Wolfenbüttel. Der Trend geht zu hochwertigen Reisen, erklärt der Geschäftsführer des Wolfenbütteler Reiseunternehmens, Philipp Cantauw.

Das Reiseunternehmen „Der Schmidt“ aus Wolfenbüttel wächst bei Flugreisen deutlich. Das Geschäft mit Busreisen ist hingegen leicht rückläufig, wie Geschäftsführer Philipp Cantauw im Gespräch mit unserer Zeitung erläuterte. Im Vergleich zum Jahr 2019, also vor der Corona-Pandemie, sei das Fluggeschäft um 60 Prozent gewachsen. „Der Braunschweiger Flughafen ist dabei unser Rückgrat“, erklärte Cantauw. Er stand mit seinem Unternehmen gerade bei Klimaaktivisten und der BIBS (Bürgerinitiative Braunschweig) in der Kritik für einen eintägigen Taufflug von Braunschweig nach Neapel. Der Flug sei ausgebucht gewesen.

Unter der Marke „Momento“ bietet die Reisebüro Schmidt GmbH von dem Flughafen vor allem in der Vor- und Nachsaison Flüge in Urlaubsländer wie Portugal, Italien oder Marokko an. Außerdem fliegt das Unternehmen von sieben weiteren Flughäfen ab, etwa Paderborn oder Sonderborg in Dänemark. Zwei weitere Abfllughäfen stünden in den Startlöchern. Der aktuelle Reisekatalog sei zudem der größte, den das Unternehmen je hatte. „Die Nachfrage ist riesig“, so Cantauw. Das Angebot bezeichnet er als „Boutique“, „Der Schmidt“ biete keinen Massentourismus an, sei vielmehr Spezialist für Nicht-Volumen-Reisen. „Wir denken jeden Flug einzeln“, so der Geschäftsführer, der auch im Beirat des Hannoveraner Reisekonzerns Tui sitzt. Dennoch kommen die Wolfenbütteler eigenen Angaben zufolge auf eine hohe fünfstellige Passagieranzahl pro Jahr, inklusive der Bus- und Schiffsreisenden. In der Schiffstouristik ist „Der Schmidt“ als Vermittler unterwegs und bietet die Touren nicht selbst an.

Das Reiseunternehmen betreibt neben dem Busterminal in Wolfenbüttel mehrere Niederlassungen in Wolfenbüttel, Braunschweig und Schöppenstedt. „Der Schmidt“ beschäftigt rund 200 Mitarbeitende.
Das Reiseunternehmen betreibt neben dem Busterminal in Wolfenbüttel mehrere Niederlassungen in Wolfenbüttel, Braunschweig und Schöppenstedt. „Der Schmidt“ beschäftigt rund 200 Mitarbeitende. © Wolfenbüttel | Karl-Ernst Hueske

Leerflüge kosten Reiseunternehmen Schmidt bis zu 20.000 Euro

Eigentlich dient der Flughafen Braunschweig-Wolfsburg Forschungszwecken und ist zudem Start- und Landepunkt für Business-Jets von Unternehmen und Unternehmern. Aber auch touristische Flüge sind dort zugelassen. Allerdings sind sie nach einem Planfeststellungsbeschluss auf 156 pro Jahr gedeckelt, wie der Flughafen auf Anfrage mitteilt. Der wesentliche Anteil davon würde durch „Der Schmidt“ betrieben, aber auch andere Veranstalter nutzten den Flughafen, unter anderem „Leserreisen“, ein Reise-Programm der Funke Mediengruppe, zu der auch diese Zeitung gehört. Der Schmidt hebt eigenen Angaben zufolge rund 40 Mal im Jahr von Braunschweig ab.

Cantauw glaubt, dass Fliegen per se klimaneutral möglich sei. „Wir müssen die Technik dafür vorantreiben“, sagt der „Der Schmidt“-Chef. Das funktioniere nur mit einer „starken und wirtschaftlich handlungsfähigen Industrie“. Das Unternehmen versuche schon, die eigenen Leer- und Positionierungsflüge extrem zu minimieren. „Das ist auch eine wirtschaftliche Frage“, sagt Cantauw. Ein Leerflug koste den Reiseanbieter samt Personalkosten und Start- und Landegebühren bis zu 20.000 Euro, rechnet er vor. „Das zahlt man nicht so gerne“, sagt er. Andererseits komme kein Reiseunternehmen an Positionierungsflügen vorbei. Außerdem nimmt „Der Schmidt“ mit seinen Flügen automatisch am EU-weiten CO2-Zertifikatehandel teil. Diese Kompensationskäufe seien in den Preisen für eine Reise verrechnet. Cantauw berichtet, dass eine freiwillige zusätzliche CO2-Kompensationszahlung, die „Der Schmidt“ mal seinen Kunden anbot, kaum genutzt wurde. „Das waren weniger als ein Prozent“, so der Reise-Chef.

Philipp Cantauw ist seit 2016 Geschäftsführer bei „Der Schmidt“ in Wolfenbüttel. Zu dem Reiseunternehmen gehört auch die Marke „Momento“, unter der das Unternehmen Flugreisen ab Braunschweig anbietet.
Philipp Cantauw ist seit 2016 Geschäftsführer bei „Der Schmidt“ in Wolfenbüttel. Zu dem Reiseunternehmen gehört auch die Marke „Momento“, unter der das Unternehmen Flugreisen ab Braunschweig anbietet. © FMN | Bernward Comes

Wolfenbütteler Reisebüro Schmidt „hängt am Nabel der Industrie“

Einen eigenen CO2-Reduktionspfad hat „Der Schmidt“ demnach nicht. „2050 klimaneutral zu sein, ist der Industriestandard im Luftverkehr“, so Cantauw. Dieses Ziel teile auch das Wolfenbütteler Unternehmen. „Wir sind zu klein und hängen zu sehr am Nabel der Industrie, um daran etwas zu ändern“, so der Geschäftsführer. Cantauw geht davon aus, dass Fliegen in Zukunft weiter im Preis steigt, weil die Kompensationszahlungen steigen werden. Grundsätzlich beobachtet der Unternehmer außerdem einen Trend zu höherwertigen Urlauben. „Die Tourismus-Branche insgesamt hat in diesem Jahr zum Beispiel rund 14 Prozent weniger Reisende, dafür aber 11 Prozent mehr Umsatz“, erklärt er. Die extrem günstigen Einstiegspreise im Markt seien weggefallen. „Zurzeit sind weniger Leute bereit, mehr Geld auszugeben“, so Cantauw. „Der Schmidt“ geht in diesem Jahr von einem Umsatz im mittleren zweistelligen Millionenbereich aus. Zum Gewinn macht es keine Angaben. Laut Bundesanzeiger erwirtschaftete das Reisebüro 2021 einen Überschuss von knapp 530.000 Euro

Im Gegensatz zu den Flug- sind die Busreisen des Wolfenbütteler Unternehmens im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 leicht zurückgegangen. „Wir haben weniger Kapazität im Markt und bekommen auch keine neuen Fahrer“, begründet Cantauw. Immer weniger Menschen seien bereit, am Wochenende zu arbeiten oder flexibel einsatzfähig zu sein. Das sei im Geschäft mit Busreisen aber unabdingbar. „Der Arbeitsmarkt hat sich in den vergangenen Jahren total verändert“, ist der Eindruck des Geschäftsführers. Mitarbeitende wünschten sich zum Teil 32-Stunden-Wochen und freie Freitage. „Als Busfahrer im Reiseverkehr weiß man aber im Extremfall Donnerstag noch nicht, wohin man am Samstag fährt.“

„Der Schmidt“ setzt im Busbereich auf E-Fuels

In Sachen Nachhaltigkeit setzt „Der Schmidt“ im Busbereich nicht auf Elektromobilität, sondern auf E-Fuels, also synthetische Kraftstoffe. Dafür lobbyiert Cantauw auch in Brüssel. „Wir wollen für die Busindustrie die Zusicherung, dass sie Zugriff auf E-Fuels bekommt“, sagt er. Das Wolfenbütteler Unternehmen könnte sie „morgen“ schon beimischen und so Schritt für Schritt den eigenen CO2-Fußabdruck reduzieren. Dafür müsste das Unternehmen nicht in eine neue Flotte investieren. Cantauw ist überzeugt, dass E-Busse auf Langstrecke nicht funktionieren.

Philipp Cantauw setzt sich in Brüssel dafür ein, dass die Busindustrie Zugriff auf E-Fuels bekommt. Elektro-Busse seien im Reiseverkehr keine Lösung.
Philipp Cantauw setzt sich in Brüssel dafür ein, dass die Busindustrie Zugriff auf E-Fuels bekommt. Elektro-Busse seien im Reiseverkehr keine Lösung. © FMN | Bernward Comes

Außerdem glaubt der Reise-Chef auch nicht, dass innerhalb der nächsten zwei Jahrzehnte europa- oder weltweit ein Elektro-Logistik-Standard geschaffen würde. „Was ist außerdem mit Großveranstaltungen, zu denen 200 Busse anreisen?“, fragt er. So viele Ladestationen seien nicht verfügbar. Auch Wasserstoff als Antrieb hält er im Busbereich nicht für die richtige Lösung. Im Öffentlichen Personen- und Nahverkehr seien Elektro-Busse aber attraktiv. „Da sind wir dran und testen. Ein großes Problem ist aber die ländliche Ladeinfrastruktur“, berichtet Cantauw. Sein Unternehmen ist Konzessionsinhaber mehrerer Buslinien im Kreis Wolfenbüttel.