Karlsruhe. Ein Baum der Gemeinde hat einer Hausbesitzerin einen Wasserschaden eingebrockt: Wer muss zahlen? Der Bundesgerichtshof entscheidet.

In der Julinacht 2012 regnet und regnet es. Irgendwann stehen die Keller voll. Eine Hauseigentümerin im niedersächsischen Königslutter findet auf dem angrenzenden Wendeplatz der Gemeinde einen Schuldigen: eine Kastanie.

Die Wurzeln waren in die Kanalisation eingedrungen, so dass diese die Regenmassen nicht mehr bewältigen konnte. Das Wasser richtete einen Schaden von etwa 30.000 Euro an. Von der Gemeinde will die Eigentümerin nun Ersatz für zwei Drittel ihrer Schäden, also 20.000 Euro. An diesem Donnerstag befasst sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit dem Fall. Die wichtigsten Fragen im Überblick:

Warum geht es nur um zwei Drittel der Schäden?

Zum Problem wurden bei dem Unwetter nicht nur die Wurzeln der Kastanie: Die Klägerin hatte ihr Haus nicht gegen einen Rückstau gesichert. Sie steht deshalb für einen Teil der Schäden selbst ein.

Was ist eine Rückstausicherung?

„Damit soll verhindert werden, dass Wasser durch die Rohre ins Haus eindringt“, sagt Peter Queitsch vom Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen. „Gerade bei Starkregen ist das wichtig.“ Die Gemeinden verpflichten deshalb die Bürger per Satzung dazu, ihre Häuser gegen einen Rückstau zu sichern.

Die Klägerin hat das trotzdem nicht gemacht: Ein Einzelfall?

Nein. „Sehr, sehr viele Hauseigentümer haben keinen Rückstauschutz eingebaut“, sagt Manuela Lierow von der Verbraucherzentrale NRW.

Dauerregen in Niedersachsen

Dauerregen hat im südlichen Niedersachsen am Mittwoch in einigen Orten zu Überschwemmungen geführt. Goslar rief den Katastrophenalarm aus. Einsatzkräfte versuchten in der Altstadt mit Sandsäcken die Wassermassen zurückzuhalten.
Dauerregen hat im südlichen Niedersachsen am Mittwoch in einigen Orten zu Überschwemmungen geführt. Goslar rief den Katastrophenalarm aus. Einsatzkräfte versuchten in der Altstadt mit Sandsäcken die Wassermassen zurückzuhalten. © dpa | Swen Pförtner
Passanten gehen über den überfluteten Marktplatz in der Altstadt von Goslar.
Passanten gehen über den überfluteten Marktplatz in der Altstadt von Goslar. © dpa | Swen Pförtner
Notdürftig mit Tischen schützen sich Anwohner in Goslar vor den Wassermassen.
Notdürftig mit Tischen schützen sich Anwohner in Goslar vor den Wassermassen. © dpa | Swen Pförtner
Gäste und evakuierte Hotelgäste sitzen auf einer Terrasse.
Gäste und evakuierte Hotelgäste sitzen auf einer Terrasse. © dpa | Swen Pförtner
Diese Gleise der Bahnstrecke zwischen Bad Harzburg und Vienenburg waren nach lang anhaltendem Starkregen komplett überflutet. Der Bahnverkehr war unterbrochen.
Diese Gleise der Bahnstrecke zwischen Bad Harzburg und Vienenburg waren nach lang anhaltendem Starkregen komplett überflutet. Der Bahnverkehr war unterbrochen. © dpa | Triebfahrzeugführer
Wasser sprudelt aus einem Gullydeckel.
Wasser sprudelt aus einem Gullydeckel. © dpa | Swen Pförtner
Am Donnerstag entspannte sich die Lage wieder. Der Katastrophenalarm wurde wieder aufgehoben.
Am Donnerstag entspannte sich die Lage wieder. Der Katastrophenalarm wurde wieder aufgehoben. © dpa | Stefan Rampfel
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Warum diese Nachlässigkeit?

„Aus Unkenntnis“, so die Verbraucherschützerin. „Die Bürger wissen viel zu wenig über ihre Abwasserleitungen.“ Auch Queitsch fragt: „Wer weiß schon, was eine Rückstausicherung ist.“ Städte und Gemeinden setzten da zu viel voraus. „Ich würde mir wünschen, dass sich Bürger das erklären lassen.“ Aber es sei auch Aufgabe der Gemeinden, da aufzuklären. „Entwässerungssatzungen sind ja sprachlich nicht unbedingt so verfasst, dass man das vor dem Schlafengehen liest.“

Wer haftet, wenn keine Rückstausicherung eingebaut wurde?

In der Vergangenheit hätten die Gerichte Eigentümern in solchen Fällen selbst die Schuld gegeben, sagt Queitsch. „Ich würde begrüßen, wenn diese Rechtsprechung gehalten wird.“ Die Vorinstanz, zu dem aktuellen BGH-Fall, liegt auf dieser Linie.

Allerdings verweisen die Richter in ihrem Urteil auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Nürnberg, die anders ausgefallen war: In dem Fall hatte ein Ahorn den Kanal verstopft und der Eigentümer keine Rückstausicherung eingebaut. Die Richter kamen zu dem Ergebnis: Irgendwie waren beide Schuld. Gemeinde und Eigentümer sollten sich den Schaden daher teilen.

Wie sehen Verbraucherschützer das?

„Man könnte grundsätzlich sagen, die Ursache für den Rückstau ist egal“, sagt Lierow. „Eine Sicherung kann aber auch mal ausfallen, etwa durch Ratten in der Kanalisation, die Rückstauklappen anfressen können.“ Deshalb sollte gelten: Wenn eine Gemeinde selbst ein Rückstaurisiko schafft, etwa durch Kanalarbeiten, und nicht darauf hinweist, dann ist eine Mithaftung nicht ausgeschlossen.

So sieht das auch Gerold Happ vom Eigentümerverband Haus und Grund mit Blick auf den Fall vor dem BGH: „Wenn die Gemeinde etwas gegen die Wurzeln der Kastanie in der Kanalisation hätte tun müssen, dann wird sie für einen Teil der Schäden aufkommen müssen.“ Der BGH wird daher auch klären müssen, welche Verkehrssicherungspflicht die Gemeinde im Hinblick auf die Verwurzelung der Kanalisationen trifft.

Tritt das Problem in letzter Zeit vermehrt auf?

„Das Thema ist wegen des vermehrten Starkregens in den vergangenen Jahren aktuell“, sagt Bernd Düsterdiek vom Städte- und Gemeindebund. Außerdem: „Mittlerweile werden die Kapazitäten der Kanalsysteme wegen Neubauten vielerorts voll ausgeschöpft, wodurch häufiger Wasser in den Rohren und Schächten zurückstaut“, sagt Lierow. Auch deshalb sei eine fehlende Rückstausicherung mittlerweile problematischer. (dpa)

Stärkste Sturmflut seit 2006

Es war seit 2006 die stärkste Sturmflut an der Ostseeküste in Deutschland. Pegelstände zwischen 150 und 170 Zentimetern höher als üblich wurden gemessen, Deiche überspült, Häuser und Keller geflutet. Die Stadt Warnemünde (Mecklenburg-Vorpommern) war von der Sturmflut betroffen.
Es war seit 2006 die stärkste Sturmflut an der Ostseeküste in Deutschland. Pegelstände zwischen 150 und 170 Zentimetern höher als üblich wurden gemessen, Deiche überspült, Häuser und Keller geflutet. Die Stadt Warnemünde (Mecklenburg-Vorpommern) war von der Sturmflut betroffen. © dpa | Stefan Sauer
In der Stadt lief das Restaurant „Seehund
In der Stadt lief das Restaurant „Seehund" voll Wasser. © dpa | Bernd Wüstneck
Feuerwehrkräfte waren verstärkt im Einsatz.
Feuerwehrkräfte waren verstärkt im Einsatz. © dpa | Bernd Wüstneck
In Wismar (Mecklenburg-Vorpommern) entsprach der Pegelstand einer schweren Sturmflut. In der Altstadt liefen Keller voll. Auch ein historisches Speichergebäude am Stadthafen stand unter Wasser.
In Wismar (Mecklenburg-Vorpommern) entsprach der Pegelstand einer schweren Sturmflut. In der Altstadt liefen Keller voll. Auch ein historisches Speichergebäude am Stadthafen stand unter Wasser. © dpa | Jens Büttner
Die Sandsackmauer, die zuvor errichtet worden war, konnte da nicht mehr viel ausrichten.
Die Sandsackmauer, die zuvor errichtet worden war, konnte da nicht mehr viel ausrichten. © dpa | Jens Büttner
In Lübeck (Schleswig-Holstein) wurde ein Pegelstand von 1,79 Metern gemessen.
In Lübeck (Schleswig-Holstein) wurde ein Pegelstand von 1,79 Metern gemessen. © dpa | Bodo Marks
Fahrräder verschwanden fast im Hochwasser der Trave.
Fahrräder verschwanden fast im Hochwasser der Trave. © dpa | Bodo Marks
Die Zugangsstraßen zum Fluss wurden gesperrt.
Die Zugangsstraßen zum Fluss wurden gesperrt. © dpa | Bodo Marks
Einsatzkräfte zogen zahlreiche Autos aus den Fluten.
Einsatzkräfte zogen zahlreiche Autos aus den Fluten. © dpa | Bodo Marks
Der Einsatzstab in Lübeck war kurzfristig personell verstärkt worden. Viele Leute hatten ihre Häuser nicht genügend mit Sandsäcken gesichert. In der Nacht wurden noch immer Sandsäcke verteilt.
Der Einsatzstab in Lübeck war kurzfristig personell verstärkt worden. Viele Leute hatten ihre Häuser nicht genügend mit Sandsäcken gesichert. In der Nacht wurden noch immer Sandsäcke verteilt. © dpa | Bodo Marks
Wer sein Haus gesichert hatte, wurde mit Glück von den Wassermengen verschont.
Wer sein Haus gesichert hatte, wurde mit Glück von den Wassermengen verschont. © dpa | Bodo Marks
Dieser Lübecker fotografierte die Überschwemmung vor der Haustür.
Dieser Lübecker fotografierte die Überschwemmung vor der Haustür. © dpa | Bodo Marks
In Rostock (Mecklenburg-Vorpommern) entlang der Warnow waren viele Häuser in einem zwei Kilometer langen Abschnitt gefährdet. Eine Straße musste gesperrt werden.
In Rostock (Mecklenburg-Vorpommern) entlang der Warnow waren viele Häuser in einem zwei Kilometer langen Abschnitt gefährdet. Eine Straße musste gesperrt werden. © dpa | Bernd Wüstneck
Mit Regenjacke und Gummistiefeln erkundete dieses Kind die überschwemmte Straße.
Mit Regenjacke und Gummistiefeln erkundete dieses Kind die überschwemmte Straße. © dpa | Bernd Wüstneck
In Hamburg stand die Fischauktionshalle am Fischmarkt unter Wasser.
In Hamburg stand die Fischauktionshalle am Fischmarkt unter Wasser. © dpa | Daniel Reinhardt
In Neuharlingersiel (Niedersachsen) lief die Sturmflut nicht so hoch wie befürchtet auf.
In Neuharlingersiel (Niedersachsen) lief die Sturmflut nicht so hoch wie befürchtet auf. © dpa | Ingo Wagner
Bereits am Mittwochnachmittag war die Ostsee über die Ufer getreten.
Bereits am Mittwochnachmittag war die Ostsee über die Ufer getreten. © dpa | Stefan Sauer
Die Wellen türmten sich meterhoch auf.
Die Wellen türmten sich meterhoch auf. © dpa | Bernd Wüstneck
In Binz auf der Insel Rügen erreichte das Wasser den Dünenfuß.
In Binz auf der Insel Rügen erreichte das Wasser den Dünenfuß. © dpa | Stefan Sauer
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