Wolfsburg. In 35 von 36 Fällen wehrten sie sich erfolgreich gegen Gehaltskürzungen. Bis zum letzten Urteil könnte es aber noch lange dauern.

Die Bilanz ist eindeutig: 35 von 36 Mitgliedern des VW-Betriebsrats, die sich vor Gericht gegen die Kürzung ihrer Bezüge durch das Unternehmen wehrten, haben ihre Verfahren gewonnen. Das teilte die Arbeitnehmervertretung unserer Zeitung mit. Für die Gehaltskürzung sorgte ein Urteil des Bundesgerichtshofs, in dessen Folge VW vermeiden will, sich erneut dem Vorwurf der Untreue auszusetzen.

Trotz der klaren Tendenz, die aus den erstinstanzlichen Urteilen der Arbeitsgerichte Braunschweig, Emden, Hannover und Kassel abzulesen ist, ist ein Ende des Konflikts nicht abzusehen. Im Februar beginnt das erste zweitinstanzliche Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht Hannover. Und auch wenn das sein Urteil gesprochen hat, könnte es noch weitergehen und das Thema beim Bundesarbeitsgericht landen.

VW will Vorwurf der Untreue vermeiden

Gut ein Jahr ist es her, da sorgte der Bundesgerichtshof (BGH) am 10. Januar mit seinem Urteil in Leipzig für ein Beben. Im Mittelpunkt stand die Praxis, wie Volkswagen Betriebsräte vergütet. Die obersten Richter hoben ein Urteil des Landgerichts Braunschweig auf, das vier zum Teil ehemalige VW-Personalverantwortliche im Zusammenhang mit der Betriebsratsvergütung vom Vorwurf der Untreue freigesprochen hatte. Zugleich äußerte das Gericht Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Vergütungspraxis.

Als Folge des BGH-Urteils kürzte VW Betriebsräten die Gehälter. Das gilt auch für Arbeitnehmervertreter, die für Töchter des Autobauers tätig sind – etwa Audi, MAN und Porsche. So will der Konzern vermeiden, dass er sich wie schon in der Vergangenheit dem Vorwurf der Untreue aussetzt. Das Unternehmen hatte zuvor auf ein Gutachten vertraut, das dem Autobauer ein rechtlich nicht zu beanstandendes Vorgehen bei der Bezahlung von Arbeitnehmer attestierte. Doch war das Gutachten nach dem BGH-Urteil Schall und Rauch.

Für VW geht es um Rechtssicherheit

In dem Konflikt geht es also nicht darum, dass VW meint, Betriebsräte in der Vergangenheit falsch, das heißt zu üppig entlohnt zu haben. Stattdessen geht es um die juristische Einschätzung der Vergütungspraxis. Der Fall war ursprünglich durch eine Anzeige von außen ins Rollen gekommen.

VW hat in der Vergangenheit betont, nach dem BGH-Urteil finale Rechtssicherheit anzustreben. Deshalb könnten die Verfahren bis zum Bundesarbeitsgericht durchgeklagt werden – weil entweder die klagenden Betriebsräte Rechtsmittel einlegen oder eben Volkswagen. So geschehen in dem Fall, der von Februar an vom Landesarbeitsgericht in Hannover verhandelt wird. Dann geht es um ein Betriebsratsmitglied aus Wolfsburg, das sein Verfahren in erster Instanz gewonnen hat.

VW-Betriebsrat fordert Reform des Betriebsverfassungsgesetzes

Für ein vorzeitiges Ende der Gerichtsverfahren könnten zwei Faktoren sorgen. Entweder die Staatsanwaltschaft stellt ihre Ermittlungen ein, oder der Gesetzgeber schafft rechtliche Klarheit. Das hat er nach dem Hickhack der Vergangenheit bereits angekündigt. Denn als Ursache für den Streit um die Betriebsratsvergütung wurde von Gewerkschaften, aber auch von VW das Betriebsverfassungsgesetz identifiziert.

Die Kritik: Das in die Jahre gekommene Gesetz gebe zu unscharfe Regeln vor. Das äußerte sich unter anderem darin, dass der Bundesgerichtshof und das Bundesarbeitsgericht zu abweichenden Einschätzungen kommen, wenn es um die Vergütungen geht. Das ist aus Sicht der Betroffenen misslich. Daher fordert unter anderem der VW-Betriebsrat eine Reform des Betriebsverfassungsgesetzes.

Durch die von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) angestrebte Reform des Betriebsverfassungsgesetzes soll der Widerspruch zwischen Straf- und Arbeitsrecht aufgehoben werden. Der Gesetzesentwurf zur Änderung der Betriebsverfassung wurde Anfang November im Bundeskabinett beschlossen. Nun muss er noch durch die parlamentarische Abstimmung.