich die Beschäftigten versammeln könnten.

Sind die 4735 Euro Bonus, die VW seinen Tarif-Beschäftigten zahlt, angemessen? Und geht es in Ordnung, dass der Autobauer nicht noch ein finanzielles Sahnehäubchen drauflegt? Dazu äußerten sich im VW-Intranet Betriebsratschefin Daniela Cavallo und Personalvorstand Gunnar Kilian. Cavallo wertet das verwehrte Sahnehäubchen gar als Warnzeichen.

Sie erläuterte: VW habe den Bonus in der Vergangenheit freiwillig aufgestockt als Anerkennung etwa dafür, dass die Belegschaft flexibel reagiert habe. Als Beispiel nannte die Betriebsratschefin die Produktionsunterbrechungen in der Coronazeit. Als weiteres Beispiel führte sie den ständigen Wechsel zwischen Kurzarbeit und Extra-Schichten an.

Betriebsratschefin Cavallo: VW lehnte Bonus-Erhöhung ab

„Es hätte auch diesmal viele gute Gründe gegeben, auf den Bonus eine Schippe obendrauf zu legen. Aber das hat das Unternehmen nicht mitgemacht. Und wir konnten das auch nicht erzwingen“, sagte Cavallo. Für den Tarifbonus gebe es eine Tarifvereinbarung zwischen IG Metall und Volkswagen – samt Rechenformel.

„Ob es zusätzlich eine Aufstockung gibt, müssen wir verhandeln. Und Volkswagen hat diesmal ganz klar gesagt: keine Chance!“, sagte Cavallo. VW habe auf das Performance-Programm verwiesen, das aufgelegt worden ist, weil VW im Krisenmodus fährt. Cavallo: „Das ist ein Alarmzeichen: Zuletzt hat das Unternehmen auf eine Aufstockung verzichtet, als Finanz- und Wirtschaftskrise war, 2008/2009, und dann noch einmal als Dieselgate begann, 2016.“

VW-Bonus liegt deutlich über dem Durchschnittswert

Gleichwohl sagte Cavallo, dass der Bonus Anlass für die Belegschaft gebe, sich darüber zu freuen. „Der Tarifbonus liegt erstmals seit vier Jahren wieder über dem Langzeit-Schnitt, der seit 2007 bei gut 4300 Euro steht. Wir sind jetzt wieder bei Summen angelangt, die wir vor Corona-Krise und Teilemangel hatten.“ Der Bonus spiegele ein gutes Ergebnis wider, das die Beschäftigten des Autobauers erarbeitet hätten.

Dennoch ließ sie ihre Enttäuschung über das Verhalten des Unternehmens durchblicken. Cavallo sagte zwar: „Der Betrag liegt auch ohne Aufstockung klar über dem Langzeit-Schnitt, und das Plus gegenüber Vorjahr fällt mit 30 Prozent Zuwachs kräftig aus. Es war also rein objektiv nicht nötig, einen Einbruch aufzufangen oder eine Lücke zum Durchschnitt aufzufüllen.“

Der VW-Bonus ist stets ein Blick in die Vergangenheit

Cavallo bemerkte kritisch: „Wenn die zusätzliche Wertschätzung für die Leistung und die Flexibilität unserer Belegschaft diesmal nicht in Form einer Anerkennungsprämie daherkommt, dann muss das in anderer Form geschehen. Und da reicht es bestimmt nicht aus, zu sagen, dass wir gerade ein Familienfest in Wolfsburg hatten.“ Der Betriebsrat werde dieses Verhalten des Unternehmens abspeichern. „Schließlich haben wir eine Haustarifrunde Ende des Jahres.“

Personalvorstand Gunnar Kilian erinnerte daran, dass sich der Bonus an den Geschäftsergebnissen der jeweils zwei zurückliegenden Jahre orientiere, also stets ein Blick in die Vergangenheit sei. 2024 und die Folgejahre würden hingegen herausfordernd. So lägen beispielsweise die Auftragseingänge unter den Erwartungen des Unternehmens.

VW-Werke sind offenbar nicht ausreichend ausgelastet

Der „Business Insider“ berichtete unter Berufung auf Christian Vollmer, Produktionsvorstand der Marke VW, dass die Werke derzeit nur zu 70 Prozent ausgelastet seien. Das sei viel zu niedrig. Kilian: „Der Wettbewerb droht uns davonzufahren, wenn wir mit unseren Performance-Programmen jetzt nicht konsequent gegensteuern.“ Das zeigt auch der VW-Konkurrent Stellantis, der für das vergangene Jahr eine Rendite von 12,8 Prozent ausweist.

Kilian betonte, dass sich VW eine Aufstockung der Gewinnbeteiligung nicht leisten könne. „Alleine bis in 2026 müssen wir nachhaltig 10 Milliarden Euro heben, um eine Rendite von 6,5 Prozent zu erreichen und so wieder kräftig in unsere Zukunft investieren zu können. Das ist mit Sicht auf unsere Beschäftigungssicherung für alle wertvoller, als eine einmalige Aufstockung“, sagte er.

Cavallo fordert eine gemeinsame Idee bei VW

Kilian erhielt mit Blick auf die Sparbemühungen Rückendeckung von Cavallo. „Der Betriebsrat teilt die Auffassung, dass wir ein Performance-Programm dringend brauchen. Und dass wir die zehn Milliarden Euro tatsächlich heben müssen. Weil wir hier sonst bald ganz andere Diskussionen führen“, sagte sie. Zugleich betonte die Betriebsratschefin: „Hinter 6,5 Prozent Rendite versammelt sich die Volkswagen-Familie nicht. Das ist zunächst eine seelenlose Zahl.“

Die Menschen würden aber keinen seelenlosen Zahlen oder Budgets folgen. Cavallo: „Menschen wollen sich hinter einer gemeinsamen Idee versammeln. Dafür braucht es Zielbilder. Und die fehlen im Unternehmensalltag. Dazu muss jetzt mal was kommen. Das ist ein ganz zentraler Aspekt, den wir als Gesamtbetriebsrat fest im Blick behalten.“ Das Ziel müsse sein, dass VW gestärkt aus dem Sparprogramm hervorgehe.

Kilian versicherte, dass das Unternehmen im Jahr des Golf-Jubiläums an weiteren Modellen arbeite. „Nur so sichern wir nachhaltig unsere Standorte und unsere Beschäftigung. Dafür müssen wir kräftig investieren und dafür sind die 6,5 Prozent die Basis“, sagte er. Die angepeilten 6,5 Prozent Rendite seien nicht nur eine Zahl. Kilian: „Es ist ein Wert, der Werte schafft. Und das ist das Ziel unserer Performance-Programme, die wir jetzt gemeinsam angehen.“