Brüssel. EU-Kommission verlangt 2,42 Milliarden Euro, weil Google seine Position zum Schaden von Konkurrenten und Verbrauchern missbraucht habe.

In der Internetwelt besitzt und verwaltet Google die Auslage. Die Suchanfrage öffnet das Schaufenster, was dort den prominentesten Platz hat, wird am besten verkauft. Der schönste Platz im Bildschirm-Schaufenster ist oben – und oben stehen vor allem Google-Produkte, nämlich Preisvergleichsdienste für Shopping, Reise- oder Hotelbuchungen. Die schöne Platzierung ist kein Zufall, sagt die EU-Kommission in Brüssel.

Und sie sei unzulässig. „Was Google gemacht hat, ist nach EU-Kartellrecht illegal“, erklärt EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager und verhängt die Rekordstrafe von 2,42 Milliarden Euro. Die Firma verschaffe mit ihrer Marktmacht als Suchmaschinenbetreiber dem hauseigenen Preisvergleichsdienst Google Shopping einen unfairen Wettbewerbsvorteil. Bei den Suchdiensten, die den Anfrager auch zu allen möglichen Angeboten von Waren und Dienstleistungen führen, hat Google nahezu eine Monopolstellung.

Beachtliche Innovationskraft

In den meisten EU-Ländern kommt sie auf einen Marktanteil von über 90 Prozent. Das Unternehmen schreibt das der Qualität seiner Dienste zu. Schließlich könne jeder Internetnutzer immer noch unter einer ganzen Reihe von Suchdiensten wählen, die ebenfalls gratis sind. Wenn sich die Mehrheit der Kunden für Google entscheide, liege das offenbar an der überlegenen Qualität. Vestager lässt das nicht gelten. Zwar sei der US-Konzern dank beachtlicher Innovationskraft bei der Fortentwicklung der Suchdienste immer wieder in der Lage, besser auf Kundenwünsche einzugehen.

Die Dominanz selbst sei auch nicht illegal. „Sie bringt aber eine besondere Verantwortung mit sich“, erläutert die dänische Kommissarin. „Niemand darf seine beherrschende Stellung in einem Markt ausnutzen, um sich einen unfairen Vorteil auf einem anderen Markt zu verschaffen!“ Genau das aber hat Google nach Ansicht der Brüsseler Wettbewerbshüter getan. Sie haben eine große Zahl Suchanfragen ausgewertet und dabei festgestellt: Bei Google rutschen die Angebote von Google Shopping systematisch nach oben.

Vorwürfe zurückgewiesen

„Google hat seine beherrschende Stellung als Suchmaschinenbetreiber missbraucht, um den eigenen Preisvergleichsdienst in seinen Ergebnissen gut zu platzieren, während Vergleichsdienste von Wettbewerbern auf der Ergebnisseite nach hinten rutschen“, stellt die Kommission fest. Google weist die Vorwürfe zurück. In Deutschland und Großbritannien praktiziert Google laut Kommission die Diskriminierung der Konkurrenz schon seit 2008, in anderen EU-Ländern sei sie dazu erst später übergegangen.

Die Gestaltung des Schaufensters im Netz ist echtes Geld wert, denn was oben steht, wird häufiger angeklickt, was sich wiederum segensreich auf die Einnahmen auswirkt. Oder wie Vestager sagt: „Bessere Sichtbarkeit und mehr Zugriffe sind zwei Seiten einer Münze.“ So seien in Deutschland seit Beginn der Manipulation die Klickzahlen für Google Shopping um das 35-Fache in die Höhe geschossen, in Großbritannien sogar um das 45-Fache. Die Mitbewerber erlitten Einbußen in ähnlichen Größenordnungen. Der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) und der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) begrüßten die Entscheidung der Kommission.

Missbrauch von Marktmacht

Wichtig sei nun, dass „Google wirksam und nachhaltig alle Selbstbegünstigungen abstellt und wieder für einen fairen Wettbewerb zwischen Online-Angeboten sorgt“, sagten die Präsidenten von VDZ und BDZV, Stephan Holthoff-Pförtner und Mathias Döpfner. Die am Dienstag verhängte Strafe ist das bislang höchste Bußgeld wegen Missbrauchs von Marktmacht. Der bisherige Rekord betraf den US-Chiphersteller Intel, der 2009 gut eine Milliarde Euro bezahlen musste.

Zu dem neuen Höchstbetrag kommt die Kommission, weil der beanstandete Tatbestand besonders gravierend sei und schon lange andauere. Wenn Google nicht binnen 90 Tagen die Praktiken abstellt, droht dem Unternehmen weiteres Ungemach: Die Kommission will dann ein Zwangsgeld von bis zu fünf Prozent des Tagesumsatzes der Konzernmutter Alphabet erheben. Das wären mehr als elf Millionen Euro täglich. Außerdem lud Vestager benachteiligte Wettbewerber ein, gegen Google Schadenersatz geltend zu machen.

Umgangene Steuern

Darüber hinaus will sie weitere Dienste wie Google Images und Google Travel unter die Lupe nehmen. „Dies ist nur der Ausgangspunkt.“ Das Smartphone-System Android und ein weiterer Google-Dienst sind bereits Gegenstand einer förmlichen EU-Untersuchung. Politisch gilt der Fall als besonders brisant, weil er erneut einen US-Internetriesen betrifft. Auch mit Microsoft, Intel, Apple, Facebook und Amazon hat sich die Brüsseler Wettbewerbsaufsicht schon angelegt. Den empfindlichsten Schlag musste bislang Apple hinnehmen, das voriges Jahr verdonnert wurde, 13 Milliarden unrechtmäßig umgangene Steuern nachzuzahlen.

Zudem hat die Regierung des Präsidenten Donald Trump die Europäer prinzipiell in Verdacht, die US-Wirtschaft mit unlauteren Methoden zu behindern. Im EU-Parlament gab es hingegen Beifall für Vestagers harten Zugriff. „Google hat bei Suchanfragen über Jahre systematisch die eigenen Dienste bevorzugt und damit Konkurrenten vom Markt gedrängt. Das ist ein glasklarer Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung“, sagte der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber.