Braunschweig. Lees Vater baute das China-Geschäft von VW in den 80er Jahren mit auf. Der Fachjournalist aus Wolfsburg las aus seinem Buch „China, mein Vater und ich“. Viele VWler hörten zu.

Wenpo Lee leitete in den 1970er Jahren eine Forschungsabteilung bei Volkswagen in Wolfsburg. Ab Ende der 70er Jahre baute er mit dem Konzern das Geschäft in China auf – als Mittler zwischen fremden Kulturen, als Dolmetscher und Manager. Wie abenteuerlich der Beginn der VW-Aktivitäten war und welchen Anteil Lee an der Erfolgsgeschichte des Konzerns hat, das hat sein Sohn Felix Lee aufgeschrieben. Der Wolfsburger ist Politik- und Wirtschaftsjournalist, lebt heute in Berlin und las am Montagabend im Medienhaus dieser Zeitung in Braunschweig aus seinem Buch „China, mein Vater und ich“. Das Interesse an der Lesung war groß, gekommen waren rund 180 Menschen, darunter viele, die selbst für VW in China gearbeitet hatten. Am Büchertisch, an dem Lee signierte, bildeten sich in der Pause und nach der Lesung Schlangen.

Felix Lee ist in Wolfsburg geboren, in der VW-Stadt und in Peking aufgewachsen und lebt heute in Berlin. Während der Pandemie interviewte er mehrfach seinen Vater, entstanden ist aus den Gesprächen das Buch „China, mein Vater und ich“.
Felix Lee ist in Wolfsburg geboren, in der VW-Stadt und in Peking aufgewachsen und lebt heute in Berlin. Während der Pandemie interviewte er mehrfach seinen Vater, entstanden ist aus den Gesprächen das Buch „China, mein Vater und ich“. © FMN | Bernward Comes

„Es waren viele Leute mit China-Bezug da, alte Freunde aus Wolfsburg, die ich seit Jahrzehnten nicht gesehen habe, frühere Arbeitskollegen von meinem Vater und sogar der Bruder meiner Grundschullehrerin“, berichtet Felix Lee am Dienstag. „Das waren richtig berührende Momente.“ Er sei beeindruckt von dem Interesse. Dass er die ungewöhnliche Geschichte seines chinesischen Vaters, der als Kind nach Taiwan floh, erst auf der Straße lebte, später einen Zugang zur Bildung fand, in Deutschland studierte und schließlich Ingenieur bei Volkswagen wurde, überhaupt aufschrieb, hat er Kollegen und Freunden zu verdanken. Sie drängten ihn dazu, die Corona-Pandemie gab Lee die nötige Muße. Wegen der Ansteckungsgefahr interviewte er seinen Vater, der seit 2016 in Berlin lebt, zwei, drei Monate immer wieder via Skype.

Größter Erfolg für VW in China: der Audi. Hier ist die offizielle Einführung des Audi 200 in Changchun 1996 zu sehen.
Größter Erfolg für VW in China: der Audi. Hier ist die offizielle Einführung des Audi 200 in Changchun 1996 zu sehen. © Braunschweig | Familienarchiv Felix Lee

Familiengeschichte zwischen Wolfsburg und China, zwischen VW und Regime

Entstanden ist aus diesen Gesprächen eine chinesisch-wolfsburgische Familiengeschichte, die den Beginn von VW in China beschreibt und den Aufstieg der Volksrepublik zur Wirtschaftsmacht. „VW hatte in China unglaublich goldene Jahre“, sagte Lee am Montagabend. Allerdings profitierte auch China enorm vom Autobauer, dessen Produktion zum wirtschaftlichen Aufstieg des damals noch isolierten und rückständigen Landes beitrug. Die Joint-Ventures (zu deutsch: „Gemeinschaftsunternehmen“), die Volkswagen schon früh mit chinesischen Partnern einging, machten Schule, berichtete Lee. „VW leistete hier Pionierarbeit.“ Genauso war Patentschutz damals in China nicht vorhanden, so wurde schließlich deutsches Recht übernommen, auch große Teile des bürgerlichen Gesetzbuches, erklärte Lee.

Kulturredakteur Florian Arnold (rechts) moderierte den kurzweiligen Abend mit Buchautor und Journalist Felix Lee im Medienhaus in Braunschweig.
Kulturredakteur Florian Arnold (rechts) moderierte den kurzweiligen Abend mit Buchautor und Journalist Felix Lee im Medienhaus in Braunschweig. © FMN | Bernward Comes

Der Autor und Journalist berichtete davon, wie sein Vater Volkswagen in China den populären Namen Da Zhong („großes Volk“) gab, warum der Golf in China nie erfolgreich geworden wäre, dafür aber Autos mit Stufenheck beliebt waren und der Audi 100 lange Staatskarosse war. „Volkswagen war viele Jahre nah dran am Geschmack der Chinesen“, so Lee. Heute hat Volkswagen allerdings genau damit Probleme. Chinesische Elektroauto-Hersteller laufen VW in Technik und Design den Rang ab. Laut Lee war Volkswagen zu lange, bis 2016/2017, entspannt mit Blick auf die Elektromobilität und seine Marktposition. „Aber die Markenloyalität hat VW nicht geschützt, weil die Preisunterschiede zu groß sind“, erklärte Lee.

Lee zur Rolle Chinas im Israel-Konflikt: Verlogenheit ist zu erwarten

Der Autor streifte auf Nachfrage des Moderators Florian Arnold, Kulturredakteur dieser Zeitung, auch aktuelle politische Themen. So schätzt er die Rolle Chinas in dem ausbrechenden Krieg im Nahen Osten etwa so ein: „China wird sich ähnlich verlogen verhalten wie im Ukraine-Krieg.“ Machthaber Xi Jinping werde den Täter nicht beim Namen nennen, zur Deeskalation aufrufen, „um hintenrum doch mitzumischen, über Umwege wie den Iran“, so Lee.

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Eine Leserin wollte wissen, ob China tatsächlich versucht, Wettbewerber wie Tesla aus dem Markt zu drängen. Lee kennt diese Befürchtungen, sagte aber, dass bis jetzt nichts konkret passiert sei. An den ausländischen Autoherstellern hingen viele Arbeitsplätze, das sei für die Volksrepublik nach wie vor wichtig. Allein Volkswagen betreibt in China heute 34 Werke, als Lees Vater 1997 in Rente ging, waren es drei. Entsprechend ist VW heute besonders stark auf die Verkäufe in dem 1,4-Milliarden-Einwohner-Land angewiesen. Aber Lee beruhigte auch: „Abhängigkeit beruht immer auf Gegenseitigkeit, das ist das Gute.“

Das Buch „China, mein Vater und ich. Über den Aufstieg einer Supermacht und was Familie Lee aus Wolfsburg damit zu tun hat.“ ist im Ch. Links-Verlag in Berlin erschienen. Es ist für 22 Euro im Shop unseres Medienhauses, Hintern Brüdern 23 in Braunschweig, sowie im Buchhandel erhältlich.