Braunschweig. Matthias Disterheft erntete für seine Aussage viel Kritik. Jetzt erklärt der Braunschweiger Politiker: Seine Worte waren nicht ernst gemeint.

Als der TV-Koch Frank Rosin vor kurzem sein Restaurant „Green Rosin“ am Flughafen Braunschweig-Wolfsburg eröffnete, war auch der Aufsichtsratsvorsitzende des Flughafens, Matthias Disterheft, zugegen. Er ist Geschäftsführer und Kassierer bei der IG Metall in Wolfsburg und sitzt außerdem für die SPD im Rat der Stadt Braunschweig. Unserer Reporterin diktierte er bei der Restaurant-Eröffnung den Satz in den Block „Ich würde mich freuen, dass es, so wie in den Vereinigten Staaten, normal wird, zum Mittagessen in eine andere Stadt zu fliegen“.

In unserer Leserschaft sorgte diese Aussage für viel Unmut. Zum Mittagessen fliegen, während der Klimawandel immer spürbarer wird? Und das wünscht sich jemand, dessen Partei das Klimaschutzgesetz mit verabschiedet hat und dessen Gewerkschaft eine sozial-ökologische Transformation fordert?

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Matthias Disterheft rudert zurück. Er erklärt auf Anfrage, dass er diesen Satz nicht ganz ernst gemeint habe. Er sei doch selbst in zahlreichen Projekten tätig, bei denen es um Klimaschutz ginge, etwa beim Einsatz von Wasserstoff. Seine Worte seien in dem Zusammenhang falsch herüberkommen. „Die CO2-Minderung spielt für mich eine riesengroße Rolle“, sagt er.

Braunschweiger Politiker Matthias Disterheft: Vor Jahren zum letzten Mal geflogen

Ob er selbst schon zum Mittagessen mal in eine andere Stadt geflogen sei? „Nein, ich bin das letzte Mal vor vielen Jahren geflogen“, sagt Disterheft. Er sei kein Mensch, der zum Spaß fliege. Anderswo gäbe es tatsächlich zum Beispiel das „Currywurst Fly in“; statt Landegebühren zu bezahlen, bekäme Flieger ein Essen am Flugplatz umsonst. „So etwas machen wir nicht“, sagt der Aufsichtsratschef des Flughafens. „Je höher die CO2-Emissionen sind, desto höher sind bei uns auch die Landegebühren.“ Im Gegenteil würde am Flughafen Braunschweig-Wolfsburg viel geforscht in Sachen Klimaschutz, vom Leichtbau der Maschinen bis zur Messung der Ozonschicht in der Luft.

Matthias Disterheft (Mitte), Aufsichtsratsvorsitzender des Flughafen Braunschweig-Wolfsburg, bei der Eröffnung des Restaurants „Green Rosin“ am 14. August.  Neben ihm stehen Michael Schwarz (links), Geschäftsführer des Flughafens, und Gerold Leppa, Wirtschaftsdezernent der Stadt Braunschweig.
Matthias Disterheft (Mitte), Aufsichtsratsvorsitzender des Flughafen Braunschweig-Wolfsburg, bei der Eröffnung des Restaurants „Green Rosin“ am 14. August. Neben ihm stehen Michael Schwarz (links), Geschäftsführer des Flughafens, und Gerold Leppa, Wirtschaftsdezernent der Stadt Braunschweig. © Regios24 | Darius Simka

Ernst-Johann Zauner, zuständig für die Pressearbeit am Flughafen, nimmt Disterheft in Schutz: Er sei in Umweltfragen sehr engagiert. „Niemand, vor allem auch er nicht, möchte Braunschweig zum Zielflughafen eines Gourmet-Tourismus machen – zumindest nicht aus der Luft“, erklärt der Sprecher. Allerdings könne es für Piloten sehr wohl ein Argument sein, einen notwendigen Zwischenstopp zum Tanken oder zu einem Geschäftsgespräch in Braunschweig einzulegen, wenn man wüsste, dass es mit dem „Terrazzo“ und dem „Green Rosin“ ein gutes gastronomisches Angebot in unmittelbarer Flughafennähe gebe, erläutert Zauner.

Kreisverbände der Grünen Jugend fordern Privatjet-Stopp

Die Kreisverbände der Grünen Jugend Braunschweig und Wolfsburg forderten Anfang August die Städte derweil dazu auf, ihre Anteile am Flughafen Braunschweig-Wolfsburg dazu zu nutzen, einen Stopp von Privatjet-Flügen durchzusetzen. „Vor rund sieben Wochen stand Braunschweig noch unter Wasser. (...) Gleichzeitig steigen keine zehn Kilometer entfernt extrem Reiche in innerdeutsche Privatjet-Flüge und stoßen mit einer einzigen Rundreise mehr CO2 in die Luft aus als ein durchschnittlicher Mensch in einem halben Jahr“, sagte David Christner, Sprecher der Braunschweiger Grünen Jugend. Es gehe dabei nicht um eine Neiddebatte und auch nicht darum, einer Arbeiterfamilie ihren Urlaubsflug verbieten zu wollen.

Vito Brullo, Sprecher der Wolfsburger Jugend, erklärte, es reiche nicht, wenn der Flughafen Braunschweig-Wolfsburg Blühwiesen am Rollfeld anlege und auf Mülltrennung achte. Wenn er tatsächlich seiner selbst wahrgenommenen ‘ökologischen und sozialen Verantwortung’ nachkommen wolle, dann müsse dort die Nutzung eines der umweltschädlichsten Fortbewegungsmittel für einige Wenige, die Nutzung des Privatjets, untersagt werden. Den Verbänden zufolge haben die Privatjet-Flüge bundesweit im vergangenen Jahr um 9 Prozent zugenommen. Auch VW ist Ziel der Kritik: VW besitze die größte Privatjet-Flotte aller Dax-Unternehmen, 2022 hätte ein Viertel aller Jetflüge Ziele innerhalb Deutschlands angeflogen. Die Grüne Jugend sprach vom „Greenwashing“ des VW-Konzerns.

Ein von Klimaschutz-Aktivisten der Initiative „Letzte Generation“ mit oranger Farbe besprühter Jet steht auf einem Rollfeld auf Sylt.
Ein von Klimaschutz-Aktivisten der Initiative „Letzte Generation“ mit oranger Farbe besprühter Jet steht auf einem Rollfeld auf Sylt. © dpa | Julius Schreiner

Vom Flughafen heißt es dazu, dass Forderungen nach einem Verbot von Business-Jet-Flügen nicht durchsetzbar seien. „Der Flughafen Braunschweig-Wolfsburg unterliegt als Verkehrsflughafen einer Betriebspflicht gemäß den Bestimmungen der internationalen Luftfahrtorganisationen und der nationalen Luftverkehrsbehörden“, erklärte der Sprecher. Luftfahrzeuge, die von dort starten und landen würden, hätten eine behördliche Zulassung. „Im Rahmen der Betriebspflicht des Flughafens haben sie gesetzlich ein Anrecht darauf, diesen zu nutzen. Das ist ein Recht, das nicht einfach versagt werden kann.“

Im vergangenen Jahr 2202 Privatjet-Flüge am Flughafen Braunschweig-Wolfsburg

Nach Angaben des Flughafens starteten und landeten vergangenes Jahr 2202 Business-Jets, gern als Privatjets bezeichnet, in Braunschweig-Wolfsburg. Die weitaus größte Zahl dieser Maschinen befinde sich nicht in Privatbesitz, sondern werde von Firmen – vor allem Charter-Unternehmen – betrieben. Eine größere Anzahl der Flüge dürfte auf Volkswagen zurückgehen oder andere große ansässige Unternehmen wie den Modehändler New Yorker. Laut Flughafen waren unter den mehr als 2000 Flügen aber auch Rettungsflüge, Lufthansa-Trainings, Flüge der Flugbereitschaft der Bundeswehr, Forschungsflüge sowie Flüge mit Botschaftern oder Politikern ausländischer Staaten.

Der Flughafen sei Start- und Landebahn für die regionale Wirtschaft und die Luftfahrtforschung sowie Dreh- und Angelpunkt für einen der europaweit stärksten Standorte der Mobilitätsforschung mit mehr als 3500 hochqualifizierten Arbeitsplätzen, hieß es. In der „Rangliste“ der deutschen Verkehrsflughäfen rangiert der Flughafen gemessen an den Passagierzahlen an vorletzter Stelle. Pro Jahr fertigt der Flughafen mehr als 43.000 Passagiere ab. Insgesamt zählte er vergangenes Jahr knapp 28.000 Starts und Landungen, nur 42 Flüge davon waren touristischer Natur.

Einen CO2-Fußabdruck habe der Flughafen noch nicht ermittelt. Es werde allerdings an einem Nachhaltigkeitsprojekt gearbeitet. „Darüber hinaus wird schon jetzt die Flotte der Vorfeldfahrzeuge auf Elektromobilität umgestellt. Hilfsaggregate mit Dieselantrieb wurden bereits zum Teil gegen Elektroaggregate ausgetauscht“, erklärte der Sprecher, der auch auf die Blühwiesen hinwies und auf den Strom, den der Flughafen künftig für den gesamten Eigenbedarf mit Solaranlagen produzieren will.