Berlin. Die Deutsche Bahn hat wieder einen neuen Chef. Richard Lutz kennt den Konzern und ist dort sehr beliebt. Doch der Job hat es in sich.

Ein paar Züge vorausdenken zu können, ist sicher eine gute Eigenschaft für jeden Manager an der Spitze der Deutschen Bahn. Finanzvorstand Richard Lutz wird daher seine Expertise aus zahllosen Schachpartien brauchen, nachdem er am Mittwoch offiziell einen der schwierigsten Jobs in der deutschen Wirtschaft angetreten hat. Der 52-jährige Betriebswirt war einer der besten Nachwuchsspieler und Vize-Meister in Deutschland.

Während Hartmut Mehdorn keiner Rauferei aus dem Weg ging und oft mit dem Kopf durch die Wand wollte, sein Nachfolger Rüdiger Grube nur wenige Versprechen halten konnte, wirkt Lutz bescheiden und überlegt. Gerade das macht seine Wahl so überraschend und weckt auch Zweifel, ob er der wohl schwierigsten Partie seines Berufslebens gewachsen sein wird.

Seit über 20 Jahren bei der Bahn

Ein paar Voraussetzungen bringt er zweifelsfrei mit: Lutz ist schon seit 1994 bei der Bahn in der Finanzabteilung und damit fast ein Vierteljahrhundert im Konzern. Der langjährige Finanzvorstand Diethelm Sack war sein Lehrmeister, bis Lutz ihn 2010 ablöste. Das war damals schon eine kleine Überraschung, denn Lutz wirkte neben dem knorrigen Sack eher unscheinbar.

„Lausbubenhaft“ nennt ihn ein Weggefährte. Er habe einen feinen Humor, niemand könne sich erinnern, dass der Pfälzer mal laut geworden sei. „Er ist im Unternehmen extrem beliebt“, heißt es sogar vonseiten der Gewerkschaften, die den Sparkurs des hoch verschuldeten Konzerns in den vergangenen Jahren kritisch begleitet haben.

„Alle Zahlen präzise im Kopf“

Zugute gehalten wird ihm auch, dass er zwar nie in einem operativen Geschäftsfeld wie dem krisengeschüttelten Güterverkehr gearbeitet, dennoch aber ein Gespür für die Auswirkungen seiner Vorgaben hat. „Er kennt vielleicht nicht jede Schraube an der Lok, aber er weiß erstaunlich genau, was Einsparungen an anderer Stelle bewirken“, sagt einer, der ihn aus vielen Verhandlungen kennt.

Vielleicht hilft Lutz dabei, dass sein Vater im Bahn-Ausbesserungswerk Kaiserslautern arbeitete. Gespräche verlege er schon mal von seinem repräsentativen Vorstandsbüro in sein Arbeitszimmer. Es störe ihn dann nicht, dass der Besucher sich über die zahllosen, weit verstreuten Aktenordner wundere, die selbst auf dem Fußboden verteilt sind. „Alle Zahlen hat er aber präzise im Kopf.“

Bisher kaum öffentlich aufgetreten

Obwohl er als Mann der Finanzen im Vorstand immer eine besondere Rolle hatte, sagte ihm niemand Ambitionen auf den Chefposten nach. Denn wohl kaum ein Vorstandsvorsitzender steht so im Rampenlicht und unter Beobachtung wie der Bahnchef – von Medien, Kunden und nicht zuletzt der Politik. Von Lutz aber sind kaum öffentliche Auftritte bekannt, auch nicht als er nach Grubes plötzlichem Abgang im Januar kommissarisch an der Spitze stand.

Während der frühere Vize Volker Kefer häufiger seine Bahnprojekte wie Stuttgart 21 verteidigte, die Chefs des Personenverkehrs vor neuen Zügen posierten oder Ex-Kanzleramtschef Ronald Pofalla als Lobbyist überall unterwegs war, hielt sich Lutz stets bedeckt. Lediglich bei einem von der Bahn mit organisierten Schachturnier, bei dem unter anderem Ex-Weltmeister Anatoli Karpow mitwirkte, tauchte Lutz auf. (rtr)