Frankfurt/Main. Die großen Konfessionen sind als Unternehmen so umsatzstark wie die Autoindustrie. Zudem sind sie der größte Grundbesitzer des Landes.

Die großen deutschen Kirchen sind so umsatzstark wie die komplette deutsche Autoindustrie mit ihrem Deutschland-Geschäft. Man schätzt den Umsatz von katholischer und evangelischer Kirche auf 129 Milliarden Euro jährlich, während die Autoindustrie auf 127 Milliarden kommt. Doch die Kirchen als Unternehmer sind kaum bekannt. Dabei haben sie in vielen Branchen ihre Gelder stecken, natürlich vor allem im sozialen Bereich.

In Altenheimen und Kitas, in Kranken- und Pflegeeinrichtungen, in Hospizen und in Sozial- und Beratungsstationen nehmen etwa zwölf Millionen Menschen jährlich die Dienste der katholischen Caritas in Anspruch. Die des evangelischen Pendants, der Diakonie, fragen rund zehn Millionen Menschen nach. Aber das Geld der Kirchen steckt auch in Banken, etwa in der als Genossenschaft aufgestellten BIB, der Bank im Bistum Essen. Das Geld der Kirchen arbeitet in Versicherungen, in etwa 60 Hotels, in Wohnungsgesellschaften, in Nachrichtenagenturen und Journalistenschulen.

830.000 Hektar Land gehören den Kirchen

Tellux Film, mehrheitlich im Besitz katholischer Bistümer, produziert nicht nur Filme wie „Kraftort Kloster“, sondern auch den einen oder anderen „Tatort“. Die Adelholzener GmbH im Chiemgau verkauft für rund 100 Millionen Euro jährlich Mineralwasser und andere Erfrischungsgetränke, um die Dienste einer Ordensgemeinschaft, die der Barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul, finanziell abzusichern.

Hinzu kommen neben den Kirchengebäuden bundesweit weitere 87.000 Immobilien. Und viel Land: Beiden Kirchen gehören zusammen knapp 830.000 Hektar in Deutschland. Sie sind damit der größte Grundbesitzer des Landes. „Diese ganzen materiellen Interessen werden normalerweise überhaupt nicht wahrgenommen“, sagt Carsten Frerk, Politologe und Autor („Kirchenrepublik Deutschland“).

Erzbistum München-Freising besonders wohlhabend

Der Wohlstand der Kirchen als Wirtschaftsunternehmen wurde zuletzt Gegenstand einer heftigen öffentlichen Debatte, als der frühere Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst mit Sonderwünschen die Kosten seines Bischofshauses von sechs auf 30 Millionen hochtrieb. Unter dem dadurch entstandenen Transparenzdruck veröffentlichten einige Bistümer Bilanzen.

Als reichste Diözese in Deutschland gilt das Erzbistum München-Freising mit einem Vermögen von 5,5 Milliarden Euro. Paderborn (4,2 Milliarden Euro) und Köln (3,4 Milliarden Euro) können nur knapp mithalten. Berlin liegt mit 590 Millionen Euro im Mittelfeld. Die beiden Kirchen sind auch große Arbeitgeber. Mehr als 600.000 hauptamtliche Mitarbeiter beschäftigt die katholische Caritas. Damit ist sie nach dem Staat der größte Arbeitgeber, gefolgt von der evangelischen Diakonie. Dort sind gut 460.000 Menschen fest angestellt.

Eigenes Arbeitsrecht für Kirchen-Beschäftigte

„Es spielt sicher eine Rolle, dass die Kirchen sehr alte Institutionen sind, die sich bis in die Neuzeit hinein behaupten konnten“, erklärt der Ökonom Dominik Enste die Finanzkraft der Kirchen. Enste leitet im Institut der deutschen Wirtschaft das Kompetenzfeld Wirtschaftsethik. Die Kirchen profitierten auch vom Gemeinnützigkeitsrecht und seinen Steuerprivilegien, erklärt er. So hätten sich die Kirchen durchsetzen können, „zumal der Wettbewerb erst langsam Einzug gehalten hat, insbesondere im Bereich der Pflege“. Das habe den Kirchen in manchen Bereichen eine beinahe marktbeherrschende Stellung beschert.

Für die Beschäftigten der Kirchen gilt ein eigenes Arbeitsrecht. Das führt im katholischen Bereich bei geschiedenen Wiederverheirateten oft zur Kündigung. Auch bei einer großen Firmenpleite standen Ethik und Geschäft im Widerstreit. Die Erotikangebote des Buchhändlers Weltbild passten einigen Bischöfen nicht. Weltbild schlitterte 2014 in die Insolvenz.

Dome und Kunstschätze sind Reichtum zum Anschauen

Die Finanzquellen der kirchlichen Dienstleistungskonzerne sind aber weiterhin vielfältig. Krankenhäuser, Hospize und Sozialstationen finanzieren sich überwiegend aus der Sozialversicherung, die Altenhilfe wird zu mehr als der Hälfte von den Senioren selbst getragen. Die Jugendhilfe zahlt die öffentliche Hand. Eigene Mittel aus Kirchensteuern, Mieten, Zinsen und Förderfonds fließen vor allem in die eigene Verwaltung. Die finanziellen Reserven der Kirchen, wie zurückgelegte Pensionsvermögen, werden auf mehr als 50 bis 65 Milliarden Euro geschätzt.

Ein Teil des kirchlichen Reichtums ist nur zum Anschauen da: die Kirchen, Dome und Kunstschätze. Sie bringen den Kirchen nichts ein, sondern verursachen hohe laufende Kosten. Die Instandhaltung des Berliner Doms kostet rund sechs Millionen Euro jährlich. Oft wird in Kirchenkreisen deshalb erklärt, dass man nicht steinreich, sondern nur reich an Steinen sei.